MOSKAUS STRATEGIE Russland ist immer schon einen Schritt weiter Stand: 23.05.2021 | Lesedauer: 3 Minuten DIE WELT Fotoshooting 2019 Von Clemens Wergin Chefkorrespondent Außenpolitik Kombo Clemens Wergin Wladimir Putin Moskau baut seine Präsenz in der Arktis gezielt aus, schreibt Clemens Wergin Quelle: picture alliance / Alexei Druzhinin/Planet Pix via ZUMA Wire/dpa; Martin U.K. Lengemann/ WELT Moskau kann die Pipeline Nord Stream 2 bauen und weitet seine Präsenz in der Arktis aus. Höchste Zeit, dass Amerika und die Nato eine Strategie erarbeiten, wie der steigenden russischen Militärpräsenz in der Region begegnet werden kann. 112
Anzeige
In der vergangenen Woche sorgte die Biden-Regierung für einige Verwirrung. Sie hat die Sanktionen gegen die Nord Stream 2 AG, die die gleichnamige Pipeline baut, und gegen deren CEO Matthias Warnig aufgehoben. Dabei betont das US-Außenministerium in einem Bericht an den Kongress, dass beide sanktionswürdige Handlungen begehen.
Gleichzeitig hält die US-Regierung aber daran fest, dass die hoch umstrittene Pipeline aus geostrategischen Gründen nicht gebaut werden sollte und sanktioniert andere Firmen und Verlegeschiffe, die an der Fertigstellung beteiligt sind. Das mutet so überzeugend an wie die Behauptung, nur ein wenig schwanger zu sein.
In erster Linie wollte Präsident Biden mit diesem Schritt das Verhältnis zu Berlin entspannen. Denn in der Tat war es sehr ungewöhnlich, dass die USA in den Jahren zuvor Sanktionen gegen ein Projekt verhängt haben, das von einem engen Verbündeten vorangetrieben wird.
LESEN SIE AUCH Die AfD-Abgeordneten Stefan Keuter, Jörg Urban und Robby Schlund RUSSLAND UND DIE AFD Das Bündnis, das niemand mehr verheimlicht Anzeige
Inhaltlich hatten die Amerikaner damit aber zweifelsohne Recht, weil Berlin trotz aller Warnungen an der Pipeline festhielt, die die geostrategischen Interessen des Westens insgesamt beschädigt, weshalb es eben auch keine rein nationale deutsche Angelegenheit sein kann. Dass die USA nun mindestens teilweise den Druck nehmen von Nord Stream 2, liegt vor allem daran, dass sie nicht mehr glauben, die Gaspipeline verhindern zu können, weil der Bau zu weit fortgeschritten ist.
Diese von Unentschlossenheit zeugende Entscheidung der Biden-Regierung kommt zu einem Zeitpunkt, an dem sich schon der nächste geostrategische Konflikt mit Russland anbahnt: in der Arktis. Gerade hat Russland den Vorsitz im Arktis-Rat von Island übernommen, und Experten gehen davon aus, dass Moskau nun seine Bemühungen intensivieren wird, weite Teile der rohstoffreichen Region für sich zu reklamieren.
Russland hat in den letzten Jahren seine Truppenpräsenz dort massiv erhöht, 2019 gab das russische Militär bekannt, dass 19 Landebahnen entweder gebaut oder instand gesetzt wurden. In diesen Tagen flog man erstmals auch westliche Journalisten auf die russische Militärbasis auf der Alexander-Insel im Franz-Josef-Land, um die militärische Bereitschaft Russlands zu demonstrieren.
LESEN SIE AUCH Joe Biden und Wladimir Putin (r.) kämpfen um die Arktis WETTSTREIT DER WELTMÄCHTE Kalter Krieg um die Arktis Im März brachen drei russische U-Boote gemeinsam durch das arktische Eis und markierten damit den russischen Anspruch auf eine Region, die durch die Erderwärmung einfacher passierbar wird für Schiffe. Dadurch sind auch die Rohstoffe dort, etwa große Erdgasvorkommen, leichter zu erschließen.
Putin hat die Arktis im russischen Nationalen Sicherheitsrat schon 2014 als Sphäre unserer speziellen Interessen reklamiert. Für Moskau ist die Region wichtig, um das russische Geschäftsmodell, das vor allem im Export von fossilen Brennstoffen besteht, auch in Zukunft beizubehalten.
Die USA werfen Russland zwar vor, die Arktis zu militarisieren, bisher hat die Biden-Regierung aber kein Konzept, wie die westliche Führungsmacht verhindern will, dass Moskau sich weite Teile der Arktis einverleibt und die Interessen westlicher Arktisanrainer einfach ignoriert. Es ist deshalb höchste Zeit, dass Amerika und die Nato eine Strategie erarbeiten, wie der steigenden russischen Militärpräsenz in der Region begegnet werden kann.
Damit der Westen nicht erneut zu spät aufwacht und sich vor vollendete Tatsachen gestellt sieht wie einst bei der Krim-Annexion oder nun bei der fast fertig gestellten Nord-Stream-2-Pipeline. |