BLICKPUNKT/Goldenes Zeitalter für Finanzmärkte vor dem Ende FRANKFURT (Dow Jones)--In einer Langzeitstudie mit dem vielsagenden Titel "From the Golden to the Grey Age" kommt die Deutsche Bank zu dem Ergebnis, dass sich das "goldene Zeitalter" hoher Renditen an den Finanzmärkten der westlichen Welt dem Ende nähert. Die goldene Ära, die von dem Strategen Jim Reid als der Zeitraum Anfang der 80er-Jahre bis in die Mitte der ersten Dekade des neuen Jahrtausends beschrieben wird, sei von günstigen demographischen Entwicklungen wie auch der zunehmenden Globalisierung der Weltwirtschaft gestützt worden.
Beide Faktoren könnten in der Zukunft aber ihre tragende Funktion einbüßen bzw sogar belastend wirken. So habe in einigen Teilen der industrialisierten Welt das "Zeitalter der Entvölkerung" bereits begonnen. Die für die Finanzmärkte wichtige Relation zwischen arbeitender zu nicht-arbeitender Bevölkerung habe in Japan 1990 ihren Höhepunkt erreicht und sei seitdem rückläufig. In den USA sei dieser Zeitpunkt 2000 markiert worden, in Europa 2010. China werde 2015 diesen Punkt überschreiten.
Lediglich Indien stehe unter den für die Weltwirtschaft relevanten Ländern besser da. Hier wird der demographische Hochpunkt erst 2050 erreicht. Eine alternde Bevölkerung dürfte die Entwicklung von Vermögenswerten aus verschiedenen Gründen negativ belasten. Durch die Schrumpfung der wirtschaftlich potentesten Bevölkerungsgruppe im Alter von 35 bis 54 Jahren sinke nicht nur die Gruppe der potenziellen Investoren. Auch werde die Gesellschaft zusätzliche Mittel aufbringen müssen, um den älteren Teil der Bevölkerung zu unterstützen.
Damit stünden aber weniger Mittel für Investitionen an den Kapitalmärkten zur Verfügung. Auch sei davon auszugehen, dass insgesamt der Verkaufsdruck auf Assets steigen werde, da der Pool älterer Investoren, die ihre Vermögenswerte verkaufen werden, um ihren Lebensabend zu finanzieren, in den kommenden Jahren steigen werde. Möglicherweise sei es kein Zufall, so Reid, dass das Platzen der Aktienblasen in Japan 1990 und den USA mit den demographischen Hochpunkten dieser Länder zusammengefallen sei.
Auch die Nachwirkungen der Globalisierung der vergangenen Dekaden könnten sich in Zukunft als belastend für die Finanzmärkte erweisen. Die disinflationären Effekte einer zunehmend vernetzten Weltwirtschaft habe die Zentralbanken der westlichen Welt in die Lage versetzt, die Leitzinsen bei drohenden Rezessionen immer weiter zu senken. Das niedrige Zinsniveau wiederum habe es möglich gemacht, immer mehr Schulden anzuhäufen, um auf diese Weise das Wachstum zu stützen bzw die Wirtschaftszyklen zu verlängern.
Die Phase der "Great Moderation", also niedriger Inflation bei zugleich erhöhtem Wachstum, sei mit der aktuellen Finanzkrise auf spektakuläre Art und Weise zu Ende gegangen. Der hohe Verschuldungsgrad in der westlichen Welt werde vermutlich das Wachstum in Zukunft negativ belasten, zumindest deuteten darauf wissenschaftliche Arbeiten hin. Daneben hätten die Behörden bzw Notenbanken eines Nullzinsumfeldes kaum noch Spielräume, um auf die Wirtschaft stimulierend zu wirken.
Inwieweit eine Stabilisierung über eine Politik der quantitativen Lockerung der Notenbanken erreicht werden könne, bleibe abzuwarten und befinde sich zurzeit im Experimentierstadium. Insgesamt sollten sich die Anleger nach Einschätzung von Jim Reid in den kommenden Jahren auf insgesamt höhere Volatilitäten, kürzere Wirtschaftszyklen, eine alternde Bevölkerung und unterdurchschnittliche Erträge in vielen Vermögenswerten einstellen. Eine "Buy and Hold"-Strategie sei zukünftig vermutlich nicht die optimale Anlagestrategie. Vielmehr werde die taktische Positionierung um die Wirtschaftszyklen herum von entscheidender Bedeutung werden.
Reid hält es derweil für möglich, dass die Bedeutung von Dividenden in den kommenden Jahren an Bedeutung gewinnen wird. Angesichts der Ermangelung attraktiver Wachstumsperspektiven sei es denkbar, dass die Anleger wieder auf höheren Ausschüttungsquoten bestünden. Nicht auszuschließen sei die Rückkehr zu einer Dividendenpolitik, wie sie für die Dekaden vor 1958 typisch gewesen sei. Damals habe die Dividendenrendite immer über den Renditen für Staatsanleihen gelegen.
Nach 1958 hätten die Anleger dann zunehmend auf Dividendenzahlungen verzichtet in der Überzeugung, dass die zukünftigen Kapitalgewinne aufgrund der guten Wachstumsperspektiven attraktiver seien als hohe Ausschüttungsquoten. Das Jahr 2008 habe insofern einen Wendepunkt markiert, als dass die Dividendenrendite in den USA erstmalig seit 50 Jahren kurzfristig über die Renditen für Staatsanleihen gestiegen sei. In Europa lägen seitdem die Dividenden einiger Aktien auch über den Renditen ihrer Unternehmensanleihen. Dieser Trend könnte sich fortsetzen.
-Von Manuel Priego-Thimmel, Dow Jones Newswires; +49 (0)69-29725 218; Manuel.Priego-Thimmel@dowjones.com DJG/mpt/mod/flf (END) Dow Jones Newswires
September 16, 2010 08:14 ET (12:14 GMT)
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Quelle: DJN ----------- "Apathie ist der Handschuh in der das Böse seine Hand gleiten lässt." |