Staatsaffäre leicht gemacht
Wo Berlusconi aufhört, fährt ein Staatssekretär fort
• ROMAN ARENS, ROM
Mit einer kleinen Platzpatrone wollte er seinem grossen Chef Schützenhilfe leisten. Das Ergebnis: erheblicher Schaden mit Verzögerung. Als Silvio Berlusconi unter Beschuss geriet, weil niemand ausser ihm selber den Vergleich eines deutschen Europa-Abgeordneten mit einem Nazi-Schergen witzig fand, attackierte sein Staatssekretär Stefano Stefani von der Lega Nord die Deutschen als geistlose Säufer und lärmende Strandbesetzer.
Wäre Stefani, ein 64-jähriger gelernter Goldschmied aus Vicenza, nicht ausgerechnet für Tourismus zuständig, hätte er für seine Polemik im unentwegt lärmenden Lega-Nord-Blatt «La Padania» nicht gerade einen für die deutsch-italienischen Beziehungen etwas delikaten Zeitpunkt erwischt, so wäre Stefani heute noch so unbekannt wie vor einer Woche.
Wäre Bela Anda, Gerhard Schröders Sprecher, nicht auf die «unglaublichen Äusserungen» des Staatssekretärs aufmerksam gemacht worden, hätte er dann nicht den üblichen Italien-Urlaub des Kanzlers in Frage gestellt, so hätten Stefanis Ausfälle gegen die anmassenden «blonden Typen mit Nationalstolz» kaum Wirbel gemacht. Sie wären wie so oft, wenn aus der Lega Nord Rüpeleien kommen, mit dem unverdienten Mantel des Vergessens zugedeckt worden.
In einem Umfeld, in dem Bauplätze mit Schweineblut verunreinigt werden, um sie untauglich für eine Moschee zu machen, in dem getrennte Buseingänge für Europäer und Nicht-EU-Ausländer gefordert werden, in dem Parkbänke und Regionalzüge den angeblich übel riechenden Einwanderern verweigert werden, in einem solchen Umfeld können die pauschalen Attacken auf die Deutschen nicht mehr sehr erregen. In Italien hat man sich schon daran gewöhnt, dass solche Sprüche auf unterstem Niveau aus einer nationalen Regierungspartei kommen. Europa dagegen scheint dies erst jetzt wahr- oder ernst zu nehmen.
Nur einige Fremdenverkehrsverbände in der Toskana, der Emilia Romagna und den Marken, die alle ihr Wohlergehen in hohem Masse den deutschen Touristen verdanken, erahnten frühzeitig die grosse Sprengkraft der kleinen Platzpatrone. Diese wurde von linken Zeitungen in einem unredlichen Ausmass instrumentalisiert.
«LUnità» etwa titelt auf der Frontseite: «Schröder an die Deutschen: Nein zu Ferien in Italien». Darunter ein Foto Schröders auf dem Markusplatz in Venedig: «ein Archivfoto, als sich Schröder noch gern in einem Land aufhielt, das ihn nicht beleidigte».
Das Blatt schreibt, die «sehr schwere Krise» zwischen Deutschland und Italien sei eine «absurde Sache und ohne Motiv». Jetzt wisse man in Berlin und im übrigen Europa: Noch schlimmer als Berlusconi seien einige seiner Minister und Staatssekretäre, die man «in den Kneipen Padaniens», also des Landstrichs am Po, rekrutiert habe. Auch der liberalkonservative «Corriere della Sera» meint, es sei ein «schlechter Sommer für die Beziehungen» zwischen den beiden Ländern. Wie andere Zeitungen rechnet der «Corriere» vor, dass 40 Prozent der ausländischen Touristen aus Deutschland kämen.
Bedrängt von bangenden Tourismusmanagern, hat Stefani, früher Porsche- und Mercedes-, jetzt Audi-Fahrer, abgemildert: Er habe nicht alle, sondern «gewisse» Deutsche gemeint. Aber auf die Frage, ob er seine Äusserungen bereue, meinte Stefani in bester Berlusconi-Manier: «Sicher nicht.» Er bezeichnete die Härte seiner Ausführungen als Absicht: Er sehe nicht ein, dass die Deutschen straflos wie auf einem «Spiegel»-Titel geschehen Berlusconi als «Paten» der Mafia bezeichnen könnten.
«Ich kapiere überhaupt nicht», bekannte der Staatssekretär, «dass wir immer auch noch die andere Backe hinhalten sollen.» Der Schlaumeier hat Schröder auf eigene Kosten an den Gardasee eingeladen. Käme der Kanzler wirklich, wäre das Stefanis politische Rettung, und die Verantwortlichen des Fremdenverkehrs schliefen wieder besser.
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