Lieber weiterdümpeln EZB-Chef Jean-Claude Trichet traut sich nicht, die Zinsen zu senken. Damit verspielt er Eurolands Hoffnung auf einen Aufschwung von Matthias Wulff
Immer das Gleiche in der Glotze. "Im Moment müssen die meisten Europäer den Fernseher anmachen, wenn sie eine Konjunkturerholung sehen wollen", spottete Ken Rogoff, Chefvolkswirt des Internationalen Währungsfonds (IWF), vor einem halben Jahr. Das Bild hat sich nicht geändert.
Es ist eher noch schlechter geworden. Während weltweit das Bruttosozialprodukt laut IWF 2004 um 4,6 Prozent zulegen soll, werden für die Staaten der europäischen Währungsunion - wie üblich in den vergangenen Jahren - die Erwartungen nach unten geschraubt. So korrigierte die Deutsche Bank am Freitag ihre arbeitstäglich bereinigte Wachstumsprognose von 1,6 auf 1,4 Prozent. Im nächsten Jahr soll das Wachstum statt bei 2,1 nur bei 1,9 Prozent liegen. Das Wachstum im ersten Quartal lag mit 0,3 Prozent gegenüber dem Vorquartal unter den Erwartungen.
Weltwirtschaftlich ist das Umfeld so günstig wie seit langem nicht. Die Sorgen durch Irak-Krieg, Terrorangst, Sars oder Dollar-Abwertung verblassen, und trotzdem kommt Euroland nicht auf die Beine. Strukturell macht vor allem Deutschland die Überalterung zu schaffen. Nach Berechnung von Daniel Gros, Direktor des Centre for European Policy Studies in Brüssel, kostet seit 1995 der Pillenknick das Land jährlich rund 0,7 Prozent an Arbeitskräften und damit an potenziellem Wachstum.
Doch akut mangelt es vor allem an heimischer Nachfrage in Europa. "Es fehlt ein Anschub durch den privaten Konsum", sagt Thomas Mayer, Chefvolkswirt Europa der Deutschen Bank. Die Verunsicherung über die anhaltend hohe Arbeitslosigkeit hält an, der Umbau der Sozialsysteme in ganz Europa verführt auch nicht zum lockeren Shopping.
Dumm nur, dass die Europäische Zentralbank (EZB) glaubt, alles sei im Lot. Sie geht von einer allmähliche Erholung der Euro-Wirtschaft und einem normalen Zyklus aus. "Wachstum startet mit Exporten, dann überträgt es sich auf Investitionen, dann auf den Konsum", hatte EZB-Präsident Jean-Claude Trichet in der vorvergangenen Woche in einem Interview gelehrmeistert. Die Deutsche-Bank-Volkswirte sehen das anders: "In der Vergangenheit haben die Nettoexporte den privaten Konsum angeschoben. Das passiert dieses Mal nicht", so Mayer.
Denn die guten Nachrichten aus der Unternehmenswelt übertragen sich nicht auf die Verbraucher. So stieg der Ifo-Geschäftsklimaindex am vergangenen Montag stärker als erwartet, und auch die Stimmung der europäischen Unternehmen verbesserte sich im April. Doch weder zog die Einschätzung der europäischen Verbraucher im Vormonat mit noch konnte der deutsche Einzelhandel zur Abwechslung mal Erfreuliches berichten. Die Händler haben im März weniger umgesetzt als im Februar, und nur ein zusätzlicher Verkaufstag sicherte ihnen ein Umsatzplus gegenüber dem Vorjahresmonat.
Zudem nutzen die europäischen Konzerne ihre Gewinne nicht - anders als in der Vergangenheit -, um Arbeitsplätze in der Heimat zu schaffen. "Die heimischen Investitionen sind im Wesentlichen Ersatzinvestitionen, aber keine Erweiterungsinvestitionen, die Arbeitsplätze schaffen würden", beobachtet Mayer von der Deutschen Bank. "Es wäre falsch, aus den verbesserten Unternehmensdaten auf ein starkes Wachstum im Euroraum zu schließen."
Für Peter Bofinger, Mitglied des Sachverständigenrates, wäre es daher überfällig, dass die EZB am Donnerstag den Leitzins, der derzeit 2,0 Prozent beträgt, nach unten schraubt. "Die EZB sollte die Zinsen auf jeden Fall noch einmal um einen halben Prozentpunkt senken." Schließlich ist die Inflationsrate derzeit eines der geringeren Probleme Europas und wird in diesem und im nächsten Jahr, so schätzen die fünf deutschen Forschungsinstitute, 1,8 Prozent nicht übersteigen. Bofinger sieht dabei - allerdings als Minderheitsmeinung unter den Ökonomen - Deutschland sogar "immer noch in der Nähe einer Deflation". Ohne Praxisgebühr, Tabaksteuererhöhung und den steigenden Benzinpreis "hätten wir eine Inflationsrate von unter einem Prozent".
Wenig Hoffnung jedoch hat der Würzburger Professor, der auf der Kandidatenliste als neuer Bundesbankpräsident stand und dem Vernehmen nach am Widerstand von Bundesfinanzminister Hans Eichel gescheitert ist, auf einen mutigen Schritt der europäischen Notenbanker: "Die EZB ist zu risikoscheu und zögert deshalb Zinssenkungen in der Regel zu lange hinaus." Und lässt Europa lieber weiter vor sich hindümpeln.
Ich denke, die Industrie wird Ihn noch überzeugen, hoffentlich! Sonst gute Nacht, DAX 3500???
Greetz |