Pro-Sieben-Übernahme vor dem Aus
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Die geplante Übernahme der Sendergruppe Pro Sieben Sat 1 durch Axel Springer ("Bild", "Welt") steht vor dem Scheitern. Der Berliner Zeitungskonzern akzeptiert die neuen Auflagen der Medienkontrolleure nicht. "Wir lassen uns doch nicht enteignen", hieß es am Montag im Umfeld von Vorstandschef Mathias Döpfner.
DÜSSELDORF. Nun setzt Springer auf ein Veto der Landesmedienanstalten. Sie können mit Dreiviertelmehrheit einen Beschluss der Kommission zur Ermittlung von Konzentration im Medienbereich (KEK) außer Kraft setzen. "Die Landesmedienanstalten werden sich nun Gedanken machen müssen", hieß es bei Springer. Vor allem Bayern hat sich bisher als hartnäckiger Befürworter der Milliardenübernahme hervor getan.
Die KEK verlangt in einem zwölfseitigen Schreiben, das dem Handelsblatt vorliegt, dass der von Springer vorgeschlagene TV-Beirat auch die wirtschaftliche Kontrolle über einen der großen Sender wie Sat 1 haben soll. Der neue TV-Beirat hätte zudem außergewöhnliche Kompetenzen wie "Genehmigung des jährlichen Geschäftsplanes und Budget des Senders", wie es in dem KEK-Brief heißt.
Ein mit wirtschaftlichen Kompetenzen ausgestattetes Gremium wäre Novum seit Einführung des privaten Fernsehens vor 21 Jahren. Denn ein solcher TV-Beirat hätte mehr Macht wie die Rundfunk- und Fernsehräte für ARD und ZDF. "Das wäre ein ungeheurer Systembruch für das Privatfernsehen", hieß es bei Springer. Bisher war der Konzern davon ausgegangen, dass der Fernsehbeirat für Sat 1 lediglich die Programmqualität und die Programmvielfalt sicherstellt. Es sollte insbesondere dafür gesorgt werden, dass es zu keiner marktbeherrschenden Meinungsmacht durch eine verstärkte Zusammenarbeit zwischen dem Sender und "Bild" kommt.
Für Springer wäre ein Scheitern an der Medienkontrolle das Ende der mehr als drei Milliarden teuren Übernahme. Denn das Bundeskartellamt, die größte Hürde für eine Verschmelzung von Pro Sieben Sat 1 mit dem "Bild"-Konzern, hatte sich bereits ablehnend geäußert. Sollte Springer bei der KEK und dem Kartellamt scheitern, wäre nach Meinung von Brancheninsidern, auch der Weg einer ministeriellen Sondererlaubnis verbaut. Denn Bundeswirtschaftsminister Michael Glos (CSU) werde sich nicht gegen zwei Wettbewerbsinstanzen stellen. Dann bliebe Springer nur noch der Rechtsweg.
Der von den Medienkontrolleuren geforderte Fernsehbeirat hat für den wirtschaftlichen Erfolg der Sendergruppe weitgehende Folgen. Vielfalt statt Quote wäre dann die Maxime der Programmverantwortlichen. "An die Stelle der von den Inhabern bestimmten, marktorientierten Gestaltung des Programms tritt die allein durch das Gebot der Binnenpluralität bestimmte Programmausrichtung", heißt es in dem Schreiben der KEK. "Zielgruppenorientierung, wie sie die privaten Fernsehprogramme bestimmt, ist bei einem binnenplural bestimmten Fernsehprogramm ausgeschlossen." Für Springer steht jedoch die Zielgruppenorientierung im Mittelpunkt. Denn nur mit hohen Quoten werden hohe Werbeeinnahmen erzielt. Programmvielfalt nach dem Vorbild der ARD gilt nicht als gewinnträchtig. Die KEK äußert in ihrem Schreiben detaillierte Vorstellungen, wie ein Fernsehbeirat in der Praxis aussehen soll. Mindestens 30 Mitglieder aus allen Schichten der Bevölkerung dürften dann über Programm und Budgets mitbestimmen.
Springer wollte sich am Montag zu der zunehmend auswegslosen Situation beim Kampf um die Übernahme der Pro Sieben Sat 1 nicht äußern. "Wir bestätigen den Eingang des Schreibens. Zum Inhalt nehmen wir keine Stellung", sagte eine Verlagssprecherin. Die KEK und die Landesmedienanstalten waren über Weihnachten für Stellungnahmen nicht erreichbar. "Das KEK-Papier ist als Provokation zu verstehen", heißt es in Springer-Kreisen. In der Konzernzentrale wird vermutet, dass sich im Gegensatz zu zwei früheren Treffen nun die Hardliner durchgesetzt haben.
"Dr. Döpfner hat keine 30 Sekunden nachgedacht, um zu wissen, dass ein solcher Vorschlag völlig inakzeptabel ist", hieß es im Umfeld des Vorstandschefs. Bis 5. Januar hat Springer nun Zeit, sich schriftlich zum neuen Vorschlag der KEK zu äußern. Über Wochen hatte es so ausgesehen, als würde die KEK mit der Auflage eines wirtschaftlichen bedeutungslosen TV-Beirats die Übernahme durchwinken. Zwei Treffen mit dem unabhängigen Expertengremium verliefen in "ausgesprochen positiver" Atmosphäre, wie beide Verhandlungsseiten bestätigten. Erst kurz vor Weihnachten, verlängerte aus diesem Grund das Bundeskartellamt die Prüfungsfrist. Die Bonner Wettbewerbsbehörde will sich nun bis 20. Januar 2006 Zeit lassen. Sie befürchtet eine zu starke Stellung Springers auf dem Markt für Fernsehwerbung und dem Zeitungsmarkt.
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