Dieses Notenbank-Statement muss man gelesen haben!von Ronald Gehrt Guten Morgen, verehrte Leserinnen und Leser! Sieh an, nachdem man monatelang das Gefühl hatte, die Fed-Statements kämen aus dem Kopierer, haben wir gestern wirklich mal ein sehr interessantes Statement vorgesetzt bekommen. Die Leitzinsen blieben unverändert bei 5,25%, das war zu erwarten. Aber der Text danach ist lesenswert. Ich übersetze ihn zunächst unkommentiert: Was die US-Notenbank zur Lage schreibt ...„Das Wirtschaftswachstum in der ersten Jahreshälfte war moderat. Die Finanzmärkte waren in den vergangenen Wochen volatil, die Bedingungen am Kreditmarkt wurden schwieriger für einige Haushalte und Branchen und die Korrektur des Immobilienmarkts setzt sich fort. Nichtsdestotrotz ist es wahrscheinlich, dass die Wirtschaft in den kommenden Quartalen in moderatem Umfang wächst, unterstützt durch solides Beschäftigungswachstum, steigende Einkommen und eine robuste Weltwirtschaft. Die Kerninflation wuchs in den vergangenen Monaten moderat. Doch für eine tragfähige Verringerung des Inflationsdrucks bedarf es erst überzeugender Beweise. Darüber hinaus hat das hohe Niveau des Energie- und Rohstoffbedarfs das Potenzial, den Inflationsdruck aufrecht zu erhalten. Obwohl die Abwärtsrisiken für das Wachstum in gewissem Ausmaß gestiegen sind, bleibt das Hauptaugenmerk der Notenbank auf das Risiko gerichtet, dass die Inflation sich nicht wie erwartet verringern könnte. Zukünftige Veränderungen der Notenbankpolitik werden von den Aussichten der Inflation einerseits und des Wirtschaftswachstums andererseits, wie sie sich in den kommenden Daten darstellen werden, abhängen.“ ... wo die Knackpunkte liegen ...Da sitzen in paar sehr interessante Formulierungen drin. Zunächst hat die Fed natürlich die Lage an den Kreditmärkten in ihr Statement mit einbezogen. Das hatte man vermutet. Nicht aber den Umstand, dass sie daraus nicht unmittelbar die Konsequenz einer Veränderung ihrer Grundhaltung auf „neutral“ gezogen hat. Das war eigentlich erhofft worden. Aber in gewisser Weise ist sie offenbar durchaus bereit, die Problematik zu berücksichtigen, wenn diese Situation eine spürbare Verschlechterung des Wirtschaftswachstums nach sich zieht. Dies ist daran erkennbar, dass sie zum einen die zukünftigen Veränderungen der Notenbankpolitik von den Aussichten der Inflation einerseits und des Wirtschaftswachstums andererseits abhängig macht. Das Wirtschaftswachstum kam hier bislang nicht vor. Darüber hinaus zeigt sie durchaus auf, dass die vorher avisierte Verbesserung der Wachstumsraten nicht eingetroffen sind. Denn sie erwähnt explizit, dass das erwartete moderate Wirtschaftswachstum neben dem Beschäftigungswachstum (solange es noch da ist, Anmerkung meinerseits) und steigenden Einkommen (Fingerzeig auf Inflationsgefahr, das ist an dieser Stelle bemerkenswert) vom robusten Zustand der Weltwirtschaft gefördert wird. Was soviel heißt wie: Wenn der Rest der Welt nicht wäre, säßen wir hier in der Tinte! Eine außerordentlich überraschende Formulierung, die deutlich Bedenken und Skepsis gegenüber der aktuellen Situation zeigt. Ich bin wirklich überrascht. Und dennoch bleiben die Aussagen zur Inflation rigide. Es sei soweit alles auf dem richtigen Weg, man müsse aber erst abwarten, ob das auch so bleibt! Also: Sehr bald anstehende Zinssenkungen sind nach diesem Statement nicht zu erwarten. Und genau diesen Hinweis wollten die Akteure mehrheitlich haben. Und die Art, wie dieses Statement diesmal formuliert wurde zeigt mir, dass die Mitglieder des Federal Open Market Committee besorgt sind. Fazit: Das war nicht das Statement, das die Bullen gerne gehabt hätten. ... und was die Akteure daraus machten.Und doch, und doch: Nach einem kurzen Abtauchen des Dow Jones um 170 Punkte ging es zunächst um 220 Punkte rauf, dann wieder 80 Punkte runter und von dort aus noch mal um 120 Punkte nach oben ... um dann zuletzt noch mal 150 Punkte nach unten zu laufen und am Ende bei +35 Punkten zu schließen. Das alles von 20:15 Uhr bis 22:00 Uhr. Fast wäre damit meine Prognose einer 300 Punkte-Spanne zwischen Tageshoch und Tagestief im Dow Jones aufgegangen. So waren es „nur“ 261 Punkte. Na ja. Das Entscheidende für die zeitweilige Rallye war eine verblüffende „Erkenntnis“, die man in die Märkte streute, als die Kurse weiter abzurutschen drohten. Ich muss zugeben, ich konnte nicht mal mehr lachen, sondern nur hysterisch quietschen: Wenngleich die Notenbanker von wenigen Tagen noch unterstrichen hatten, die Fed sei nicht dazu da, den Kredit- und erst recht nicht den Aktienmärkten zu Hilfe zu kommen, hieß es gestern, genau das hätte man aus diesem Fed-Statement doch klar herauslesen können. Dazu zerrte man die ehemalige Fed-Gouverneurin Susan Phillips vor die Kamera, die der Welt erklärte, dass erstens sowieso alles bestens sei und wenn das mal anders würde, würde die Fed schon eingreifen ... um es kurz zusammenzufassen. Die großen Adressen wissen es besser!Grausam. Einfach nur schlimm. Natürlich hüpften die Akteure auf diesen Zug. Natürlich bedeutete das eine 200 Punkte-Rallye. Denn nervöse Anleger greifen nach jedem Strohhalm, den man ihm hinstreckt ... so faulig er auch sein mag. Aber: Im Hinterkopf sollte man unbedingt behalten, dass die „On-Close“-Orders diesmal ein Übergewicht auf der Verkaufsseite hatten. Diese bis 21:40 Uhr einlaufenden Orders, zu erledigen bis zum Handelsende, kommen von den großen Adressen am Aktienmarkt, also nicht den Futures-Zockern, sondern vornehmlich von den Fonds. Da sitzen andere Kaliber ... und die hielten diese „alles wird gut“-Rallye für geeignet, um Positionen zu verkaufen. Das ist ein wichtiger Fingerzeig dahingehend, was diese Rallye der letzten Tage – zumindest bis jetzt – wert ist ... nämlich bis jetzt kaum mehr als nichts. 
Charttechnisch würde sich das ändern, wenn der Dow über 13.650 schließen würde (siehe Chart). Das könnte bei diesen irrwitzigen Schwankungen sogar binnen ein, zwei Tagen neue Rekordhochs erzeugen. Aber trauen würde ich solchen Rallyes mit Blick auf das, was sich in den Rahmenbedingungen zugleich abspielt, für keine fünf Pfennig. Ich weiß nicht, wie viel Geld die Hedge Funds & Konsorten an den Futures-Märkten alleine gestern in diesen Wild Swings gegen die Wand gefahren haben ... Geld anderer Leute, versteht sich. Aber ich bin mir ziemlich sicher, dass am Ende dieses Quartals einige Hedge Funds ihren Anlegern die freudige Mitteilung machen können, dass sie diesmal keine 20% Gewinnbeteiligung verlangen werden ... mangels Gewinnen. Ich wünsche Ihnen einen angenehmen Tag – bis morgen! Ronald Gehrt The Daily Observer |