SPIEGEL ONLINE - 29. September 2006, 15:18
URL: http://www.spiegel.de/panorama/justiz/0,1518,440051,00.html
Ehrenmord-Prozess
Lebenslange Haft für Schwesternmörder
Ein 25-jähriger Türke wurde im Wiesbadener Ehrenmord-Prozess zu lebenslanger Haft verurteilt. Er hatte seine Schwester heimtückisch mit sechs Pistolenschüssen getötet, weil diese mit einem Deutschen liiert war. Das junge Paar hatte seine Beziehung bis kurz vor der Tat geheim gehalten.
Wiesbaden - "Er fühlte sich berufen, sie mit dem Tod zu bestrafen", sagte der Vorsitzende Richter am Wiesbadener Landgericht. Der nicht vorbestrafte Mann hatte seine 20 Jahre alte Schwester in einer Gartenhütte in Wiesbaden mit mehreren Schüssen in Bauch und Kopf getötet.
Die Jugendliche war neun Tage vor der Tat von zu Hause weggelaufen und hatte sich zeitweise in der Hütte versteckt, die der Mutter ihres damals 28 Jahre alten Freundes gehörte. Am Tattag verabredete sich der Angeklagte dort mit ihr zu einer Aussprache.
Der Freund der 20-Jährigen wartete zunächst in einem Café in der Nähe. Als er später in der Hütte nachschaute, fand er seine blutüberströmte Freundin. Der Täter war geflüchtet, stellte sich aber am selben Abend der Polizei. Das Paar hatte sich im Dezember 2004 kennen gelernt und seine Beziehung bis kurz vor der Tat geheim gehalten.
Der 25-Jährige hatte die Tat gestanden, gab jedoch an, im Affekt gehandelt zu haben. Seine Schwester und er seien in Streit geraten, in dessen Verlauf sie ihn unter anderem als "Versager" beschimpft habe. Daraufhin habe er die Beherrschung verloren und sechs Schüsse aus seiner Pistole abgefeuert.
Die Freundschaft seiner Schwester zu dem Deutschen sei nicht das Motiv gewesen. Von einem "Ehrenmord" könne keine Rede sein. "Die Einlassung des Angeklagten halten wir für eine Schutzbehauptung", heißt es in der Urteilsbegründung.
Das Gericht folgte mit seinem Urteil der Staatsanwaltschaft, die auf lebenslang plädiert hatte. Die Anklagevertretung hatte außerdem gefordert, die besondere Schwere der Schuld festzustellen. Dieser Sichtweise folgte das Gericht nicht. Die Verteidiger hatten eine Verurteilung wegen Totschlags beantragt, aber kein Strafmaß genannt.
jto/
------------------------------------
Jagshemash!