Der Boom der Kaffeehaus-Ketten ist vorbei Ganze Branche steckt in der Krise. Filialsterben bei fast allen Anbietern. World Coffee nur knapp vor der Pleite gerettet
Von Olaf Deininger
Hamburg/Berlin - Durchatmen bei der World Coffee Convenience Stores GmbH: "Wir haben eine Gruppe von Privatinvestoren um einen Frankfurter Investmentbanker gefunden, die das Unternehmen zum 1. November übernimmt", sagt Insolvenzverwalter Jens-Sören Schröder. Seit über vier Wochen sucht der Rechtsanwalt nach einem Käufer für die Kaffeehaus-Kette. Nun ist er fündig geworden.
Fünfzehn Filialen betreibt die Hamburger World Coffee Convenience Stores in Deutschland und rangiert nach Segafredo Espressobar mit 78 Filialen und Lavazza mit 31 auf dem dritten Platz. Gründer Roman Koidl war der erste Deutsche, der den heran rollenden Boom für Kaffee mit jungem Image erkannte und bereits 1997 in der Frankfurter Börsenstraße seinen ersten Store eröffnete. Dafür wurde der ehemalige Unternehmensberater mit Schwerpunkt Radio-Geschäft noch vor zwei Jahren von der Wirtschaftszeitschrift "Manager-Magazin" als einer "der besten Entrepreneure Deutschlands" gefeiert.
In diesem Jahr muss der Jungmanager (34) nun einen Tiefschlag nach dem anderen einstecken: Erst war er Ende August gezwungen, für seine Coffee- Shop-Kette Insolvenz anzumelden, dann ging im September seine Konfiserie- Kette MOST (70 Filialen) pleite. In der Frankfurter Koidl-Holding meldet sich seit Tagen nur ein einsamer Anrufbeantworter. Rückrufe finden nicht statt.
Wie Koidl geht es auch anderen: Bei Konkurrent Einstein Coffee Shop - mit zwölf Filialen im nahen Verfolgerfeld - läuft seit 1. Oktober das vorläufige Insolvenzverfahren. Ein Käufer ist für die Kette mit überwiegend Berliner Läden noch nicht gefunden. Der San Fransisco Coffee Company mit Sitz in München wurden zwei Einstein-Standorte angeboten: Doch Inhaberin Katharina Bernau-Seiguer winkte ab. Branchenkenner unterstellen, dass keine der Ketten im Augenblick über genügend Mittel zur Expansion verfüge.
Nicht erst seit diesen zwei Großereignissen, hat das Kaffee-Segment, das bislang schnelles Wachstum und sichere Gewinne versprach, einen Knacks: Schon seit 1999 plätscherte die geplante Expansion Koidls, der Ende 2002 rund 200 Lokale hier zu Lande betreiben wollte, vergleichsweise beschaulich dahin. "Es geht eher rückwärts", urteilte das Branchenmagazin "Food Service". Auch der Kaffee-Konzern Starbucks stutzte seine eigenen Wachstumspläne für Deutschland mittlerweile kräftig herunter. Sollten es vor eineinhalb Jahren einmal 1500 Filialen in Deutschland werden, spricht man bei Starbucks heute gerade einmal noch von 500 Läden.
Wie viele andere erhoffte wohl auch Koidl & Co, dass der auf Wachstum programmierte Coffee-Shop-Erfinder Starbucks die Läden in teilweise erstklassigen Innenstadtlagen aufkaufen werde - was erklärt, weshalb Koidl auch dann noch Flächen anmietete, als er schon längst kein Geld mehr hatte, deren Einrichtung und Einbau zu bezahlen.
Doch aus dem Verkauf an Starbucks wurde nichts: Der amerikanische Branchenriese aus Seattle verbündete sich mit Karstadt zu einer KarstadtCoffee Company, in der die Amerikaner weniger als 20 Prozent halten, um im Kampf um die besten Kaffee-Lagen in Deutschland einen mächtigen und kenntnisreichen Partner zu haben. Jetzt können beide in Ruhe abwarten, bis sich die hiesigen Unternehmen gesundgeschrumpft haben - und ihre 1A-Lagen von sich aus aufgeben.
Denn die Probleme der neuen Kaffee-Bars sind hausgemacht: Zwar machte Starbucks vor, wie man mit einem jungen Ambiente, einem frischen Look und hochwertigen Produkten Kaffee nicht nur zu einem Trendprodukt macht, sondern auch zu einer Spezialität hoch gemendelt, für die Gäste weit mehr als die ein bis zwei Euro auszugeben bereit sind. In New York wird für den Becher des aromatisierten Brühgetränks bis zu acht Dollar bezahlt.Doch das bedeutet offenbar nicht, dass man mit einem nach oben offenen Pro-Kopf- Umsatz - in der Branche Bon genannt - rechnen dürfe. Denn auch hier schienen den Wachstumsfantasien der Betreiber keine Grenzen gesetzt.
Nun trifft sie die Realität umso härter: Branchenkenner rechnen mit einem durchschnittlichen Bon von drei bis vier Euro. Das entspricht nur etwas mehr als einem Becher Kaffee. Zu wenig, um die teuren Lagen zu finanzieren - und die Erfolgsfaktoren in dem für Deutschland jungen Marktsegment zu ermitteln.
"Eine verfehlte Expansionsstrategie, zu schnelles Wachstum und nicht immer die richtige Standortentscheidung", führt Jens-Sören Schröder folgerichtig als Insolvenzursachen an. Doch vor allem: "Die Markterprobung konnte von der Kapitalausstattung der Firma nicht getragen werden."
Der Umsatz in Kaffeebars baue sich langsam auf, meint der Bamberger Gastronomie-Experte Gerhard Schoolmann. Es brauche bis zu einem Jahr, bis eine sehr gute Auslastung erreicht werde. "Man kann viel Geld verbrennen", sagt Schoolmann, "bis man einen schlechten Standort erkennt." So bekommt nun auch die Gastronomie ihre New Economy, deren Internet-Blase allerdings "Coffee-Shops" heißt.
Wie stark der Glaube an die scheinbaren gastronomischen Selbstgänger noch immer ist, belegt die Tatsache, dass die World Coffee nun im Zuge einer übertragenen Sanierung gekauft wird. Bedeutet: Nicht nur die Werte des Unternehmens, sondern auch die Schulden gehen mit auf den Käufer über. Doch bei der Kapitalbeteiligungsgesellschaft des Landes Brandenburg - mit rund 20 Prozent an der World Coffee beteiligt - hat man erst einmal genug. Sogar die Dame am Empfang meint, das Engagement bei World Coffee sei "die erste und letzte Beteiligung in der Gastronomie gewesen."
Grüße Max |