Sehr geehrte Damen und Herren,
Seit über 30 Jahren Spiegel-Leser und seit knapp 25 Jahren Spiegel-Abonnent kündige ich hiermit mein Abonnement.
Grund ist der heutige Artikel über Markus Braun und Wirecard.
Dieser Artikel ist so tendenziös geschrieben, dass man durchaus von gehässig sprechen kann. Fakten spielen eine untergeordnete Rolle. Hier verstecken sich zwei Journalisten hinter Fragezeichen, Konjunktiven, Andeutungen, garniert ist der Artikel mit Unterstellungen und einseitigen O-ton Gebern unterfüttert mit erstaunlichem Nichtwissen, Nichtwissenwollen, bis hin zur falschen Rechtschreibung des Beschriebenen.
Es fängt schon bei der physiognomisch-psychologischen Beschreibung von Braun an. Ein Mann mit stahlblauen Augen aus denen sich die küchenpsychologisch schwer geschulten Spiegel-Redakteure keine Träne der Rührung bei Opern vorstellen mögen. Im Gegensatz dazu werden dann später im Text die lebhaften Augen seines Gegenspielers McCrum erwähnt.
In einem Text der 30-iger Jahre hätte man vielleicht die Nase erwähnt, die ja doch eine gewisse mit Verschlagenheit einhergehende Geschäftstüchtigkeit signalisieren würde. (Die tränenlosen stahlblauen Augen hätte natürlich der arische Konkurrent sein Eigen nennen dürfen)
Und dass Braun beim Small-Talk mit den Redakteuren nicht herzallerliebst über seine kleine Tochter spricht, wie man das ja so macht, das ist den Herren Bartz und Hesse einen Absatz wert, der an subtiler Gemeinheit schwer übertroffen werden kann. Braun spricht von Naturwissenschaft und dass ihn die Geburt seiner Tochter berührt habe. Der nächste Absatz beginnt: „So geht es weiter zwischen Fachchinesisch und Esoterik. Braun erzählt aus Heidegger Biographien, im nächsten Moment von Hannah Arendt“.
Hier stimmt gar nichts: Wie schaffen es solche Sätze veröffentlicht zu werden? Ja Hannah Arendt war die Geliebte von Heidegger, da ist nichts mit „im nächsten Moment“, erstaunlich wäre hier vielleicht das Wort „Reizdarm“ aber bestimmt nicht Arendt. (Gut, dass Augstein, der Heidegger kurz vor seinem Tod besuchte, solche Sätze der Unbildung nicht mehr lesen kann). Aber viel schlimmer als die offenkundige Ignoranz der Schreiber ist ihr Versuch hier Dinge zu verknüpfen, die gar nichts miteinander zu tun haben, sondern ausschließlich dem Zweck dienen Braun (der in einer Überschrift auch noch „Brown“ geschrieben wird) ins Zwielicht zu rücken. Nur weil sich die Schreiber, weder mit Philosophiegeschichte noch mit Systemtheorie – Braun wird es als überheblich angelastet von Nichtlinearität statt von Vorhersagbarkeit zu sprechen (es ist definitiv etwas anderes) – und nicht verstehen können, von was Braun spricht und wie er tickt, gereicht ihnen jeder Satz und jedes Lippenzucken zum Raunen und Madigmachen.
Weiter im Text: die Schreiber befragen ihn zu Rapid Wien und Austria Wien. Er sagt er kenne die Vereine, kann aber dazu nichts sagen, da er sich offensichtlich nicht für Fußball interessiert. Er sagt das „mit einem müden Lächeln“. Fußball ist ein Mannschaftssport und deswegen ist Braun kein Teamplayer, so die schnelle Schlussfolgerung der Spiegel-Redakteure. Sie hätten auch noch schreiben können, dass Braun lieber Geige spielt, dann hätten sie auch noch erwähnen können, dass er dies nicht in einem Orchester tut. Ja und die Konzernzentrale in Aschheim ist gesichtslos, was man halt so schreibt, wenn man nicht in der Lage ist, sich konkret auszudrücken und im Eingangsbereich laufen keine Filme über die Firma sondern „Werbefilmchen“. Der Diminutiv als herablassendes Stilmerkmal.
Die wirtschaftlichen und finanziellen Argumente des Artikels bewegen sich auf ähnlichem Niveau. Die Boon-App sei nirgendwo unter den 500 meistgenutzten, so ein befragter Analyst. Nicht einmal diese simple Tatsache können die Spiegelschreiber selbst recherchieren. Natürlich auch nicht, dass Boon für Wirecard bis jetzt keine besondere Rolle spielt. Der befragte Analyst äußert sich auch zum kürzlich abgehaltenen Investorentag in New York: „vier Stunden heisse Luft“. Die Redakteure hätten die Möglichkeit gehabt, sich diese vier Stunden im Internet anzuschauen, da war wesentlich mehr geboten, als nur heiße Luft. Das Kurziel dieses Analysten: Null. Fast alle Analysten haben Kursziele für Wirecard oberhalb von 160 Euro, was natürlich nicht erwähnt wird. Kein Wort auch zu den kürzlich abgeschlossenen Kooperationen mit Aldi, mit Playmobil, mit Telegram, mit der zweitgrößten Bank von Indonesien, mit Salesforce, mit AT&T, mit Alipay, Car2go und und und..
Es wäre noch Etliches zu diesem Stück - ja ich kann es nicht anderes benennen – Schweinejournalismus, zu sagen, zum Beispiel über die Dubai-Geschichte, die ähnlich perfide kompiliert ist, wie die Absätze über die Persönlichkeit von Braun, aber dazu fehlt mir die Zeit und Muße.
Abschließend noch ein Vergleich zu Relotius. Ich denke, der Artikel über Braun ist wesentlich schlimmer, als die erfundenen Geschichten von Relotius. Die waren gut geschrieben, hätten auch wahr sein können und haben unterhalten. Sie haben niemand wirklich geschädigt und der Spiegel hat auch noch versucht gehörig Kapital aus der Sache zu schlagen. Der Artikel von Bartz und Hesse hingegen ist Rufmord und zudem außerordentlich feige geschrieben. Es wird mit Fragezeichen, Konjunktiven, einseitigen Interview-Partnern und böswilligen Andeutungen gearbeitet.
Sollten sich die in jeder Zeile durchscheinenden Vorwürfe nicht bestätigen, was gedenkt der Spiegel dann zu schreiben?
Das von meinem Abo gesparte Geld stecke ich in ?? genau!
Hochachtungsvoll |