So teuer war Energie noch nie: Ob an der Tankstelle oder bei den Heizkosten - jeder zahlt drauf. Was kann der Einzelne tun? Wie weit steigt der Preis noch? Der stern beantwortet die wichtigsten Fragen für Verbraucher.
Warum ist das Öl so teuer? Vergangene Woche kostete erstmals in der Geschichte ein Barrel (159 Liter) Rohöl der hochwertigen Sorte WTI mehr als 67 Dollar - rund doppelt so viel wie Anfang 2004. Dabei pumpen die wichtigen Förderländer so viel Öl aus der Erdkruste, wie die Anlagen hergeben. Schuld am hohen Preis sind der unersättliche Energiehunger der alten und neuen Industriestaaten und das Wachstum der Weltwirtschaft. Die legte 2004 um 3,8 Prozent zu. Und gerade die Wirtschaften der beiden weltgrößten Ölverbraucher wuchsen besonders stark: die der USA um 4,4 Prozent, Chinas sogar um 9,5 Prozent. Das fernöstliche Riesenreich verfeuerte 15,4 Prozent mehr Öl als im Jahr zuvor.
Der globale Verbrauch stieg um 3,4 Prozent auf 82,5 Millionen Barrel pro Tag. Investitionen in neue Förderanlagen brauchen jedoch ihre Zeit, die Fördermengen lassen sich also nicht beliebig steigern. Auch die Raffinerien sind überlastet, die aus dem Rohöl Benzin, Diesel und andere Endprodukte herstellen. Die europäischen Verbraucher quält zusätzlich die Schwäche des Euro, der gegenüber dem Dollar seit Jahresbeginn zehn Prozent an Wert verloren hat. Da Rohöl grundsätzlich in Dollar bezahlt wird, sind entsprechend mehr Euro pro Fass fällig. Autofahrer, die derzeit 1,28 Euro für den Liter Super zahlen, wird deshalb auch kaum ein nüchterner Blick in die Statistik trösten: Real, also abzüglich der Inflation, ist das Rohöl immer noch billiger als Anfang der 80er Jahre.
Welchen Einfluss haben die Spekulanten? Die führenden Ölbörsen in New York und London sind so genannte Terminbörsen. Gehandelt werden dort Kontrakte (Preisrechte) auf Öl. Diese räumen den Gesellschaften das Recht ein, Öl zu einem bestimmten Zeitpunkt - auf Termin - zum aktuell ausgehandelten Preis zu beziehen. Solche Wetten geben Unternehmen Planungssicherheit: Sie wissen schon heute, was sie in einem oder mehreren Monaten für das Öl zu zahlen haben, beziehungsweise wie viel sie für die Lieferung erlösen werden. An diesem Ölpreismarkt tummeln sich überwiegend kommerzielle Händler, die für Ölkonzerne und Raffinerien kaufen oder verkaufen.
Daneben gibt es aber auch Spekulanten. Sie haben kein Interesse am Öl selbst, sondern versuchen, am Auf und Ab des Preises zu verdienen. Die Spekulanten bewegen an der New Yorker Terminbörse Nymex derzeit 27 Prozent aller Kontrakte, vor einem Jahr waren es noch 32 Prozent. Es gibt nur Schätzungen darüber, welchen Anteil die Spekulanten an den Rekordpreisen haben. Die US-Investmentbank Goldman Sachs geht von vier Dollar je Barrel Öl aus, andere Ökonomen rechnen mit bis zu 20 Dollar.
Wie wird sich der Ölpreis weiter entwickeln? Anfang 1999 kostete das Barrel WTI noch unter zwölf Dollar, zur Zeit weit mehr als das Fünffache. Das zeigt, wie irrational die Preisbildung zuweilen ist. Entsprechend schwierig sind Prognosen, zumal politische Unsicherheiten und die Spekulation Vorhersagen erschweren. Einige Analysten halten einen Preisanstieg auf 70 Dollar und mehr in naher Zukunft für wahrscheinlich. Mittelfristig dürften neue Förderkapazitäten für etwas Entspannung sorgen.
Eines aber ist sicher: Der weltweite Energieverbrauch wird steigen - nach Prognosen der Internationalen Energie-Agentur in Paris bis 2030 um 60 Prozent. Und der Anteil fossiler Energien (bereits heute 80 Prozent) dürfte weiter wachsen. Doch deren Vorkommen sind begrenzt. Nach Berechnungen pessimistischer Experten ist bald die Hälfte des konventionell förderbaren Erdöls verbraucht. Demnach wäre der globale Tank halb leer - Nachtanken unmöglich. Volkswirtschaften und Verbraucher sind deshalb klug beraten, sich auf langfristig hohe Preise einzustellen.
Wie gefährlich ist der hohe Ölpreis für die Konjunktur? Ziemlich. Ein dauerhafter Anstieg des Ölpreises um zehn Dollar verringert das deutsche Wirtschaftswachstum um rund einen viertel Prozentpunkt. Das ist viel für ein Land, das in diesem Jahr nach den Prognosen der Konjunkturforscher nur mit knapp einem und im nächsten Jahr gerade mit 1,5 Prozent Wachstum rechnen kann. Bei den aktuellen Vorhersagen kalkulieren die Wirtschaftsforscher noch mit einem Preis von knapp 50 Dollar.
In früheren Zeiten haben hohe Ölpreise zu einer geringeren Nachfrage und damit auch zu niedrigeren Preisen geführt. Bei der derzeit robusten Weltkonjunktur hat dieser Mechanismus jedoch bislang nicht funktioniert: Wirtschaftskraft und Ölpreis stiegen gemeinsam. Die Experten von Goldman Sachs vermuten, dass die Nachfrage nach Öl erst bei einem Barrelpreis von 105 Dollar sinken wird.
Die Folgen des teuren Öls sind dennoch unübersehbar - gerade in einem Land wie Deutschland, dessen Wachstumsschwäche vor allem durch eine lahme Binnennachfrage begründet ist: Je mehr die Bürger für Sprit und Heizöl ausgeben müssen, desto schwächer wird der ohnehin schlappe Konsum. Und je höher die Energie- und Rohstoffkosten der Unternehmen sind, desto weniger investieren die in neue Produkte und Maschinen.
Bleibt Diesel auf Dauer billiger als Normalbenzin? Anfang August kostete ein Liter Normalbenzin im bundesdeutschen Durchschnitt ohne Steuern 42,7 Cent, ein Liter Diesel 48,3 Cent - war also sogar teurer als Benzin. Mit Steuern hingegen zahlte man für den Liter Diesel 1,11 Euro, das Benzin kostete sogar 1,26 Euro. Der Preis ist also vor allem eine politische Frage. Würde man diesen Steuervorteil streichen, würden mehr Leute auf Benzinautos umsteigen. Dann würde der Benzinverbrauch insgesamt steigen, denn Dieselmotoren sind sparsamer. Das ist umweltpolitisch nicht wünschenswert. Dieselfahrzeuge sind durch die Feinstaubdiskussion ins Gerede gekommen; stattet man sie jedoch mit guten Rußpartikelfiltern aus, bleiben sie auf längere Sicht politisch förderungswürdig.
Jetzt Heizöl kaufen? Mit den steigenden Rohöl-Notierungen ist auch der Preis für Heizöl binnen sechs Wochen von 53,5 Cent je Liter auf durchschnittlich 56,2 Cent in die Höhe geschnellt. Ein Rekordwert - vor einem Jahr mussten Verbraucher noch 39,8 Cent für den Liter zahlen. Besitzer von Eigenheimen können wie die Finanz-profis das Risiko absichern, zum Winter neue Rekordpreise zu zahlen. Sie kaufen jetzt die Hälfte der benötigten Menge, im Herbst dann den Rest. Das Risiko wird so halbiert. Fällt der Heizölpreis in den nächsten Monaten, hätte man zwar jetzt zu viel gezahlt, aber eben nur für die Hälfte der Heizölmenge. Tipp: Bestellen Sie den Tankwagen gemeinsam mit Ihren Nachbarn, das reduziert die Kosten für die Anlieferung.
Was können Verbraucher tun, um sich vom Ölpreis unabhängiger zu machen? Die einfachste Lösung heißt: weniger mit dem Auto fahren und sparsame Fahrzeuge kaufen. Hausbesitzer können einiges mehr machen: direkt Sonne tanken mit einer thermischen Solaranlage zur Wassererwärmung oder eine Photovoltaik-anlage aufs Dach montieren und eigenen Strom erzeugen. Im Vergleich zu alten Ölkesseln aus den siebziger Jahren lassen sich bis zu 50 Prozent der Brennstoffkosten durch eine Solar-Kombianlage mit einem Gas- oder Öl-Brennwertkessel einsparen. Bei Ölkesseln, die vor 1990 eingebaut wurden, beträgt die Heizkostenersparnis immer noch 20 Prozent.
Mieter haben in der Regel keinen Einfluss auf die Art der Heizung, aber vom nächsten Jahr an soll der Einblick in die Energiekosten verbessert werden: Jedes Gebäude bekommt dann einen Energiepass, der Aufschluss über die Art der Heizung, deren Kosten und über die Isolierung des Hauses gibt. Wird die EU-Richtlinie wie geplant umgesetzt, hat der Mieter dann bereits bei Vertragsabschluss eine genaue Übersicht über die anfallenden Energiekosten und nicht erst, wenn er nach einem Jahr eine Abrechnung erhält.
Lässt sich an der Börse vom hohen Ölpreis profitieren? Trotz bereits deutlich gestiegener Kurse empfehlen Analysten Aktien westlicher Ölkonzerne weiter zum Kauf. Zu den Favoriten zählen die Titel von Total (Frankreich) und Repsol (Spanien). Beide Werte profitierten nicht nur vom steigenden Ölpreis, sondern auch vom zuletzt gesunkenen Euro, heißt es an der Börse. Denn ihr Rohöl-Einkaufspreis in Dollar sinkt, sobald er in Euro umgerechnet wird. Weiterer Vorteil für deutsche Anleger: Anders als bei US-Werten wie Chevron oder Exxon-Mobil besteht bei Aktien aus der Eurozone kein Währungsrisiko.
Völlig risikolos sind Ölaktien aber auch nicht. Denn knickt die Konjunktur ein, geht auch die Ölnachfrage zurück - die Geschäfte würden schlechter. Noch aussichtsreicher als Aktien der Ölkonzerne könnten Beteiligungen an Raffinerie-Bauern und manchen Förderservice-Firmen sein - private Kleinanleger sollten die Suche nach solchen Spezialwerten jedoch besser Profis überlassen.
Arne Daniels, Frank Donovitz, Joachim Reuter, Stefan Schmitz, Elke Schulze, Lorenz Wolf-Doettinchem |