Börsen-Absteiger Biogas sucht Umsatz
Recht alpin sehen die Kurskurven der meisten börsennotierten Biogasaktien für die vergangenen Monate aus. Aussichtsreiche Gipfel mit Höchstständen teilweise weit über den Ausgabekursen sind jedoch nur bis Juli 2007 zu finden. Heute notieren die Werte der Aktiengesellschaften mit Biogas-Schwerpunkt bei einem Drittel bis einem Sechstel der Höchstkurse des vergangenen Jahres. In die Höhe geschossene Rohstoffpreise haben dazu ebenso beigetragen wie die Entwicklungen an den Börsen. Die anstehende Novelle des Erneuerbare-Energien Gesetzes (EEG) könnte neben der Fokussierung der Branche auf Export und Großanlagen in Verbindung mit Stadtwerken und Energieversorgern auch kleine Gülle-Biogasanlagen auf landwirtschaftlichen H öfen voranbringen.
Ende Juli vergangenen Jahres tat sich den Besitzern von Biogasaktien ein Abgrund auf: Schmack Biogas AG, die Firma der Branche mit der längsten Börsenerfahrung in Deutschland, sprach eine Gewinnwarnung aus. Innerhalb weniger Tage sank der Wert der Schmack-Aktie um mehr als die Hälfte. Andere Biogaspapiere (Biogas Nord AG, Envitec Biogas AG, S&R Biogas Energiesysteme AG, Archea Biogas N.V.) folgten mehr oder weniger dramatisch dem Abwärtstrend. Ab den Sommerferien spielte sich das Biogas-Börsengeschehen daher auf deutlich niedrigerem Niveau ab: Je nach Unternehmen und Börsenlaune notierten die Aktien im Herbst 07 mit Abschlägen von vierzig bis fast fünfundsiebzig Prozent gegenüber den Kursspitzen des Frühjahrs und Frühsommers.
Der Kursrutsch schien damit jedoch noch nicht überall zum Stillstand gekommen zu sein – eine teilweise Erholung zum Jahresende glichen Kursverluste bereits im Januar wieder aus. Auch heute weisen die Kurskurven der meisten Biogas-Anteilsscheine weiter deutlich nach unten. In etwa halb so viel wert wie zu Jahresbeginn waren die Aktien von Schmack und Biogas Nord Mitte März, bei den Archea-Papieren ging es im selben Zeitrum um rund zwei Drittel abwärts.
Aktien der Erneuerbaren Energien insgesamt stark schwankend
"Die Aktien der Erneuerbaren Energien sind insgesamt extrem volatil," betont Anatoli Pauls, Makroökonom am nova-Institut. Selbst unbestätigte Unternehmensnachrichten, ob positiv oder negativ, lösen bei Papieren dieser Branchen oft starke Reaktionen aus. Kein Wunder also, dass eine handfeste Gewinnwarnung vor dem Hintergrund ohnehin schwieriger werdender Rahmenbedingungen über das Einzelunternehmen hinaus die Anleger verunsichert hatte. Den Abwärtstrend verstärkt haben sicherlich die immer noch nicht ausgestandenen Auswirkungen der Immobilienkrise in den USA, schätzt Pauls. Diese drücken, ebenfalls seit Ende Juli, die Aktienkurse weltweit nach unten. Verliert der Börsenhandel an Zuversicht, ziehen sich Anleger zunächst aus Bereichen zurück, bei denen ein höheres Maß an Unsicherheit herrscht – schlecht für die Biogasbranche. Auch ein Ende Oktober bei den Aktien Biogas Nord, Envitec, Schmack und S&R Biogassysteme aufgetretenes Zwischenhoch fällt zeitlich mit einem vorübergehenden allgemeinen Kursanstieg auf dem Börsenparkett zusammen: Just in dieser Zeit kursierte die Hoffnung auf ein baldiges Ende der Immobilienkrise – vergeblich, wie inzwischen klar wurde.
Auftragsflaute in der Landwirtschaft
Agrarökonom Dr. Thomas Breuer (nova-Institut) weist auf die momentan wirtschaftlich schwierige Lage der Biogasbranche hin: Vor einem Jahr waren Betreiber und Hersteller noch in Goldgräberstimmung. Angesichts rapide gestiegener Rohstoffkosten und durch das EEG vorgegebene Erlössituation ist es bereits seit Monaten erheblich schwieriger geworden, mit der Biogaserzeugung Geld zu verdienen. Die ganze Biogasbranche ist zur ganzheitlichen Optimierung ihrer Anlagen gezwungen. Planungen neuer Projekte liegen momentan oft auf Eis, da man nicht weiß, wohin sich die Rohstoffkosten entwickeln werden. Nur Biogasanlagen mit einem nachhaltigen Wärmekonzept werden bei steigenden Rohstoffpreisen wettbewerbsfähig bleiben. Zudem hat die Suche nach alternativen, günstigen Rohstoffen begonnen. Eine sorgfältige Konzept-, Standort- und Rohstoffplanung ist notwendiger denn je.
Wer noch investieren will, wartet zudem ab, welche Neuerungen die Überarbeitung des EEG mit sich bringen wird. Die Novelle des Gesetzes, das unter anderem die Einspeisevergütungen regelt, befindet sich aktuell im Gesetzgebungsverfahren.
Zukunftschancen für sehr große und ganz kleine Anlagen
Entscheidend für die Hersteller ist nun, wie das EEG die Weichenstellungen verändern wird. Werden entsprechende Einspeisungsvergütungen politisch festgelegt, so könnten in Zukunft neben Betrieben der Megawattklasse, für die die Einspeisung in Erdgasnetze rentabel ist, auch kleinere güllebetonten Anlagen mit niedrigen Rohstoffkosten und weitgehender Abwärmenutzung interessant sein.
"Der Trend in der Landwirtschaft geht sozusagen zurück zu den Wurzeln der Biogasentwicklung," meint der Ressourcen-Fachmann Breuer. Kleine Anlagen, die in die Hof- und Agrarstruktur integriert sind und die auf betriebseigene Gülle als kostenloses und unkompliziertes Gärsubstrat setzen, könnten sich künftig stärker durchsetzen. Voraussetzung ist, dass die derzeit diskutierte Unterstützung dieser Anlagentypen über einen hohen Güllebonus in der ab 2009 geltenden Neuauflage des EEG tatsächlich durchgesetzt wird. Nachholbedarf sieht Breuer beim Angebot einfacher, kostengünstiger Anlagen dieser Größenklasse: "Wenn die Investitionskosten sinken, hat dieses Konzept Aussicht auf Erfolg."
Biogas wirtschaftlich aufzubereiten und in die Erdgasnetze einzuspeisen macht erst ab gewissen Mindestkapazitäten (ab 1-2 MWel) ökonomisch Sinn. Wie eine Studie im Auftrag des Staatsministeriums für Landwirtschaft und Forsten (StMLF) Bayern gezeigt hat, könnten landwirtschaftliche Biogasanlagen ihr Gas zur Aufbereitung bündeln. In der Praxis ist das allerdings recht schwierig. Zunehmend investieren Stadtwerke oder Energieversorger in Biogasanlagen der Megawattklasse mit direkt angeschossener Gasaufbereitung. Hier ergibt sich die Möglichkeit einer langfristigen, strategischen Zusammenarbeit der Land- und Energiewirtschaft. Bei hohen Rohstoffpreisen bietet sich damit für die Ackerbauern ein gutes Risikomanagement, vor allem auch vor dem Hintergrund stark steigender Düngemittelpreise. Unter den Herstellern profilieren sich vor allem Schmack und Envitec mit Projekten für Großanlagen für die Erzeugung und Einspeisung von Bio-Erdgas.
Export gut für Erfolgsmeldungen
Schmack Biogas fährt seit Dezember ihre erste Biogasanlage in den USA hoch, Biogas Nord hat Tochtergesellschaften in Frankreich, Spanien und England eingerichtet, Envitec Biogas verkündete Ende Februar einen 30 Millionen-Auftrag aus Indien: Der Trend, die fortgeschrittene Technologieentwicklung für den Export zu nutzen, geht trotz des starken Euro quer durch die Branche.
Langfristig sieht Unternehmensberater Helmut Kaiser vor allem in China und den USA ein deutlich größeres Marktpotenzial als in Deutschland. Bis 2020 erwartet er eine Steigerung des weltweiten Marktes um das zwölffache. Je nach Rahmenbedingungen stehen in den Auslandsmärkten Substrat-Abfälle oft stärker im Vordergrund als eigens zur Vergärung angebaute Biomasse – ein Trend, der bei weiter steigenden Rohstoffpreisen auch in Deutschland zunehmen könnte.
Quelle: Autoren: Florian Gerlach, Thomas Breuer und Anatoli Pauls (nova-Institut)
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