FAZ.NET-Fernsehkritik Stefan Raab verliert sein Millionenspiel Von Peer Schader
| Geschlagen, endlich: Stefan Raab | 28. Januar 2007 Zum Schluss hat er ausgerechnet bei dem Spiel gepatzt, das er zuvor schon unzählige Male in „TV total“ trainieren konnte. Um 0.50 Uhr stellt Pro-Sieben-Pummel Elton bei „Blamieren oder kassieren“ die Frage: „Welche Taste muss man auf einem Handy drücken, wenn man in einer SMS den Buchstaben 'G' schreiben will?“ Raab haut auf seinen Buzzer, sagt „3“ - aber das ist falsch. Sein Herausforderer bekommt die Chance zu antworten und weiß: die „4“ muss gedrückt werden! In dieser Sekunde ist es entschieden: Raab verliert. Und Pro Sieben muss 1,5 Millionen Euro rausrücken, einer der höchsten Gewinne, die es im deutschen Fernsehen bisher abzuräumen gab.
„Ich suche Gegner, keine Opfer“, posaunte der „TV total“-Star zuvor in der Kampagne für die dritte Ausgabe seiner Mammutshow „Schlag den Raab“ heraus. Diesmal hat er einen würdigen Gegner gefunden: Der 31-jährige Entwicklungsingenieur Matthias Göbel aus Augsburg setzte sich im viereinhalbstündigen Live-Wettkampf gegen Raab durch. Und man kann ruhigen Gewissens behaupten, dass es auf Pro Sieben noch nie so spannend gewesen ist wie in dieser Nacht von Samstag auf Sonntag. Ein nettes kleines Auto für die Freundin | Von ihm, Matthias Göbel |
Erst zwanzig Minuten vor der Entscheidung ging Raab beim Spiel „Wo liegt was?“ noch einmal in Führung: Die Kontrahenten mussten auf einer Europakarte markieren, an welchem Ort Roman Polanski geboren wurde. Raab tippte richtig auf Paris und überrundete seinen Gegner, der kurz darauf wiederum ein simples Puzzle schneller als Raab zusammensetze, wonach die Fragerunde mit Gastmoderator Elton zwangsläufig den Ausschlag geben musste. Erstmals wurden in der Show alle fünfzehn vorbereiteten Aufgaben durchgespielt, acht davon hat der groß gewachsene Sportler, der schon in der Schule lauter Einsen abräumte, wie er im Einspieler verriet, für sich entschieden. Vorher meinte er, seine Freundin bekäme „ein nettes, kleines Auto“ geschenkt, wenn er gewinnen würde. Vielleicht wird das Auto jetzt etwas größer. Ein paar Minuten Ruhe durch die Fernbedienung | Der 1,5-Millionen-Euro-Moment |
Es hätte auch nicht anders kommen dürfen: Matthias, der zu Beginn der Show von den Zuschauern mit großer Mehrheit als Raabs Gegner ausgewählt worden war, trat gegen den selbst ernannten Alleskönner auf Augenhöhe an - anders als seine Vorgänger in den beiden Shows im vergangenen Jahr. Die hatten Raab schon früh in Führung gehen lassen und konnten sich nur in Ausnahmen durchsetzen, meist war der Wettkampf deshalb schon früh entschieden. Als Zuschauer saß man ein bisschen ratlos vor dem Bildschirm und rätselte, weshalb man sich den ganzen Samstagabend für ein Spiel freihalten sollte, das scheinbar unmöglich zu gewinnen war. Jetzt, nachdem es doch geklappt hat, weiß man weshalb: Weil es nur äußerst selten vorkommt, dass man nach einer deutschen Samstagabendshow zitternd zur Fernbedienung greift, um den Fernseher auszuschalten und sich ein paar Minuten Ruhe zu gönnen. Glücksfall für Pro Sieben Für Pro Sieben ist der Ausgang der dritten „Schlag den Raab“-Show trotz des Preisgelds, das ausgezahlt werden muss, ein Glücksfall - weil sich damit bestätigt, dass das Konzept, Samstagabendunterhaltung für junge Zuschauer zu machen, tatsächlich aufgehen kann. Die TV-Macher aus dem Ausland werden neugierig hinüberlinsen: Einer der wenigen großen Stars, die sich das Fernsehen hierzulande aufgebaut hat, ist sich nicht zu fein, den eigenen Ehrgeiz zur Schau zu stellen und zu behaupten, er könne es mit jedem aufnehmen. Natürlich schaltet man da ein, um ihn scheitern zu sehen. Und wenn das dann passiert, ist die Sensation perfekt. Man kann Raab nicht vorwerfen, er hätte nicht gekämpft oder den Gegner gar absichtlich gewinnen lassen - dafür ist sein Wille, es allen zu zeigen, einfach zu groß. Aber er ist auch kein schlechter Verlierer, allen Rotzigkeiten zum Trotz, die man sich in den Stunden zuvor anhören hat müssen. Schöne Anleihe bei „Wetten, dass...?“ Die ersten beiden Spiele des Abends entschied Raab noch für sich: Beim Kickern und auch beim Eislaufen war der spätere Millionengewinner dem Multitalent nicht gewachsen. Doch die dritte Herausforderung entschied der Augsburger bereits zu seinen Gunsten. Fortan wechselten sich die beiden Kontrahenten ab. Raab gewann beim Toreschießen in Eishockeymontur, dafür ließ Matthias ihm keine Chance beim Kopfrechnen: Als der Pro-Sieben-Moderator noch grübelte, wie viel 175 geteilt durch sieben wohl ist, hatte der 32-Jährige bereits geantwortet. Pro Sieben bewies bei der Auswahl der Spiele diesmal ein glückliches Händchen, strapazierte die Zuschauer nicht mit Endlosaufgaben, bei denen nur schwer zu punkten war, sondern setzte Zeitlimits, wo in den vorigen Shows endlos herumprobiert werden durfte. Statt drögem Papierfliegerbasteln mussten Raab und sein Herausforderer diesmal Bierkästen stapeln und bis in fünf Meter Höhe darauf klettern - eine schöne Anleihe bei „Wetten, dass...?“, als dessen Pro-Sieben-Pendant Senderchef Andreas Bartl die Raab-Show gerne bezeichnet. Schwächen des Konzepts bleiben Endlich ist auch mal jemand auf die Idee gekommen, das Publikum einzubinden: Für eines der Spiele mussten die Gegner Gäste aus dem Studiopublikum heraussuchen und zusammen wiegen, um möglichst nahe an eine vorgegebene Kilozahl heranzukommen. In der zweiten Show wurde noch Käse gewogen - aber der konnte nicht so ein hübsch verdattertes Gesicht machen, wie die nun auf die Bühne gezerrten Zuschauer. Schon bei dieser Aufgabe zeigte sich, wie eng die Kontrahenten um den Sieg kämpften: Bevor sie selbst mit auf die Waage steigen mussten, hatten beide mit ganz unterschiedlichen Zuschauern zufällig exakt dieselbe Kilozahl zusammen gesucht. Das alles kann nicht über die Schwächen des Showkonzepts hinwegtäuschen, die freilich in den Hintergrund geraten, wenn sich wirklich ein spannender Zweikampf aufbaut. Ist das nicht der Fall, können vier Stunden mit einem Dauersieger Raab allerdings ziemlich lang und öde werden. Pro Sieben meint es richtig ernst Pro Sieben scheint es dennoch richtig ernst zu meinen mit „Schlag den Raab“: Der Aufwand für die Show ist enorm. In einem Nachbarstudio hatte der Sender für verschiedene Aufgaben eine Eisbahn aufgebaut, vor dem Studio eine Biathlonpiste samt Schießstand. Im Gegensatz zur Auftaktsendung blieben technische Pannen aus und Moderator Matthias Opdenhövel hat sich inzwischen spürbar an seine Aufgabe gewöhnt, durch die Marathonshow zu führen und Gas zu geben, wenn die Zeit verrinnt. Trotzdem hat Raab ganze 80 Minuten die Sendezeit überzogen - das schafft selbst Thomas Gottschalk nur schwer. „Heute mache ich mal kurzen Prozess - ich will den Spätfilm noch sehen“, hatte der „TV total“-Macher um zwanzig nach acht noch gescherzt. Vier Stunden später blendete Pro Sieben den Hinweis ein, dass der in den Programmzeitschriften angekündigte Spielfilm wegen der „Schlag den Raab“-Verlängerung entfallen werde. Am 18. März ist die nächste Show, in der dann um 500.000 Euro gespielt werden, weil der Jackpot ja erst einmal geknackt wurde. Es wird schwer, das Spiel vom Samstag dann zu toppen. Text: FAZ.NET Bildmaterial: dpa, obs |