Kurssturz der Telekom löst Diskussionen aus – Fehler bei allen Beteiligten
Haltefristen für Großaktionäre erfüllen unverändert ihren Zweck
ROBERT LANDGRAF
Lock-up – den Begriff werden sich die Aktionäre der Deutschen Telekom merken. Sinn der Haltefristen ist es, Anteilsscheinen von Unternehmen Stabilität zu verleihen und Verkaufswellen zu verhindern. Bei der T-Aktie nutzte es nichts: Der Kurs schmierte ab, trotz vorhandener Abgaberestriktionen. Und es ist weiter Vorsicht geboten.
Der Grund für die Turbulenzen bei der Telekom ist die Übernahme des US-Mobilfunkunternehmens Voicestream durch die Bonner. Der Konzern hatte einen Teil der Akquisition in bar bezahlt, den großen Rest beglich er durch einen Aktientausch. Die Alteigentümer von Voicestream erhielten massig T-Aktien für ihre Voicestream- Titel. Da zu erwarten war, dass viele von ihnen ihre neuen Anteilsscheine verkaufen würden, ging die Deutsche Telekom auf Präsentationstour. Sie versuchte, die Anleger von der Werthaltigkeit der T-Aktie zu überzeugen. Fehlgeschlagen. Zudem vereinbarte die Telekom mit den Voicestream-Großaktionären gestaffelte Halteperioden. Das heißt: Es durften nur T-Aktien in einem vorher festgelegten Umfang nach bestimmten Terminen veräußert werden. Insgesamt sah sich der Finanzvorstand der Telekom, Karl-Gerhard Eick, auf den Rückfluss gut vorbereitet. Fehlgeleitet. Das steht bereits heute fest. Denn nach den schon erfolgten Verkäufen von Sonera und Hutchison Whampoa hat Sonera bereits die Abgabe einer weiteren T-Tranche angekündigt.
Angesichts der jüngsten schlechten Erfahrungen stellt sich die Frage nach dem Zweck der Lock-ups. Grundsätzlich gilt: Sie machen auch heute noch Sinn! Allerdings kommt es auf die Ausgestaltung an. Am Neuen Markt gibt es beispielsweise so genannte harte Lock-ups. Nach einem Börsengang besteht für die Altaktionäre und das Management ein Verkaufsverbot für ihre Aktien innerhalb einer Frist von sechs Monaten. Es wird durchgesetzt, um schnelles Kassemachen auf Kosten der Kleinaktionäre zu verhindern. Die Aktien liegen auf separaten Konten und erhalten eigene Wertpapierkenn-Nummern. Ein frühzeitiges Abstoßen ist somit ausgeschlossen, ein Börsenhandel nicht möglich.
Etwas anders sieht es bei Vereinbarungen mit so genannten weichen Haltefristen aus. Hier gibt es keine regulatorische Überwachung. In der Regel muss der Konsortialführer einer Emission, der die Verantwortung für die Platzierung der Aktien übernommen hatte, die Genehmigung für einen frühzeitigen Verkauf geben. Er wird das meist erlauben, wenn der Aktienkurs sich gut entwickelt hat. Ein Beispiel ist die französische Alcatel, die sich im Juni von ihrer Verpflichtung entbinden ließ, um weitere Aktien von Alstom am Markt anzubieten. Angesichts der schlechten Entwicklung des Kurses vieler Emissionen in jüngster Zeit tritt der Fall zurzeit nur selten auf.
Ein Problem gibt es derzeit jedoch bei den vielen Fusionen und Übernahmen, die in der Boomzeit des vergangenen Jahres eingefädelt und abgeschlossen wurden. Die Transaktionen wurden häufig mit harten Verkaufsbeschränkungen belegt, so auch im Fall Voicestream. Die Großaktionäre von Voicestream durften bis zum 31. Mai 17,5 Prozent der eingetauschten T-Aktien abgeben. Danach war nichts mehr möglich, weder über Termingeschäfte noch über Leerverkäufe von Aktien. Es konnten also keine gesperrten Anteilsscheine der Telekom abgestoßen werden. Allerdings hatte Hutchison offensichtlich die erlaubten 17,5 Prozent ihrer Aktien an eine Tochter auf den Bermudas verkauft und damit von dem ihr eingeräumten Recht Gebrauch gemacht. Nicht mehr, nicht weniger. Diese Aktien sind jetzt über die Deutsche Bank an den Markt gekommen und haben schließlich den Kursrutsch ausgelöst. Grundsätzlich war die Idee gut, die Aktien möglichst vor Ablauf der nächsten Sperrfrist im September an den Markt zu bringen. Damit sollte die Transaktion von den bevorstehenden Verkäufen zeitlich entkoppelt werden. Mit ihrer Geheimniskrämerei verunsicherte Hutchison indes den Markt und erwies sich selbst einen Bärendienst. Denn der Investor, der bisher öffentlich keine Farbe bekannt hat, besitzt noch viele T-Aktien, die er ebenfalls losschlagen möchte.
Auch die Deutsche Bank hat keine glückliche Figur gemacht. Zum einen ist die Bank/Kundenbeziehung (Gleiches gilt für Dresdner Bank und Goldman Sachs) mit der Deutschen Telekom so eng, wie bei kaum einem anderen Großunternehmen in Deutschland. Da wäre zumindest eine enge Abstimmung mit der Telekom angebracht gewesen. Alternativ hätte die Bank auf das Mandat verzichten können, zumal die vorherige Kaufempfehlung für die T-Aktie dies nahe legte. Zudem musste die massive Absicherung des Bezugsrechts auf weitere T-Aktien von Hutchison am Terminmarkt für Ärger sorgen. Das war ein gefundenes Fressen für Spekulanten. Ein kleineres Rad wäre besser gewesen – für alle.
Am Neuen Markt gibt es harte Regelungen für Manager.
HANDELSBLATT, Mittwoch, 22. August 2001 |