FR-INTERVIEW MIT CARL-PETER FORSTER „Der Ölpreis macht   uns keine Sorgen“
Tata-Motors-Chef Carl-Peter Forster über sparsame Autos, den Fuhrpark des britischen Botschafters und Jaguars Rückkehr in die Formel 1.
Auf dem Weg nach oben: Carl-Peter Forster, seit Anfang 2010 Chef des indischen Autobauers Tata Motors. Foto: AFP/Getty Images Herr Forster, worauf schauen Sie morgens zuerst – auf die Bestelleingänge oder den Ölpreis? Auf die Bestelleingänge natürlich.
Natürlich? Macht Ihnen der Ölpreis keine Sorgen? Er beunruhigt mich nicht. Kurzfristige Ausschläge gibt es immer. Entscheidend ist doch der langfristige Trend, und da wissen wir alle, dass der Ölpreis steigen wird. Darauf müssen sich alle Autohersteller einstellen, wenn ihre Autos relevant bleiben sollen. Wir tun das.
zur Person Carl-Peter Forster ist seit 24 Jahren in der Autobranche tätig. Davon arbeitete er die ersten 13 Jahre bei BMW und war dort zuletzt Produktionsvorstand. 2001 wechselte der heute 55-Jährige zu General Motors und wurde Opel-Chef. Bis Ende 2009 leitete er General Motors Europe mit Verantwortung für die Marken Opel, Vauxhall und Saab. Seit Anfang 2010 ist Forster, der Volkswirtschaft und Raumfahrttechnik studierte, Chef des indischen Autobauers Tata Motors. jk
Ab wann wird der Ölpreis kritisch für das Autogeschäft? Das lässt sich so absolut nicht sagen. Die Amerikaner wurden zuletzt bei einem Preis von vier Dollar pro Gallone ziemlich nervös. Da lag der Ölpreis bei etwa 150 Dollar. Es wurden plötzlich kleinere Wagen gekauft. Die Autos wurden allerdings wieder größer, als die Preise fielen. Wir wissen noch nicht ganz genau, wo da die Schwelle in Europa anfängt.
Als ein Grund für die Automobilkrise wurde vor zwei Jahren eine falsche Modellpolitik angeführt. Jetzt zeigt Jaguar auf dem Genfer Autosalon einen Sportwagen mit 550 PS. Gelten schon wieder die alten Kenngrößen? Ich glaube nicht, dass eine falsche Modellpolitik Grund für die Krise war. Der Grund war doch, dass mit dem Quasi-Zusammenbruch des Finanzsystems die Kunden auf der ganzen Welt von heute auf morgen komplett verunsichert waren. Dennoch müssen wir natürlich sehr hart daran arbeiten, um ökologisch verträgliche Autos wirtschaftlich darstellbar zu machen. Aber die Sinnhaftigkeit von Supersportwagen mit ihren extrem kleinen Zulassungszahlen in Frage zu stellen, ist nun wirklich nicht der richtige Ansatz. Die Frage ist, was machen wir in der größeren Flotte.
Käfer, Ente, Trabi: Autos mit Kultcharakter Bildergalerie ( 4 Bilder )Durchklicken Nämlich? Wir machen große Fortschritte bei der CO2- und Verbrauchssenkung. Wir haben unsere Kohlendioxid-Emissionen in den letzten fünf Jahren bei Jaguar und Land Rover um etwa zehn Prozent reduziert und werden sie bis 2015 um weitere 20 Prozent senken. Der neue Jaguar XJ 3.0 Diesel etwa hat einen Verbrauch von sieben Litern auf 100 Kilometer. Wir entwickeln viel neue Technik, die in den nächsten Jahren kommt und hoffentlich vom Kunden auch gekauft wird, selbst wenn sie mehr kostet, weil sie aufwendiger ist.
Dabei werden Ihnen höhere Spritpreise helfen. Grundsätzlich stimmt das. Aber wir müssen auch die unterschiedlichen Märkte berücksichtigen. Deshalb entwickeln wir Elektroantriebe, Start-Stopp-Systeme und Plug-in-Vollhybrid-Fahrzeuge, aber ebenso Benzin- und Dieselmotoren, die hocheffizient, aber dennoch kostengünstig sind.
Für kostengünstig steht vor allen der Kleinwagen namens Nano, mit dem Tata vor drei Jahren auch in Westeuropa bekanntwurde. Das Auto wird in Indien seit eineinhalb Jahren verkauft, aber wie zu lesen war, ist das 1800-Euro-Auto nicht gerade der Kassenschlager. Der Nano läuft gut. Am Anfang haben das Auto vor allem Kunden gekauft, für die es eigentlich gar nicht gedacht war. Leute, die sich den Nano als Zwei- und Drittwagen zugelegt haben. Die haben sich auch die Anzahlung leisten können, die wir am Anfang verlangt haben. Jetzt wollen wir den Nano wirklich an die Kunden heranbringen, für die er gemacht ist. Doch die leben nicht in den großen Städten. Wir bauen jetzt die Lieferkanäle auf, verpflichten Händler, entwickeln Finanzierungsmodelle.
Wie viele Autos verkaufen Sie? Die Kapazität liegt bei 20000 Fahrzeugen im Monat. Jetzt nutzen wir knapp die Hälfte.
Wird der Tata Nano auch in Europa zu bekommen sein? Das wissen wir noch nicht genau. Aber es dauert sicherlich noch zwei bis drei Jahre.
Sie arbeiten auch an einer Elektroversion? Ja, wir führen derzeit einen Feldversuch in London durch. Einen Einführungstermin haben wir noch nicht. Das wäre allerdings vor allem für Europa interessant, nicht für den indischen Markt.
Welche Rolle spielt der Klimaschutzgedanke eigentlich auf dem indischen Markt? Eine weit geringere als in Europa. In Indien geht es vor allem das Grundbedürfnis nach Mobilität. Dafür ist der Benzinverbrauch bei der Kaufentscheidung extrem wichtig, was auf das Gleiche hinaus läuft, weil ein geringer Verbrauch natürlich auch der Umwelt zugutekommt.
Allerdings geht es da um andere Größenordnungen. Wenn Indien einmal eine ähnliche Pkw-Dichte erreichen sollte wie Deutschland, dann gibt es dort 600 Millionen Autos. Man muss kein grüner Fundamentalist sein, um da nachdenklich zu werden. Das Szenario halte ich für übertrieben. Derzeit werden in Indien im Jahr zweieinhalb Millionen Autos verkauft. Damit ist der Markt etwas kleiner als der deutsche. In den nächsten fünf bis zehn Jahren wird er sehr wahrscheinlich bis weit über fünf, vielleicht auf zehn Millionen wachsen.
Was ist seine Besonderheit? Auf dem indischen Markt sind überwiegend kleine Autos gefragt. Im Moment wird er beherrscht von Tata und wenigen ausländischen Herstellern. Es zieht aber immer mehr Hersteller nach Indien, und inzwischen produzieren sie auch dort. Es könnte sogar sein, dass Indien nicht nur der größte Markt, sondern auch der größte Exporteur für Kleinwagen wird. Zugleich entwickelt sich dort auch ein Premiummarkt.
Als Konzern-Chef Ratan Tata Sie vor einem Jahr zum Chef von Tata Motors machte, übertrug er Ihnen auch die Aufgabe, die Fahrzeugsparte des Konzerns zu einem wirklich globalen Unternehmen zu machen. Wie weit sind Sie? Aus einem indischen macht man nicht über Nacht einen globalen Player. Wir sind der größte Pkw-Hersteller Indiens, Tata ist aber auch der viertgrößte Lkw-Hersteller der Welt. Das ist unsere große Stärke, mit der wir neue Märkte erobern wollen, im Paket mit unserer Pkw-Palette. Wir werden für jeden Markt das passende Pkw-Lkw-Paket schnüren. Dabei denken wir natürlich zuerst an Länder, die ähnliche Rahmenbedingungen haben wie Indien. Auch in Asien, Afrika, Osteuropa, Südamerika sind wir bereits präsent, werden das aber ausbauen. Aber wir denken auch an Westeuropa.
Wird ein Hersteller auf lange Sicht ein reiner Fahrzeughersteller bleiben können oder wäre das zu eng gedacht. Muss er sich zu einem Mobilitätsdienstleister entwickeln? Es geht zweifelsfrei in die Richtung. Ein Autohersteller muss nicht eine Eisenbahn kaufen, aber Service und Dienstleistungen rund um das Auto anbieten. Das ist unverzichtbar.
Car-Sharing gehört dazu? Das will ich nicht ausschließen, ist aber vor allem ein Thema für hoch entwickelte Märkte.
Auf denen ist Tata Motors heute mit den vor drei Jahren zugekauften Marken Jaguar und Land Rover vertreten. Die Produkte sind allerdings wenig indisch, auch weil alles andere als klein. Sind Sie glücklich mit der britischen Adoption? Absolut. Im vergangenen Jahr haben die beiden Marken weltweit um fast zwanzig Prozent zugelegt. Wir haben knapp eine Viertelmillion Autos verkauft.
Dennoch sind ihre deutschen Konkurrenten Mercedes, BMW und Audi im Klein- und Kompaktwagensegment aktiv. Warum verzichtet Jaguar darauf? Nun, das ist im Moment ja nicht unbedingt ein Fehler, weil man in diesen Fahrzeugklassen kaum Geld verdient. Wir bieten aber mit Land Rover schon kompaktere Modelle an wie den Land Rover Freelander und den Range Rover Evoque. Außerdem haben wir ja Kleinwagen im Konzern, die heißen eben Tata. Also wir werden keinen Kleinwagen von Jaguar anbieten.
Ist denn in der Golf-Klasse ein Jaguar vorgesehen? Das ist bisher nicht angedacht.
Der britische Botschafter in Berlin hat zwei Jaguar in der Garage, aber um ein Elektroauto fahren zu können, muss er die BMW-Marke Mini bemühen. Können Sie ihm Hoffnung machen? Ich fürchte nicht, weil ein reiner Elektroantrieb für ein Auto der Größe eines Jaguars nicht sinnvoll ist. Hier muss man auf andere Konzepte greifen. Etwa die Kombination von Elektro- und Dieselantrieb. Solche Modelle werden wir in zwei Jahren serienreif haben.
Jaguar hat bis vor sieben Jahren an der Formel 1 teilgenommen. In dieser Saison wird nun erstmals ein Grand Prix in Indien gefahren. Ist das Grund genug, um über Jaguars Rückkehr in die Formel 1 nachzudenken? Das haben wir nicht im Plan. Wenn Jaguar mal wieder im größeren Stil Rennen fahren sollte, würde ich zuerst an Formate denken, wo die Zuschauer die Silhouette eines Jaguars wiedererkennen können.
Interview: Jochen Knoblach
Quelle: http://www.fr-online.de/wirtschaft/.../-/1472780/7761066/-/index.html ----------- THEGOTCHI Optimismus ist, bei Gewitter auf dem höchsten Berg in einer Kupferrüstung zu stehen und »Scheiß Götter!« zu rufen. (Terry Pratchett) http://www.my.calendars.net/lehman |