Probleme bei MLP

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neuester Beitrag: 03.04.03 15:44
eröffnet am: 03.04.03 15:36 von: calexa Anzahl Beiträge: 3
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03.04.03 15:36

4691 Postings, 8253 Tage calexaProbleme bei MLP

Wenn Bernhard Termühlen (47) vor die Presse tritt, dann trägt der MLP-Chef stets sein allerfeinstes Sonntagslächeln. Er spricht bei diesen seltenen Gelegenheiten vom tollen Geschäftsmodell und den blendenden Perspektiven des Heidelberger Finanzdienstleisters.

Mitte Februar war die Bernhard-Show wieder einmal zu besichtigen, Termühlen präsentierte Zahlen für das Geschäftsjahr 2002.

Diesmal allerdings wollte der strahlende Auftritt so gar nicht zu den wirtschaftlichen Realitäten passen: Termühlens Vertriebstruppe laufen die Leute davon, das Neugeschäft bricht ein, und statt des versprochenen Gewinns musste der Chef einen Verlust von 114,5 Millionen Euro melden.

Staatsanwaltschaftliche Ermittlungen wegen des Verdachts auf Bilanzfälschung und der für einen Dax-Konzern beispiellose Absturz des Börsenwerts um 95 Prozent haben das Unternehmen in seinen Grundfesten erschüttert. Und worüber redet Bernhard Termühlen? Über die intakte Wachstumsmaschine MLP .

Der Konzern erinnert in diesen Tagen fatal an die verglühten Highflyer des Neuen Marktes. Die Schwierigkeiten sind jedenfalls größer, als es die ohnehin schon schlechten Zahlen vermuten lassen.

Die Konzernspitze kann das Unternehmen nur noch mit Mühe zusammenhalten. Das mittlere Management ist überfordert, die Stimmung unter den Beratern desolat, die Marke schwer beschädigt. Und was am schlimmsten ist: Das Unternehmen wird seine ehrgeizigen Wachstumsprognosen wohl kaum jemals erfüllen können.

Dass die MLP-Maschine ins Stottern geriet, hängt im Wesentlichen mit Termühlens strategischen Vorgaben zusammen. Bei seinem Amtsantritt im Frühjahr 1999 verordnete der gelernte Ingenieur dem Konzern ein brutales Wachstumstempo.

Seither hat sich die Zahl der Geschäftsstellen verdreifacht, das Beraterheer wuchs um rund 250 Prozent.

Gelockt hat Termühlen seine Leute vor allem mit der Aussicht auf schnellen Reichtum durch den Kauf von MLP-Aktien. Das Geld mussten sich viele Berater leihen - aber was machte das schon bei einem Papier, das seit dem Börsengang in der Spitze um 30.000 Prozent zugelegt hatte.

Termühlens Expansionskonzept war ganz auf die Börse fixiert. Um den Kurs anzutreiben, musste er Jahr für Jahr Umsatz- und Gewinnzuwächse von 30 Prozent und mehr vorweisen. Ein Tempo, das spätestens mit der Bilanz des Jahres 2000 nicht mehr ohne extrem progressive Buchführung durchzuhalten war.

So long,
Calexa
www.investorweb.de

 

03.04.03 15:39

4691 Postings, 8253 Tage calexaTeil 2

Teile des Gewinns stammten nun nicht mehr aus dem Kerngeschäft, sondern aus Rückversicherungsdeals und dem Verkauf künftiger Provisionsansprüche. Das war zwar alles legal, machte die Bücher aber selbst für Experten kaum noch verständlich.

Das Pokern lief erfolgreich - so lange, bis der Konzern in den Dax aufstieg. Da geriet die Aktie ins Fadenkreuz aggressiver Hedgefonds, die mit gezielt gestreuten Gerüchten und massiven Leerverkäufen den Wert des Papiers nach unten trieben.

Für eine Firma, deren Erfolg maßgeblich auf steigenden Kursen beruht, eine existenzbedrohende Lage. Die Verschuldung mancher MLP-Berater, die während des Booms MLP-Aktien auf Pump gekauft hatten, liegt nach Branchenschätzungen deutlich über 100.000 Euro. Viel Geld - auch für Spitzenverdiener.

Konzernchef Termühlen und Aufsichtsratsvorsitzender Manfred Lautenschläger (64) mussten ihren Not leidenden Angestellten bereits Mitte 2002 mit hohen Bürgschaften beispringen.

Zumindest Termühlen hat sich dabei finanziell offenbar nahezu verausgabt. Der MLP-Vorstandsvorsitzende bat seinen Freund, den MLP-Aufsichtsrat und kurpfälzischen Nachbarn Dietmar Hopp (62), um Hilfe. Der Mitgründer des Softwaregiganten SAP gab Sicherheiten.

Dass Termühlen derart in der Klemme steckt, wurde erst Anfang März publik. Hopp hatte auch Sicherheiten aus Geldern einer von ihm gegründeten Stiftung gewährt. Die Mannheimer Staatsanwälte witterten Untreue zu Lasten der Stiftung und durchsuchten Hopps Privatdomizil. Der SAP-Gründer will sein Aufsichtsratsmandat nun niederlegen, angeblich aus privaten Gründen.

Mittlerweile hat sich die Lage in Heidelberg zugespitzt. Die MLP-Bank, die Aktienkäufe im Rahmen eines Beteiligungsprogramms finanziert hatte, musste auf Grund des Wertverfalls der Depots mit den Beratern bereits Vereinbarungen zur Rückführung der Darlehen treffen.

Die zutiefst verunsicherte MLP-Mannschaft sucht nun Halt bei der Führungsriege - und findet ihn nicht. Das Management ist total überfordert. Jetzt rächt sich, dass Termühlen die Konzernstruktur allein auf sich zugeschnitten hat und jede wichtige Entscheidung im Alleingang fällt. Beinahe sektenähnlich rekrutierte der Mann, der selbst einst vom Berater an die Konzernspitze aufgestiegen war, nahezu die gesamte Führungscrew im eigenen Haus.

Die Folge: Anlageberater, bestenfalls kurz in Managementtechniken geschult, lenken den Konzern. Lediglich einen externen Manager heuerte Termühlen an. Der vom Internet-Broker Consors abgeworbene Finanzvorstand Uwe Schröder-Wildberg (37) darf das Bilanzchaos beseitigen.

Die Turbulenzen treffen MLP zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt. Ausgerechnet jetzt stößt das Wachstumsmodell an seine Grenzen. In den fast 400 Geschäftsstellen machen sich die Berater zunehmend Konkurrenz. In Großstädten wie Berlin und Hamburg buhlen bis zu 20 Niederlassungen um die Kundschaft.  

03.04.03 15:44

4691 Postings, 8253 Tage calexaTeil 3

Vor zehn Jahren konnte ein MLP-Mann noch rund 500 Akademikern seine Dienste anbieten. Jetzt sei der Pool möglicher Klienten vielerorts auf 100 Ansprechpartner geschrumpft, klagen Berater. Branchengerüchten zufolge wurden altgediente Mitarbeiter gebeten, Kunden an Kollegen abzutreten - was MLP aber bestreitet.

Verschärft wird die Lage durch das dilettantische Krisenmanagement Termühlens, der lange Zeit lieber vertuschte als offen kommunizierte. Die Folge: ein rapider Ansehensverlust der Firma und ein Einbruch im Neugeschäft.

Besonders hart trifft den Finanzdienstleister der Vertrauensverlust an den Hochschulen. Einige Fakultäten haben die Kooperation mit MLP bereits eingeschränkt, bis die Ermittlungen der Staatsanwälte beendet sind.

Auch bei der Betreuung reicher Kunden, im Finanzjargon "Private Banking" genannt, hapert es. Den Beratern fehlen die Produkte für die betuchte Kundschaft. "Mit Standardware auf Fondsbasis kommen Sie da nicht weit", höhnt ein ehemaliger MLP-Mann.

Die Klientel vom Studium bis zum Karrierehöhepunkt zu begleiten - ausgerechnet dieses entscheidende Element der MLP-Strategie kann der Konzern nur schwer umsetzen. Termühlens Versuche, durch Kooperationen mit Privatbanken wie Merck Finck und Sal. Oppenheim voranzukommen, blieben ohne Ergebnis.

Kein Wunder, dass es in der Beraterschar gärt. Binnen zwölf Monaten hat sich die Fluktuation auf 20 Prozent mehr als verdoppelt.

Wer es sich leisten kann, geht. Viele machen sich selbstständig; manche schließen sich zu Partnerschaften zusammen oder wandern zu Banken ab.

Einige versuchen gar, MLP in großem Stil Konkurrenz zu machen. In Hamburg etwa gründeten Ex-MLP-Geschäftsstellenleiter Anfang 2003 das Finanzhaus Loyas und scharten rund 30 Berater um sich - meist frühere Kollegen.

Lässt sich der Niedergang des einstigen Börsenstars noch stoppen? Intern und extern sehen viele nur eine Chance - wenn Termühlen geht.

Ende der 80er Jahre gab es schon einmal eine ähnliche Situation. Das Wachstum stockte, in der Führung klemmte es. Damals trennte sich Unternehmensgründer Manfred Lautenschläger von seinem Kronprinzen Jochen Aymanns [€] (60), dem späteren Chef der Gerling Lebensversicherung.

Lautenschläger kaufte Aymanns dessen MLP-Aktien ab.

Ein solcher Kraftakt wird dem MLP-Gründer kaum ein zweites Mal gelingen. Erstens hat Termühlen eine große Hausmacht, zweitens dürfte Lautenschläger das Geld fehlen.

Tatsächlich hat Lautenschläger nur eine Möglichkeit, seinen Nachfolger loszuwerden: den Verkauf der Firma an einen Finanzkonzern. Kann sich der Aufsichtsratschef zu diesem Schritt nicht durchringen, droht MLP zu zerbrechen.

So long,
Calexa
www.investorweb.de  

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