Die Türkei ist das Gegenbild Europas(JF)
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neuester Beitrag: 06.03.06 09:29
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eröffnet am: | 13.06.04 00:12 von: | proxicomi | Anzahl Beiträge: | 20 |
neuester Beitrag: | 06.03.06 09:29 von: | Sahne | Leser gesamt: | 2825 |
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Interview: Der österreichische Publizist und FPÖ-Europakandidat Andreas Mölzer über seine Pläne im Straßburger Parlament
Jörg Fischer
Herr Mölzer, Sie kandidieren erstmals fürs EU-Parlament. Doch die FPÖ-Chancen stehen schlecht. 1999 kamen die Freiheitlichen mit 23,4 Prozent auf fünf Sitze - diesmal sehen Umfragen nur elf Prozent. Wie wollen Sie dann als Listendritter trotzdem ins Parlament einziehen?
Mölzer: In der Tat haben die Freiheitlichen im Vergleich zur Europawahl vor fünf Jahren eher schlechte Chancen. Zumal Österreich statt 21 Sitzen nur mehr 18 im EU-Parlament haben wird. Während seinerzeit fünf freiheitliche EU-Abgeordnete eingezogen sind, werden es diesmal nur noch zwei bis maximal drei sein. Die EU-Wahlordnung in Österreich erlaubt nun eine Form des Persönlichkeitswahlkampfes, die sonst bei anderen Wahlgängen hierzulande nicht üblich ist. Nachdem das gesamte Bundesgebiet ein Wahlkreis ist, sind alle österreichweit abgegebenen Vorzugsstimmen gültig, und die Mandate werden in erster Linie nach den Vorzugsstimmen vergeben und erst subsidiär nach der Parteienliste. Bei einer Wahlbeteiligung von etwa 40 Prozent heißt das, daß von zweieinhalb Millionen österreichischen Wählern etwa 250.000 die FPÖ wählen werden. Davon mindestens sieben Prozent zu erhalten und als Erstgereihter das EU-Mandat zu erlangen, ist mein Ziel.
Wenn Sie nun eine Vorzugsstimmenkampagne fahren, verschlechtert das nicht das Verhältnis zum FPÖ-Spitzenkandidaten Hans Kronberger, der ja über Parteigrenzen hinweg speziell als Umweltpolitiker und Transitgegner eine guten Namen hat?
Mölzer: Eine Vorzugsstimmenkampagne verschlechtert keinesfalls das Verhältnis innerhalb der Kandidaten einer Partei, es ist dies vielmehr ein demokratisches Instrument und absolut legitim. Es stimmt, daß Hans Kronberger einen guten Namen als Umweltpolitiker hat, man muß allerdings auch sagen, daß gerade diesbezüglich die Freiheitlichen in den vergangenen Jahren glücklos waren. Sie konnten weder den Beitritt Tschechiens wegen des Atomkraftwerks Temelín verhindern noch eine befriedigende Transitlösung aushandeln, obwohl der Verkehrsminister Freiheitlicher ist. Gerade die Reduktion der freiheitlichen Mitglieder im Europa-Parlament macht es notwendig, daß ein überzeugter und ideologisch fundierter Freiheitlicher im EU-Parlament sitzt und nicht nur Quereinsteiger, wie letztlich auch Hans Kronberger einer ist, der ja von ganz links zur FPÖ gestoßen ist.
Die Liste HPM des EU-Kritikers und Ex-SPÖ-Spitzenkandidaten Hans-Peter Martin wird in Wahlumfragen als drittstärkste Partei gehandelt - noch vor FPÖ und Grünen. Was wollen Sie dem „Spesenskandal“-Aufdecker Martin entgegensetzen, er scheint doch vielen Wählern aus dem Herzen zu sprechen?
Mölzer: Was Hans Peter Martin betrifft, so hat er mit dem Aufzeigen des Spesenskandals in der Sache natürlich völlig recht. Was seine Methoden allerdings betrifft, pflichte ich Otto von Habsburg bei, der gesagt hat, er sei ein „niederträchtiger Mensch“. Der Spesensumpf rund um das EU-Parlament gehört radikal und rasch trockengelegt, wir sollten uns allerdings nicht von der Spesenfrage von den wirklichen Problemen der EU ablenken lassen.
Ein Thema des Wahlkampfes ist der EU-Beitritt der Türkei. Der Kärntner Landeshauptmann und FPÖ-Altobmann Jörg Haider vertritt hierbei eine ähnliche Position wie die CDU Deutschlands - die „privilegierte Partnerschaft“. Sie lehnen den Beitritt konsequent ab. Warum?
Mölzer: Was den Beitritt der Türkei betrifft, so sind gegenwärtig zwar alle österreichischen Parteien dagegen, allerdings halbherzig und aus den falschen Gründen. Die Sozialdemokraten etwa sagen, die Türkei sei „noch nicht reif für Europa“. Dies kann heißen, daß sie zwei Wochen nach der Wahl nach Ansicht der SPÖ möglicherweise doch schon reif sei. Und auch die FPÖ hat offiziell die falsche Argumentation, wenn sie meint, es liege ausschließlich an der unbefriedigenden Menschenrechtssituation in der Türkei. Diese Menschenrechtsituation könnte theoretisch in einem Jahr saniert sein. Die Türkei ist auch dann nicht reif für einen EU-Beitritt, weil die Türkei meines Erachtens nach niemals reif für die EU sein wird, weil sie ein islamisches Land ist, hauptsächlich auf asiatischem Boden liegt und historisch so etwas wie das Gegenbild Europas war. Das Osmanische Reich war bekanntlich einer der großen Herausforderer des alten christlichen Abendlandes. So wird die Türkei also zu einem Prüfstein für die Europäische Identität werden.
Hans Kronberger hat die Unterschriftenkampagne „Wer schweigt, stimmt zu. Stopp dem Irak-Wahnsinn!“ gestartet. Darin wird eine Sonderkonferenz der EU-Außenminister und ein Abzug der im Irak eingesetzten Truppen aus EU-Ländern verlangt. Wie stehen Sie dazu?
Mölzer: Was die Unterschriftenkampagne „Wer schweigt, stimmt zu. Stoppt den Irak-Wahnsinn“ betrifft, so ist diese keine spezielle Kronberger-Initiative, sondern eine der Freiheitlichen insgesamt und wird von mir selbstverständlich unterstützt. Selbstverständlich bin ich dafür, daß die Europäer sich sofort aus dem Irak zurückziehen und daß jene europäischen Länder, die weiterhin Truppen an der Seite der Amerikaner im Irak stationiert haben, mit Sanktionen seitens der EU zu rechnen haben. Daß man ihnen speziell seitens der Nettozahler nicht mehr Gelder zukommen läßt, die sie dann möglicherweise in militärische Abenteuer investieren.
Im Februar 2000 haben die Regierungschefs der 14 anderen EU-Staaten einen Boykott gegen Österreich beschlossen, um so gegen die damals ins Amt gekommene ÖVP-FPÖ-Koalition zu protestieren. Angeblich sollen auch führende österreichische Sozialdemokraten die EU-14-Sanktionen mit initiiert haben. Kronberger hat in der Wiener „Presse“ nun eine „Historikerkommission“, wie es sie auch im Fall des international angefeindeten früheren Bundespräsidenten Kurt Waldheim gab, gefordert. Was halten Sie davon?
Mölzer: Ich halte eine Historikerkommission zur Klärung der Hintergründe der EU-Sanktionen gegen Österreich für nicht sehr sinnvoll. Ich glaube, daß die Sache eine Aufgabe für den investigativen Journalismus und für die Zeithistoriker im allgemeinen ist. Eine beamtete Kommission allerdings ist wohl wenig sinnvoll. Eher schon ein Parlamentarischer Untersuchungsausschuß, der zumindest jene Bereiche untersucht, die sich auf der offiziellen politischen Ebene abgespielt haben.
Die geplante EU-Verfassung ist bislang noch nicht beschlossen. Was möchten Sie am vorgelegten Entwurf verändert sehen?
Mölzer: Die geplante EU-Verfassung ist meines Erachtens der falsche Schritt in Richtung auf einen zentralistischen Bundesstaat. Ich trete entschieden dafür ein, daß die EU eine Konföderation souveräner Staaten bleibt, die allerdings in außenpolitischer und sicherheitspolitischer Hinsicht mit einer Stimme sprechen sollte.
Es gibt Vorschläge, die EU-Verfassung in einer EU-weiten Volksabstimmung beschließen zu lassen. Sind bei einer Annahme dann nicht die nationalen Verfassungen praktisch obsolet?
Mölzer: Wenn eine europäische Verfassung, ein Grundgesetz für die europäischen Völker und Bürger nicht direkt demokratisch, also plebiszitär legitimiert ist, sieht es um die Demokratie in diesem zukünftigen Europa schlecht aus. Das heißt also, man wird den Mut haben müssen, eine solche Verfassung den europäischen Völkern auch zur Abstimmung vorzulegen.
Der EU-Spitzenkandidat der CDU, Hans-Gert Pöttering, kann sich auch eine EU-Verfassung vorstellen, die nicht für alle 25 Länder gilt - wenn nicht alle Länder dem Entwurf zustimmen. Könnte Österreich auch eine Sonderrolle spielen?
Mölzer: Wenn diese Verfassung letztlich nicht von allen Völkern mitgetragen wird, wird sie keine Zukunft haben, auch Österreich sollte da keine Sonderrolle spielen, es geht vielmehr darum, die Verfassung so zu gestalten, daß sie für alle Völker Europas akzeptabel ist.
Wenn Sie am 13. Juni ins EU-Parlament gewählt werden, was sind dann Ihre vordringlichsten Ziele? Was wollen Sie als einer von 732 Abgeordneten bewirken?
Mölzer: Neben der Vertretung der legitimen Interessen Österreichs wird es meine vordringlichste Aufgabe sein, Bündnispartner im EU-Parlament und überhaupt auf der europäischen Ebene zu suchen und gemeinsam für ein anderes Europa zu kämpfen, als es diese EU ist. Für ein Europa der freien Völker, der selbstbestimmten Volksgruppen und der gesunden Familien.
Bislang ist die FPÖ im EU-Parlament fraktionslos. Das erschwert die Arbeit. Mit welchen Parteien könnten Sie sich eine Zusammenarbeit vorstellen?
Mölzer: Es gibt eine Reihe politischer Gruppierungen, mit denen eine Zusammenarbeit denkbar ist. Ohne diese jetzt konkret beim Namen nennen zu wollen, geht es in erster Linie darum, selbst zu prüfen, wer demokratisch legitimiert ist und entsprechend ideologisch gleichgerichtet, um eine Zusammenarbeit zu ermöglichen. Wir dürfen uns diese Entscheidungen nicht von der politisch korrekten Linken und den zeitgeistigen Medien vorschreiben lassen.
Aus Deutschland werden diesmal wahrscheinlich keine potentiellen Bündnispartner für die FPÖ nach Straßburg kommen. Wer könnte in Zukunft ein Ansprechpartner für die FPÖ in Deutschland sein?
Mölzer: Alle demokratisch legitimierten vernünftigen Patrioten aus der Bundesrepublik sollten in Zukunft Ansprechpartner für die FPÖ sein. Demokratische Legitimation bedeutet allerdings auch, daß man ein Minimum an Wählerzustimmung haben muß, um Politik zu betreiben.
Ist eine Zusammenarbeit mit italienischen Parteien nicht schwierig, da ja das Thema Südtirol Anlaß für Streit ist?
Mölzer: Das Thema Südtirol beweist, daß es möglich ist, die historischen Hypotheken, die zwischen den europäischen Völkern bestehen, aufzuarbeiten. Gerade Patrioten und nationale Kräfte tragen ja die Last der Geschichte ihrer jeweiligen Völker und Staaten auf ihren Schultern. Das absolut positive Verhältnis zwischen Italienern und Österreichern beweist, daß man diese Last der Geschichte auch gemeinsam tragen und abarbeiten kann. Südtirol ist heute kein Problem mehr, das eine Zusammenarbeit zwischen europäischen Rechtsparteien und österreichischen Patrioten verhindern würde.
Auch die historischen Beziehungen zu Mittel- und Osteuropa sind nicht unbelastet. Zudem sind - beispielsweise in Polen - viele Parteien EU-kritisch, zugleich aber auch sehr fordernd Richtung Brüssel eingestellt. Doch ein Großteil des EU-Geldes bringen Berlin, Wien, Amsterdam oder Stockholm auf. Könnten Sie sich dennoch auch bei den Neu-Mitgliedern Bündnispartner vorstellen?
Mölzer: Was die Beziehungen zu patriotischen Gruppierungen und Parteien in den EU-Beitrittsländern betrifft, so gilt es diese historischen Hypotheken erst zu bewältigen. Etwa die Frage der Vertreibung der Sudetendeutschen und der Benes-Dekrete verhindert naturgemäß eine Zusammenarbeit zwischen Freiheitlichen und tschechischen patriotischen Parteien. Ich bin der Meinung, daß die österreichische Bundesregierung beim Europäischen Gerichtshof eine Klärung herbeiführen sollte, ob die Benes-Dekrete mit dem EU-Rechtsbestand vereinbar sind.
Kürzlich haben Sie Ihr neues Buch „Europa im rechten Licht“ herausgegeben, das verschiedene nationalliberale, rechtskonservative und nationale Parteien vorstellt. Ein Kapitel ist auch dem französischen Front National gewidmet. Sehen Sie auch mit dem FN Gemeinsamkeiten?
Mölzer: Selbstverständlich müssen wir auch in Hinblick auf französische Rechtsparteien und den Front National selbst überprüfen, ob er ein potentieller Bündnispartner ist. Der FN hat in Österreich seitens der politisch korrekten Medien und politischen Beobachter ein ähnlich schlechtes Image wie beispielsweise die FPÖ in Frankreich. Dies beweist, daß wir hier eigene Analysen anstellen werden müssen.
Grüne und Kommunisten haben anläßlich der EU-Wahl 2004 Europaparteien gegründet. Bei den Rechtsparteien gibt es das bislang lediglich in der EU-Fraktion „Union für das Europa der Nationen“, wo u.a. die italienische Regierungspartei Alleanza Nazionale (AN) und die portugiesische Volkspartei (CDS-PP), die in Lissabon mehrere Minister stellt, vertreten sind. Jörg Haider kann sich vorstellen, 2009 mit einer EU-weiten freiheitlichen Liste anzutreten. Sie auch?
Mölzer: Ob Jörg Haider mit einer europaweiten Liste antreten wird weiß ich nicht. Ich glaube aber mit Sicherheit, daß es eine patriotische freiheitliche wertkonservative Kooperation bei den EU-Wahlen des Jahres 2009 geben soll und auch wird.
Sind die nationalen Unterschiede bei den „EU-Rechten“ dafür nicht zu groß?
Mölzer: Wenn die europäischen Rechtsdemokraten die nationalen Unterschiede, die es zwischen ihnen selbstverständlich gibt und die zum Teil schwerwiegend sind, nicht zu überwinden, werden sie politisch letztlich in der Bedeutungslosigkeit verschwinden.
Foto: Wahlwerbung von Andreas Mölzer: Der 51jährige Publizist war Redakteur der Monatsschrift „Aula“ und bis 1990 Chefredakteur der „Kärntner Nachrichten“. Er ist Geschäftsführer des Hanns-Rader-Bildungswerkes. Seit 1997 Chefredakteur der Wiener Wochenzeitung „Zur Zeit“. Von 1991 bis 1993 war er FPÖ-Bundesrat.
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gruß
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ich frage mich, wie weit geht diese europäische linke noch???
in welchem zusammenhang, steht die explosion vor dem verteidigungsministerium?
werden solche gewaltdemos, aus europäischen städten gesteuert nach kleinasien exportiert?
hooligans werden an den grenzen abgefangen, solche linken radautouristen nicht!
NoNato Istanbul
am 28. und 29. juni werden sich politikerInnen und militärs zum nato-gipfel in
istanbul treffen. seit wochen vergeht kaum ein tag, an dem nicht in istanbul
oder anderen städten gegen den nato-gipfel, die profit- und
macht-globalisierung, sowie gegen die politik der türkischen regierung auf die
straße gegangen wird. während sich das türkische militär und die regierung "ein
stück vom kuchen irak" zum gipfelziel gesetzt haben, ensteht auf den strassen
eine soziale bewegung, die noch vor kurzem tot erklärt war.
türkei präsentiert sich als stolzer nato-gipfel-gastgeber und erklärt mit einem
aufgebot an 23.568 polizistInnen den ausnahmezustand in istanbul.
istanbul indymedia | libertäre koordination | resistanbul
offiziel soll der irak nicht das hauptthema des nato-gipfels werden. das
türkische militär will jedoch klar deponieren, dass keine kurdische autonomie im
norden des iraks erwünscht ist, stattdessen eine türkische kontrolle über das
gebiet. die politik lässt da alt bekannte faschistische argumentationen von
atatürk wieder ins rollen bringen, nachdem das gebiet zum türkischen reich
gehöre und kurden ein untervolk seien. so zynisch das auch klingen mag, ist dies
immerhin eine entwicklung, denn bis vor kurzem akzeptierte der staat nicht mal
die existenz einer kurdischen minderheit.
um so näher der gipfel rückt, desto stärker werden die proteste. zahlreiche
demonstrationen finden in istanbul und anderen städten statt. ein bisheriger
höhepunkt war der 17.juni, wo es in izmit, manisa, eskisehir, adana, ankara und
in verschiedenen bezirken istanbuls zu demonstartionen und verschiedenen
aktionen von tausenden kam. die protestierenden wollen nicht nur den nato-gipfel
verhindern, sondern neuorganisation der ressourcen und "gleiche möglichkeiten
für alle". somit könnten die proteste gegen die nato anlass für eine neue
sozialen bewegung in der türkei werden.
in den ärmeren stadteilen von istanbul kam es mehrmals zu auseinandersetzung
zwischen militanten gruppen und der polizei. nach angaben der bürgerlichen
presse, verletzte sich gestern in bakirköy ein polizist beim entfernen eines
transparents, welches mit bomben aufhängt war.
es ist schwer einzuschätzen wie sich die polizei bei den grossdemos am 27. und
28. verhalten wird, da sie gegenüber der eu kein schlechtes bild machen will.
zum nato-gipfel ist zahlreicher und vielfälltiger protest zu erwarten. mehrere
gruppen und organistaionen rufen auf sich am "historischen no-nato protest" in
istanbul zu beteiligen.
am 26.juni organisieren migrantInnen in berlin, köln, stuttgart, münchen, paris,
straßburg, wien und london demonstrationen gegen den nato-gipfel.
[indymedia.de, von ist.indy - 23.06.2004 18:21]
Explosion in Ankara
In der Nähe des Verteidigungsministeriums gingen mehrere Fensterscheiben zu Bruch
Ankara - Im Zentrum der türkischen Hauptstadt Ankara ist am Montagabend ein Sprengsatz explodiert. Die Bombe unbekannter Herkunft sei im Hof eines Gebäudes des Verteidigungsministeriums detoniert, berichteten mehrere türkische Fernsehsender. Mehrere Fensterscheiben des Gebäudes und umliegender Häuser seien zu Bruch gegangen. Die Polizei sperrte die Gegend ab. AFP
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gruß
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ist doch auch toll, gegen den bösen us-militarismus, gegen die nato zu demonstrieren.
ich möchte einmal gerne wissen, wieviel westeuropäische krawallmacher nach istanbul reisten.....
sicher die selben radaubrüder, die auch immer in den medien zu sehen sind, wenn es gegen die g8-staaten geht.
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gruß
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Vom Verschwinden des Demos
Bevölkerungspolitik: Wie die demographische Dynamik multiethnische Gesellschaften verwandelt
Felix Menzel
Die Demographie ist unser Schicksal. Schon im achtzehnten Jahrhundert, als mancher Fürst und König über menschenleere Landstriche klagte, wurde die Bevölkerungsmasse als Machtfaktor erkannt. Durch gezielte „Peuplierungspolitik“ sollten das Herrschaftsgebiet dichter besiedelt und die Steuerkassen gefüllt werden. Im Zeitalter der Industrialisierung erlebte Europa schließlich eine Bevölkerungsexplosion epochalen Ausmaßes. Innerhalb von nur hundert Jahren nach den Napoleonischen Kriegen verdoppelte sich die Zahl der Deutschen von dreißig auf sechzig Millionen. Westlich des Rheins dagegen kam die Geburtenzahl nicht vom Fleck, sehr zum Bedauern der Pariser Regierung, die mittels einer aktiven Bevölkerungspolitik bestrebt war, die Geburtenrate französischer Frauen nach oben zu treiben.
Die gesamte westliche Welt durchläuft derzeit erneut einen Prozeß dramatischer demographischer Verschiebungen. In Deutschland brach die Zahl der Geburten seit den späten sechziger Jahren besonders dramatisch ein. Aktuell liegt Deutschland mit einem in der Geschichte bislang ungekannt niedrigem Wert von 1,2 Kinder pro Frau auf dem 180. Platz der Weltliste. Um eine gesunde Bevölkerungsstruktur zu erhalten, wären mindestens zwei Geburten pro Frau vonnöten.
Dabei liegt der Kern des Problems, wie der Bielefelder Bevölkerungswissenschaftler Herwig Birg wiederholt dargelegt hat, weniger im oft beklagten, angeblichen Trend zur Ein-Kind-Familie, sondern im Totalverzicht, der Totalverweigerung breiter Bevölkerungsgruppen. Fast jede dritte deutsche Frau bleibt heute kinderlos, bei Akademikerinnen ist es bald jede zweite.
Die langfristigen Folgen des Geburtenabsturzes sind erst in Anfängen sichtbar. Mittlerweile hat sich die einstige breite Bevölkerungspyramide zu einem zerzausten Tannenbaum mit dünnem Stamm verformt, schließlich wird sie die Form einer kopflastigen Urne annehmen. Diese Transformation streckt sich über viele Legislaturperioden und übersteigt so den Horizont vieler Politiker. Inzwischen zwingt aber die Erkenntnis einer beschleunigten Überalterung den Blick auf das kommende Schrumpfen der Bevölkerung. Fehlt auch nur eine halbe Generation, so gewinnt der einmal eingeschlagene Abwärtskurs exponentiell an Fahrt und wird unumkehrbar. Auf schwache Jahrgänge folgen so immer schwächere, bis nach Ablauf eines Menschenalters der demographische Boden erreicht ist und die Bevölkerung sich auf niedrigstem Niveau stabilisiert.
Nicht nur die umlagefinanzierten Sozial- und Rentenversicherung sind betroffen, deren finanzieller Kollaps für das Ende der Dekade zu erwarten steht. Angesichts des zunehmend multiethnischen Charakters der Gesellschaften Europas und Nordamerikas gewinnen Fragen der Bevölkerungsverschiebung zusätzlich an Brisanz. Unterschiedliche Geburtenraten verschiedener ethnischer Gruppen innerhalb eines Staates verschieben auf längere Frist die ethnischen Gewichte und kippen die Identität eines Landes. Beispiele für solche Überlagerungsprozesse kennt die Geschichte, meist endeten sie in bürgerkriegsähnlichen Konflikten. Im Kosovo etwa verdrängte seit Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts die anfangs kleine muslimische Minderheit dank ihrer Geburtenfreudigkeit die historische Mehrheit der Serben. Das Ende vom Lied ist bekannt.
Einwanderung findet an der Grenze wie auch im Kreißsaal statt. Die daraus resultierenden demographischen Überlagerungsprozesse sind überall in der westlichen Welt zu beobachten. Den Süden der Vereinigten Staaten übernehmen „Hispanics“, wobei vermutlich diese sogenannten Hispanics weniger spanische als indianische Vorfahren haben. Aufgrund weiterhin kaum gebremster Einwanderungsströme und der Geburtendynamik der Neuankömmlinge ist absehbar, daß US-Amerikaner europäischer Abstammung in etwa dreißig Jahren gegenüber Hispanics, Schwarzen und Asiaten in eine relative Minderheitenposition geraten werden. Für ein verhältnismäßig junges Land wie die USA mit ihren erprobten Integrations- und Assimilationskräften mag ein solcher Wandel nicht zwangsläufig als Verdrängungsprozeß bitter enden.
Auf die alten Kulturvölker Europas, in ihren Räumen seit vielen Jahrhunderten fest verwurzelt, wirkt die ethnisch-demographische Überlagerung besonders ihrer Innenstädte bedrohlich. Maghrebinische Einwanderer mit ihren zahlreichen Nachkommen prägen zunehmend das Bild des französischen Südens und verdrängen die angestammte Bevölkerung. In den vier größten Städten der Niederlande werden nach offiziellen Studien schon Ende dieses Jahrzehnts Holländer eine Minderheit stellen. Die Zukunft deutscher Metropolen ist kaum anders: Geburtenfreudige Ausländergruppen ersetzen die vergreisende deutsche Ur-Bevölkerung.
Dem SPD-Politiker Vural Öger ist es zu verdanken, die schleichende demographische Überlagerung ungewollt ins Gespräch gebracht zu haben. Im Jahr 2100 werde es nur noch 20 Millionen Deutsche in Deutschland geben, denen 35 Millionen Nachkommen von Zuwanderern, vornehmlich Türken, gegenüberstünden, scherzte der Reiseunternehmer im Kreise befreundeter türkischer Unternehmer (JF 24/04 berichtete). Ögers Prognosen sind nicht unrealistisch. Nach Studien des Instituts für Bevölkerungsforschung und Sozialpolitik (IBS) der Universität Bielefeld wird die Zahl der autochthonen Deutschen bis 2080 auf knapp 30 Millionen absinken. Dagegen könnte die Zahl der Zuwanderer und ihrer Nachkommen bei einem mittleren jährlichen Zustrom von 200.000 Menschen auf 23 Millionen zunehmen.
Ögers Freude über die „gebärfreudigen Türkinnen“ trifft einen empfindlichen Nerv, denn das ethnische Umkippen vieler deutscher Innenstädte birgt sozialen wie politischen Sprengstoff. Diese Gefahren scheinen Sozialdemokraten und Grünen vernachlässigbar, sie denken strategisch an neue Wählerpotentiale: Mit Hilfe eingebürgerter Türken, so die Hoffnung, ließe sich auf lange Sicht eine strukturelle Mehrheit für die Linke zementieren. Dazu paßt, daß der erfahrene SPD-Außenpolitiker Hans-Ulrich Klose zwar mit fünf Millionen türkischen Einwanderern im Falle eines EU-Beitritts der Türkei rechnet, diese Erwartung aber nur ein einziges Mal öffentlich erklärte und seitdem den Mund hält.
Der Unterschied zwischen fürstlicher „Peuplierungspolitik“ des achtzehnten und linker Einwanderungspolitik des 20. und 21. Jahrhunderts ist offensichtlich. War damals das Ziel, durch Anwerbung möglichst qualifizierter Neubürger den Reichtum des Landes zu mehren, so steht im „demokratischen“ Zeitalter die Sicherung parteipolitischer Macht durch Austausch des Demos im Vordergrund.
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Fischer verteidigt Türkei-Kurs
Außenminister Fischer beharrt auf den vereinbarten Fahrplan für die EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei. Sich von Ankara abzuwenden, würde erhebliche Risiken mit sich bringen.
Zu Besuch in Washington: Außenminister Joschka Fischer. Foto: dpa
HB WASHINGTON. Die Entscheidung, am 3. Oktober zu beginnen, sei gefallen. Nun müsse in der EU noch der Verhandlungsrahmen beschlossen werden, und der setze Einstimmigkeit voraus, sagte Fischer nach einem Gespräch mit US-Sicherheitsberater Stephen Hadley in Washington.
Die von der Union anstelle einer Vollmitgliedschaft favorisierte „privilegierte Partnerschaft“ für die Türkei lehnte Fischer erneut ab: „Die ist schon heute Realität.“ Gegner und Befürworter eines Beitritts seien sich einig über die wichtige strategische Bedeutung der Türkei für die europäische Sicherheit.
Zugleich betonte Fischer, die heutige Türkei sei noch nicht reif für einen Beitritt. Deswegen gebe es ein großes Interesse an einem Modernisierungsprozess. Die Verhandlungen mit der Regierung in Ankara sähen zudem keinen „Beitrittsautomatismus“ vor. „Im Gegenteil: Die EU kann die Verhandlungen unterbrechen oder auch ganz aussetzen.“ Die USA machen sich für eine Aufnahme des NATO-Mitgliedstaates in die Europäische Union stark.
Fischer trifft am heutigen Mittwoch seine amerikanische Amtskollegin Condoleezza Rice erstmals seit deren Amtsantritt vor rund vier Monaten in Washington. Beide wollen über den Stand der Verhandlungen über die Aussetzung des iranischen Nuklearprogramms beraten.
Teheran kündigte jüngst an, die Urananreicherung bis Ende Juli weiter auszusetzen. Kurz zuvor hatten die USA ihren Widerstand gegen Gespräche über eine Aufnahme Irans in die Welthandelsorganisation (WTO) aufgegeben. Weiteres Gesprächsthema dürfte die Lage im Nahen Osten sowie die Krise um die Europäische Verfassung sein.
HANDELSBLATT, Mittwoch, 08. Juni 2005, 10:27 Uhr
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Weder Freihandelszone noch soziale Wärmestube: Eine Neugründung ist nötig
Peter Lattas
Jean-Claude Juncker ist nicht der einzige, dessen Europabegeisterung dieser Tage einen Knacks bekommen hat. Sein waghalsiger Versuch, die Verfassungs- und die Finanzkrise auf einen Schlag zu lösen, indem er sie miteinander verknüpfte, hat dem luxemburgischen Premier einen spektakulären Fehlschlag und Europa eine veritable Identitätskrise eingebracht.
Die Schuldigen waren für die Verlierer, den französischen Staatspräsidenten Jacques Chirac und den deutschen Regierungschef Schröder, schnell ausgemacht: An der „völlig uneinsichtigen“ Haltung der Briten und Niederländer sei der Gipfel gescheitert, ließ der Kanzler in für europäische Verhältnisse ungewohnter Deutlichkeit verlauten. In Osteuropa, wo Tony Blairs Kritik an der Subventionsbürokratie auf mehr Verständnis stößt, sieht man im Strukturbewahrer Chirac den Haupttäter. Nicht das Scheitern der Verhandlungen um die Finanzplanung von 2007 bis 2013 sei indes das Problem, sondern die „beunruhigende“ Atmosphäre, die neuerdings in der EU herrsche, hat der polnische Premier Marek Belka ganz richtig analysiert: In der größer gewordenen Familie zofft man sich, daß die Fetzen fliegen.
In einem Punkt hat der wütend gescholtene Briten-Premier allerdings vollkommen recht: So, wie sie derzeit läuft, kann die europäische Umverteilungsmaschinerie nicht länger gutgehen. Statt die aufsässigen Briten und Niederländer zu kritisieren, könnte sich der deutsche Bundeskanzler auch fragen lassen, warum er als Repräsentant des größten Nettozahlers nicht selbst auf einen Beitragsrabatt pocht, statt weiter die französische Agrarindustrie aus der leeren deutschen Staatskasse zu subventionieren. Es kann kaum Zweck der EU sein, einen immer größeren Anteil des von den Mitgliedstaaten erwirtschafteten Geldes in einer kaum kontrollierenbaren Subventionsbürokratie für Agrarpolitik und Regionalförderung auszugeben. Diese Aufgaben wären, nimmt man das Prinzip der „Subsidiarität“ ernst, in der Tat besser in nationaler Verantwortung aufgehoben.
Je größer und je divergenter der Kreis der EU-Mitglieder wird, desto weniger können unterschiedlicher Lebensverhältnisse zentral ausgeglichen werden. Die britische Verhandlungsführung auf dem Brüsseler Gipfel bestätigt den Verdacht, daß die Regierungen des Vereinten Königreichs schon deshalb jeder EU-Erweiterung stets freudig zugestimmt haben, weil die Überdehnung des Kreises der Clubmitglieder zugleich den Keim des Scheiterns der politischen und sozialen Integration in sich trägt, die, von Frankreich und Deutschland am eifrigsten betrieben, von jeher das spezielle Mißtrauen der Briten weckte.
In der Vergangenheit konnten solche Konflikte stets dadurch überdeckt werden, daß der deutsche Bundeskanzler im kritischen Moment das Scheckbuch zückte und alle finanziellen Sonderwünsche im Namen der europäischen Idee auf Kosten des deutschen Steuerzahlers erfüllte. Struktur- und Kohäsionsfonds und diverse weitere Fördertöpfe verdanken dieser Politik ihre Entstehung. Es sei dahingestellt, ob Angela Merkel das Fehlen der früheren Kohlschen Freigebigkeit meinte, als sie Schröder die Mitschuld am Scheitern des Gipfels gab.
Die fetten Jahre sind jedenfalls vorbei, und die EU muß die entscheidende Frage beantworten, wozu sie überhaupt da ist. Das Scheitern des Verfassungsvertrages und das spektakuläre Platzen der Brüsseler Zusammenkunft der Staats- und Regierungschefs sind logische Folgen des letztlich unüberbrückbaren Widerspruchs zwischen Erweiterung und Vertiefung der Union. Das Projekt, die EU auf immer mehr und immer unterschiedlichere Länder auszudehnen und dabei zugleich die soziale und administrative Gleichschaltung voranzutreiben, darf als mißlungen gelten: zu disparat die Voraussetzungen, zu groß die Widerstände der europäischen Völker.
Jubel hierüber wäre freilich verfrüht, solange nicht die Frage beantwortet ist, was dieses Projekt ersetzen soll. Eine lockere, liberale Freihandelszone, sagen die Briten – gerne auch unter Einschluß der Türkei. Blair und seine Vordenker wollen der „kommenden Generation“ der europäischen Staatslenker diese Vision mit dem Argument schmackhaft machen, so könne man im globalen Wettbewerb bestehen und „Globalisierung mit sozialer Gerechtigkeit“ versöhnen. Den Strategen im Weißen Haus, die Freihandel überall, bloß nicht im eigenen Land propagieren, wäre diese Europa-Version zweifellos die liebste, und für die Europäer wäre sie ein Desaster, das sie als eigenständigen Faktor im globalen Mächtekonzert weitgehend ausschalten würde.
Als Zukunftsmodell für den europäischen Kontinent taugt die Blairsche Freihandelszone so wenig wie die soziale Wärmestube à la Schröder und Chirac – unverbindlich die eine, unbezahlbar die andere. Beide ignorieren die außenpolitische und geostrategische Dimension Europas als Gegengewicht zum amerikanischen Unilateralismus. Mit neuerlichem Herumschrauben an den verkorksten bestehenden Strukturen und Weiterwursteln mit faulen Kompromissen ist es nicht getan. Europa muß neugegründet werden: als Bund souveräner Nationalstaaten, die sich in außen-, handels- und sicherheitspolitischen Fragen eng abstimmen und ihren Mitgliederkreis so beschränken, daß sie nicht von Wohlstandsgefälle und sozialen Verwerfungen gelähmt werden. Dieses Zukunftskonzept scheinen selbst seine französischen Erfinder weithin vergessen zu haben: das Europa der Vaterländer.
Ende des europäischen Traums
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Armenische Familien beschuldigen Deutsche und Dresdner Bank, vom Völkermord 1915 profitiert zu haben
von Anette und Martin Dowideit
New York - Auf die Deutsche und die Dresdner Bank kommt nach Informationen der WELT in den USA eine Sammelklage zu. Eine Gruppe armenischer Familien beschuldigt die Institute, während des Völkermordes in Armenien nach 1915 die Regierung des Osmanischen Reiches unterstützt zu haben. Die Banken sollen Geld wohlhabender Armenier zurückgehalten und sich darüber hinaus geweigert haben, von Türken während des Überfalls erbeutete Gelder später an die Opfer zurückzuzahlen. Auch bei den Banken hinterlegte Goldreserven und Schmuck stehen auf der Liste der Kläger.
Der Anwalt der Kläger, Brian Kabateck, hat die Klageschrift nach eigenen Angaben am Freitag in Los Angeles eingereicht. Der Streitwert liege vermutlich "in Milliardenhöhe", sagt Kabateck im Gespräch mit der WELT. "Bisher können wir den Streitwert noch nicht präzise benennen. Erst nachdem die Klage eingereicht ist, erhoffen wir uns Zugang zu den entsprechenden Archiven der Banken", so Kabateck. Die konkrete Höhe des Streitwertes werde voraussichtlich erst in sechs Monaten feststehen. 2005 hatte die Klägergruppe gegen die Versicherungskonzerne Axa und New York Life geklagt. Dabei einigten sich die Parteien außergerichtlich auf Entschädigungszahlungen in Höhe von 37,5 Mio. Dollar.
An der Sammelklage beteiligen sich nach Aussage Kabatecks vier armenische Familien. Mit einer Einigung der Banken mit den Familien dürfte das Thema Entschädigungszahlungen an Armenien jedoch für die Banken nicht abgeschlossen sein. Denn das in Deutschland unzulässige Modell der Sammelklagen begründet eine Grundsatzentscheidung für eine Gruppe Betroffener, auf die sich später andere Opfer beziehen können - diese müssen vor Gericht lediglich nachweisen, daß sie zur betroffenen Gruppe gehören.
Die Banken kommentierten die Klage bislang nicht. Die armenische Gemeinde in Kalifornien erwartete für Freitag mittag (Ortszeit) bei einer Kundgebung vor dem Gebäude der Deutschen Bank in Los Angeles "mehrere hundert Demonstranten". In Kalifornien lebt die größte armenische Gemeinde außerhalb des Heimatlandes mit rund 500 000 Mitgliedern.
Während des Völkermordes in Armenien, das damals zum Türkei-Vorgängerstaat Osmanisches Reich gehörte, sollen 1915 rund 1,5 Millionen Menschen getötet worden sein. Im Januar 1916 erging ein Dekret des türkischen Finanzministers, laut dem alle armenischen Besitztümer in den Besitz der türkischen Regierung übergehen sollten. Ein Großteil des Geldes soll an die deutschen Banken transferiert worden sein. Der Völkermord wurde zuletzt in Deutschland kontrovers diskutiert. Im Juni verabschiedete der Bundestag eine Resolution, um die türkische Regierung zur Aufarbeitung aufzurufen.
Artikel erschienen am Sa, 14. Januar 2006
wann klagen die italienischen aggressoren gegen unseren volkshelden, arminius?????
sollten nicht alle 80 millionen deutschen, die russen verklagen auf entschädigung für unsere ostgebiete?
es wird immer abstruser mit den klagen gegen deutschland.
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BERLIN - Die deutsche Vertriebenenorganisation "Preussische Treuhand" will Polen verklagen. Die Organisation will damit erreichen, dass Polen ehemals deutsches Eigentum zurückgibt. Die ersten Klagen sollen noch in diesem Jahr eingereicht werden.
Die "Preussische Treuhand" wolle parallel vor polnischen und europäischen Gerichten Klage führen, sagte der Aufsichtsratsvorsitzende der Organisation, Rudi Pawelka, der "Berliner Zeitung", die am Dienstag erscheinen wird.
"Normalerweise muss man zunächst den Instanzenweg in einem Land durchlaufen", so der Vertriebenenpolitiker, der auch Vorsitzender der schlesischen Landsmannschaft ist. Aber es gebe inzwischen deutliche Aussagen, dass polnische Gerichte alle Ansprüche abweisen werden.
Deshalb gehe man gleichzeitig vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, damit keine Zeit verloren werde, sagte Pawelka. "Dann werden wir ja sehen, mit welchen Mitteln die Politik auf die Unabhängigkeit der Gerichte einwirken wird".
Der deutsche Bundeskanzler Gerhard Schröder hatte am Sonntag bei den Feierlichkeiten zum 60. Jahrestag des Warschauer Aufstandes erklärt: "Die Bundesregierung wird solchen Ansprüchen entgegen treten und dies auch vor jedem internationalen Gericht deutlich machen." Zugleich bat Schröder die Polen um Vergebung für die Verbrechen der Nationalsozialisten.
Diese Absage an Rückgabeforderungen war vom Bundesverband der Vertriebenen (BdV) scharf kritisiert worden. Schröder, hatte als erster deutscher Regierungschef an den Veranstaltungen zum Gedenken an den Warschauer Aufstand von 1944 teilgenommen.
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da reichen 100 jahre moabit wohl nicht. bei dem was der verbockt hat.
nicht nur sollte er schaden vom deutschen volk abwenden, nein er sollte auch noch nicht sein amt mißbrauchen zu absprachen mit der russischen rohstoffmafia.
die "grünen" forderten von merkel die erwähnung von "guantanamo".
seltsamer weise hat schröder(rot/"grün") nie mit seinem freund putin über den ölkrieg in tschetschenien gesprochen........
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Einblicke in die nationale Seele
Von Rainer Hermann
03. März 2006 Der Kinofilm „Tal der Wölfe - Irak” hat Entsetzen hervorgerufen, weil er Einblicke in die türkische Seele gewährt. Die Botschaft des türkischen Rambos zum Ende des dritten Jahrs der Besetzung des Irak ist klar: Auch die Türkei befindet sich weiter in dem anti-imperialistischen Befreiungskrieg, mit dem Atatürk 1923 die Republik gegründet hatte, und der Islam taugt nicht im geringsten für derartige Vorhaben.
Wie immer ist die Türkei zerrissen. Je näher ein Teil der EU kommt, desto höher steigt im anderen die nationalistische Welle. Für die nationalistische Türkei spricht die von Atatürk gegründete Tageszeitung „Cumhuriyet”. Ihr Chefredakteur Ilhan Selcuk ist die Glaskugel der Kemalisten. In Anatolien nehme der Nationalismus zu, und „sie”, die unbestimmt bleiben, „fürchten sich davor”, schreibt er.
Denn gäbe es bei den Arabern statt des „Klerikalismus” einen Nationalismus: umgehend wäre der Widerstand gegen die Besatzer doppelt so groß. An den Arabern sei die Aufklärung aber vorbeigegangen, wohingegen sie in der Türkei Wurzeln geschlagen habe, schreibt der Vordenker der großen Koalition sämtlicher türkischer Nationalisten. Denn Atatürk habe sich vom Mittelalter gelöst und eine laizistische Republik gegründet.
„Negativer Nationalismus”
Klar ist die Botschaft des Films, einfach sein Rezept. Man nehme einen Film über den Zweiten Weltkrieg, tausche die SS-Offiziere gegen amerikanische Soldaten aus und die geschundenen Juden gegen Araber und Turkmenen. „Und schon hat man das ,Tal der Wölfe'”, schreibt Ismet Berkan, der Chefredakteur der liberalen Zeitung „Radikal”. Damit könnte er noch leben, nicht aber damit, daß der Film die Botschaft eines kruden „negativen Nationalismus” enthalte, der sich lediglich - wie beim serbischen Nationalismus - aus der Feindschaft gegen andere nähre.
In der gleichen Zeitung beklagt der liberale Intellektuelle Haluk Sahin, daß der Film die Welt in schwarz und weiß einteile. Der Film zeichnet die amerikanischen Soldaten als Untermenschen, die nur durch die Feuerkraft ihrer Waffen zu kriminellen Herrenmenschen werden - und zu gewissenlosen Barbaren, die auf Hochzeitsgesellschaften schießen und die nicht allein im Gefängnis von Abu Ghraib die Menschen entwürdigen. Das „Tal der Wölfe” ist gewiß kein Dokumentarfilm, doch er vermischt wirkliche Ereignisse mit der phantastischen Welt der Fiktion.
Politischer Machtfaktor
Seit vielen Jahren gibt es in der Türkei nationalistische Zuckungen, was auch mit dem Gezerre um die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit der Europäischen Union zusammenhängt. Seit dem Wahlerfolg der AKP im November 2002 und aufgrund ihrer beharrlichen Reformpolitik mit Blick auf Brüssel, haben sich diese Regungen zu einem politischen Machtfaktor verdichtet. Von ganz rechts bis ganz links kamen die türkischen Nationalisten zusammen, von den Grauen Wölfen bis zur maoistischen Arbeiterpartei. Deren Vorsitzender Dogu Perincek koordiniert in Deutschland die Kampagnen gegen eine bloße Erwähnung des Genozids an den Armeniern.
Der Kreis der strammen Nationalisten reicht indessen weit über diese Gruppen hinaus. Die einen sind Verlierer des Reformprozesses, die anderen sagen der EU voraus, daß sie im Kampf gegen andere Blöcke scheitern werde. Daher wollen sie mit Europa nichts zu tun haben. Zu ihnen gehören der „Verein zur Pflege des Denken Atatürks” und die Kemalisten, die in der Tradition Atatürks stehen wollen und einst treue Mitglieder der „Sozialistischen Internationalen” gewesen waren, ebenso wie Beamte ohne Uniform und viele Offiziere.
Sie hält zusammen, daß sie den Kampf gegen die globalisierte Welt aufgenommen haben, daß sie die nationale Unabhängigkeit der Türkei als höchstes Gut ansehen - selbst wenn die Türkei dann ein Drittweltland bliebe - und daß sie sich als „Anti-Imperialisten” gefallen.
Schlüsselszene im Film
Da setzt der Film an. In einer Schlüsselszene fordert der Held Alemdar den amerikanischen Direktor eines Luxushotels im Irak auf, den „Chef des amerikanischen Kapitalismus” herbeizurufen - also den ranghöchsten Offizier der Region. Der heißt Sam und sagt höhnisch grinsend: „Fünfzig Jahre haben wir euch Geld in den Rachen gestopft, sogar den Gummizug für die Unterhosen haben wir euch geschickt, und nun seid ihr beleidigt, weil wir euch nicht mehr brauchen.” Kalt und stolz erwidert Alemdar: „Ich bin nicht Politiker und nicht Diplomat. Ich bin Türke.” Als solcher begehrt er gegen die „Tyrannei” auf. Kein Wort fällt in dem Film so häufig wie „Tyrannei” (zulm).
Den Nationalisten gefällt diese unbeugsame Haltung, der türkische Befreiungskrieg prägt noch immer ihr Weltbild. Atatürk hatte seiner Widerstandsbewegung gegen die ausländischen Besatzer Anatoliens den Namen „Cemiyeti Müdafaa-i Hukuk” gegeben, das heißt „Vereinigung zur Verteidigung der Nationalrechte”. Sie besteht weiter und erfreut sich regen Zulaufs. Ehemalige Generäle und bekannte Intellektuelle bekennen sich zu ihr. Sie organisiert Veranstaltungen über den angeblichen Genozid der Armenier an den Türken und verbreitet ihr nationalistisch-rassistisches Gedankengut im Internet.
Die Koalition dieser Nationalisten ist heterogen, wild und bunt. Sie tritt auch unter dem Namen „Kizilelma” (roter Apfel) auf. So hatte Ziya Gökalp, der Begründer des türkischen Nationalismus, das Idealland der Türken genannt. Von Anatolien bis Zentralasien soll es reichen.
Populärer Befreiungskrieg
Die Wirkung des Films reicht über die Welt der Intellektuellen hinaus. Bereits im vergangenen Jahr hatte ein populärer Roman über den Befreiungskrieg sämtliche Rekorde gebrochen. „Su Cilgin Türkler” (Diese verrückten Türken) schildert - wie der Autor Turgut Özakman selbst sagt - den „legitimsten und heiligsten aller Befreiungskriege”. In nur einem Jahr wurde es zweihundertfünfzigmal aufgelegt und eine halbe Million Mal verkauft.
Auch beim einfachen Volk hat der Nationalismus Fuß gefaßt. Denn noch immer sind die Auswirkungen des Bürgerkriegs gegen die kurdischen Separatisten der PKK mit Händen zu greifen. Zehntausende junger Soldaten fielen in einem Krieg, von dem viele Türken noch heute glauben, daß er nur deshalb so lange dauern konnte, weil Europa und Amerika die PKK mit dem Ziel unterstützt hätten, die Türkei zu schwächen. Ein zweiter Grund: Die türkische Wirtschaft läuft zwar so gut wie nie. Die gute Konjunktur baut die Arbeitslosigkeit unter den Jugendlichen aber nicht ab, und die Probleme in den ländlichen Regionen nehmen zu.
Die jungen Macher des Films „Tal der Wölfe”, Serdar Akar und Bahadir Özdener, haben eine Sicht vom Westen übernommen, wie sie im Orient verbreitet ist. Das Christentum wird zur Religion der Gewalt. So diniert Sam unter einem kitschigen Bild des „Letzten Abendmahls”, als in ihm die Lust am Morden aufkommt. Er läßt eine Moschee in Schutt und Asche legen und benutzt Kinder als Schutzschilde.
Der Islam hingegen wird als Religion des Friedens und der inneren Ruhe gezeichnet, die aber keinen Beitrag zur Befreiung von den Besatzern leistet. Er wird gezeichnet als Religion mystischer Sufis, die Ekstase im Tanz finden, aber nicht im Kampf gegen die Besatzer. Die islamischen Führer verhindern Selbstmordattentate und legen den Entführerbanden das Handwerk. Über sie urteilt Alemdar: „Mit eurer Geduld werdet ihr nur alt.”
Text: F.A.Z., 04.03.2006
Bildmaterial: picture-alliance/ dpa/dpaweb
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Mich würde echt einmal STRÖBELES meinung interessieren.
achso, 95% aller "grünen"-wähler sind ja eh türken und andere nicht migrirungsfähige zeitgenossenINNEN.
Jugendbanden
Sie haben die Straße
Von Julia Schaaf
05. März 2006 Ein fünfzehnjähriger Berliner wird von einer Gruppe Jugendlicher gestellt, die ihn beraubt, zusammentritt, erpreßt, seit er mit seiner Mutter nach Neukölln gezogen ist. Diesmal schaffen seine Peiniger ihn in ein Parkhaus. Setzen ihn auf einen Stuhl, stülpen ihm einen Blecheimer über den Kopf.
Der türkischstämmige Anführer läßt sich die Augen verbinden. „Wo ist mein Löffel?” brüllt er und greift den gereichten Baseballschläger. Er dreht sich. Macht einen Schritt nach vorne. Schwenkt suchend seine Keule durch die Luft, streift ein parkendes Auto, trümmert darauflos. Als er den Fünfzehnjährigen erwischt, krachen die Hiebe, bis der Junge unter dem Eimer reglos am Boden liegt. „Topfschlagen”, nennt die Bande das - eine Szene aus dem neuen Detlev-Buck-Film mit dem programmatischen Titel „Knallhart”, der am Donnerstag in die Kinos kommt.
Alltag entlang der Karl-Marx-Straße
Wenn die Polizei in Berlin morgen ihre Kriminalstatistik für das Jahr 2005 vorstellt, lautet der vielleicht wichtigste Befund: Die Gewaltkriminalität nimmt ab. Erstmals seit den späten Neunzigern ist die Zahl der sogenannten Roheitsdelikte unter Jugendlichen gesunken. Schon im voraus hat der Polizeipräsident von einer Trendwende gesprochen und die neue Konsequenz im Umgang mit minderjährigen Straftätern gerühmt.
„Ein heftiger Februar”
An der Lage in einem Stadtteil wie Neukölln jedoch ändert dieser Wandel zunächst nicht viel. Im Dezember erstach ein angetrunkener Achtzehnjähriger im Bus einen Gleichaltrigen, weil der sich schützend vor seine Freundin gestellt hatte. Im Januar griffen am Richardplatz dreißig mit Knüppeln bewaffnete Jugendliche fünf Schüler an. Und Rainer Noack, Leiter des Kommissariats Jugendgruppengewalt unter anderem im Bezirk Neukölln, sagt: „Wir hatten einen heftigen Februar.” Mehr als hundert registrierte Raubtaten in gerade mal vier Wochen, dazu knapp vierzig Fälle von gefährlicher Körperverletzung, Kreuzberg inklusive. „Das war relativ viel”, sagt Noack.
Dabei ist der Mann so einiges gewohnt. Mit ausgebeulten Jeans und Kapuzensweatjacke ähnelt der 43 Jahre alte Kriminalhauptkommissar weniger einem uniformierten Staatsbeamten als der eigenen Klientel: Jugendlichen, wie sie der Buck-Film erfindet und von denen Noack weiß, daß sie in Wirklichkeit oft aus kinderreichen Familien stammen, die in zweieinhalb Zimmern in der Neuköllner Altstadt hausen. Wohnzimmer, Elternschlafkammer plus der Raum, in dem tagsüber sechs Matratzen für die Geschwister hochgeklappt werden. Während die ausländischen Mädchen nach der Schule nach Hause müssen, sind die Jungs unterwegs, solange irgend geht. Noack sagt: „Die haben die Straße.”
Gerüchte von Massenschlägereien
Vergangenen Dienstag abend wurden zwei dieser Halbstarken gefaßt, die eine Serie von Überfällen begangen haben sollen. Ein kleiner Dicker und ein langer Dünner „sitzen jetzt in der Zelle, machen einen auf beleidigt und wollen nichts sagen”, so Noack. Am Mittwoch schon sind die Beamten bei den Opfern und legen Fotos vor, die Täter werden eindeutig identifiziert. Einer der Jungen pflegte sich eine grobgliedrige Kette um die Hand zu wickeln, bevor er seinem Opfer das Gesicht zerschlug. Am Donnerstag dann, mittags um zwölf, sind die Spezialisten des Kommissariats gleich zu zwei Schulen unterwegs, weil Gerüchte von geplanten Massenschlägereien die Runde machen.
„Neukölln rockt” - der Aufkleber, der die Filmplakate entlang der Karl-Marx-Straße ziert und zur Premierenparty von „Knallhart” lädt, zeugt von merkwürdigem Lokalstolz. Natürlich ist ein Spielfilm Fiktion und Neukölln als Handlungsort nur Chiffre für ein gewisses Großstadtmilieu, das überall denkbar ist. Neukölln ist auch nicht die deutsche Bronx, wie der „Spiegel” einst schrieb, während verantwortungsbewußte Politiker, Polizisten und Sozialarbeiter predigen, daß die Gewalttäter bei einer Population von 300.000 Menschen eine verschwindend kleine Gruppe darstellten. Auch die Jugend dürfe man nicht insgesamt unter Generalverdacht stellen.
Die Branche wechseln
Zugleich jedoch leben in Neukölln mehr Arbeitslose, Ausländer und Sozialleistungsempfänger als anderswo. Und der Film, der eine Spur zu gradlinig die Geschichte eines weichgesichtigen deutschen Jungen erzählt, der vom Opfer zum Täter wird, kommt in seinen Details der Realität sehr nah. Ja, es gibt Schüler, die von Klassenkameraden erpreßt werden, bis sie sich nicht mehr in die Schule trauen. Es gibt Jungs, die andere Jugendliche „um die Ecke nehmen” - sprich: zusammenschlagen -, um sich mit ihrer Stärke und Brutalität vor der eigenen Crew zu profilieren. Und da sind die jungen Männer, die der Zuständigkeit des Kommissariats Jugendgruppengewalt entwachsen sind und „die Branche wechseln”, wie Rainer Noack sagt. Denn wer mit den Jahren begriffen hat, daß ein Wohnungseinbruch nur ein Vergehen ist, während das jugendübliche, weniger lukrative „Abziehen” von Handys als Raub geahndet und viel schwerer bestraft wird, sattelt irgendwann um.
So lange aber schlagen die Jugendlichen die Zeit auf der Straße tot und schauen den Mädchen hinterher. Mit der U-Bahn-Linie 7, die sich wie eine Hauptschlagader einmal längs durch den Stadtteil zieht, pendeln sie in Grüppchen von Nord nach Süd und wieder zurück. Irgendwo muß doch etwas los sein. Gegen Abend sind die Gropius-Passagen ein beliebter Aufenthaltsort, jedenfalls jetzt, da es in den Grünanlagen noch so unwirtlich ist. Vor den Glastüren des gigantischen Einkaufszentrums, dem Sicherheitspersonal ein Stück entzogen, stehen, schubsen, feixen ein paar junge Araber und Türken herum, ein Pole ist auch dabei. Wenn man sie auf das Thema Jugendgewalt anspricht und glaubhaft von der Presse kommt, plustern sich die Jugendlichen auf. „Soll ich Ihnen zeigen, wie man klaut?” fragt der Kleinste, ein Dreizehnjähriger mit Sommersprossen und Kinderlachen. Er zieht eine silberne Halskette aus der Tasche, von der er behauptet, sie heute erst einem anderen abgenommen zu haben. „Und wenn der was macht, verpaßt du ihm einfach eine!” Er deutet einen Schlag an, einen „Box”, wie sie hier sagen, eine „Bombe”. Als plötzlich sein großer Bruder die Rolltreppe heraufkommt, flüchtet der Kleine um die Ecke.
Kreuzberg gegen Neukölln
Auf ihren Fotohandys haben sie Bilder gespeichert, auf denen sie selbst ein Messer in der Hand halten oder breitbeinig posieren, außerdem ist da dieser Film aus dem Volkspark Hasenheide: Zwei Gruppen, etwa doppelte Klassenstärke, rennen aufeinander zu und verkeilen sich, bis die eine Seite abzieht. Die Jungs überschlagen sich vor Aufregung: „Das war Kreuzberg gegen Neukölln.”
Zwei Deutschtürken, die vor dem S-Bahnhof Neukölln herumlungern, erklären, worauf es ankommt. Erhan sagt: „Man muß respektiert werden. Aber das ist schwer. Wenn du in einer Gegend berühmt werden willst, mußt du schon dafür sorgen, daß dein Name berühmt wird.” Das gehe am besten, indem andere von den eigenen Großtaten berichteten, von Schlägereien vielleicht. „Wenn man nicht mitmacht, wird man als Loser bezeichnet”, sagt der Achtzehnjährige, und sein Freund Umut ergänzt: „Damit ihre Ehre hochgeht, stechen die einen ab.” Mit der ständigen Abzieherei sei es ähnlich. „Wegen den Freunden macht man's eigentlich. Um zu beweisen, daß man's drauf hat.”
Ethnisch gemischte Gangs
Das ist alles im Prinzip bekannt. Aber es gibt neue Entwicklungen in der Welt der Jugendgewalt und so etwas wie Modeerscheinungen. Die Banden von heute zum Beispiel, die sich nach der Gegend benennen, in der die Mitglieder wohnen, sind weniger straff organisiert und ethnisch gemischter als die Gangs der späten Achtziger, die auch durch gemeinschaftliche Embleme auffielen. Es gibt weniger Einzelkämpfe und mehr Gehaue im Rudel, wovon die Polizei nur gelegentlich erfährt. „Mannbarkeitsrituale”, schnaubt Rainer Noack, „völlig normal.” Typischstes Phänomen der Gegenwart: Myriaden winziger, loser Grüppchen, die spontan einen Raub begehen, weil sich gerade die Gelegenheit bietet. In den Schulferien sinken die Fallzahlen. Dann sind viele potentielle Opfer verreist.
Die Qualität der Gewalt erschreckt bisweilen auch die Polizei. In der Altstadt wird das Schmerzmittel Tilidin seit knapp vier Jahren als Modedroge gehandelt, was die Brutalität ins Unermeßliche steigert, weil im Rausch keine Verletzung mehr weh tut. Zur Zeit, sagt Noack, seien Totschläger im Kommen, dreigliedrige schlanke Knüppel, die zusammengeschoben im Ärmel verschwinden. Messer sind in. Nachdem das neue Waffengesetz die alten Butterfly- und Springmesser verboten hatte, waren die Jugendlichen zunächst mit rasierklingenscharfen Teppichschneidern unterwegs. Noack sagt: „Irgendwann hat auch die Polizei begriffen, daß die nicht alle Auszubildene im Teppichgewerbe waren.” Jetzt sind Küchenmesser verbreitet, Kartoffelschälmesser, Brotmesser, Schlachtermesser.
Im Knast werden sie nicht besser
Die größten Sorgen jedoch bereiten der Berliner Polizei die sogenannten Intensivtäter, das Gros davon aus den Stadtteilen Mitte, Nord und - natürlich - Neukölln. Das sind derzeit 480 gewaltbereite Jugendliche, die zunächst wie andere in der Gruppe randaliert, geprügelt, geraubt haben, aber das so oft und so schwer, daß sie seit 2003 in einer speziellen Kartei landen. Dadurch kommen sie schneller vor den Richter und früher in Haft. Aber eine Lösung, sagt Susanne Bauer, Präventionsbeauftragte der Berliner Polizei, sei das nicht. „Wir wissen alle, im Knast werden sie nicht besser. Und so schlimm die sind - man darf die nicht verteufeln. Sonst haben die keine Chance mehr. Wir können die ja nicht alle einsperren für ihr Leben.”
Der Junge zum Beispiel, der allein an der Glaspforte der Gropius-Passagen lehnt, ist doch erst Zwanzig. Er ist klein, fast ein bißchen schmächtig, und hat so schöne, dunkle, sanfte Augen. Er war den klassischen Weg der Jungkriminellen gegangen. Dann hat er in einer Disko zugestochen. Ins Herz, sagt er. Warum? „Ist halt so passiert.” Drei Jahre und drei Monate sitzt er jetzt im Gefängnis, versuchter Totschlag. Heute hat er Freigang. Sein Blick weicht aus. Er wartet auf seine Freundin.
Nächste Woche: Jugendgewalt in Neukölln Teil II - Die allgemeine Verrohung nimmt zu
Text: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 05.03.2006, Nr. 9 / Seite 61
Bildmaterial: F.A.Z.-Matthias Lüdecke
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@susanne bauer 05.03.2006, 18:00
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Zeitpunkt: 06.03.06 01:20
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