Die russischen Spezialeinheiten haben bei der Geiselbefreiung in Moskau vermutlich das Narkosegas Halothan eingesetzt. Münchner Gerichtsmediziner wiesen die Substanz bei einer der deutschen Geiseln nach.
Geiselnahme in Moskau: Ein Soldat trägt die Leiche einer Geisel aus dem Theater München - Das gängige Narkosemittel habe sich im Blut und im Urin einer der beiden deutschen Geiseln befunden, sagten die Mediziner Thomas Zilker und Ludwig von Meyer am Mittwoch in München. Sie gehen davon aus, dass bei der Befreiungsaktion außer Halothan noch ein zweites, nicht bekanntes Mittel eingesetzt wurde. Zilker vermutet, dass zur schnelleren Verbreitung des Narkosemittels ein so genanntes Treibgas benutzt wurde. Zudem sei das Halothan in einer "irrwitzigen Dosis" in das Theater geleitet worden. Auch nach Einschätzung von Eberhard Kochs, Chef-Anästhesist am Münchner Klinikum rechts der Isar, kam bei der Geiselbefreiung mehr als nur Halothan zum Einsatz. Das Mittel allein sei nicht geeignet, um in einem so großen Saal wie dem des Moskauer Theaters eine hohe Anzahl von Menschen schnell zu betäuben.
Halothan ist ein stark und schnell wirkendes, muskelentspannendes und blutdrucksenkendes Narkosemittel. Beim Einatmen besteht die Gefahr von Leberschädigung, Atemdepression, Herzmuskelschwäche, Verlangsamung der Herzfrequenz und Blutdruckabfall, weshalb das Mittel in der Medizin nach und nach ersetzt wird.
Die beiden deutschen Geiseln, eine 18-jährige Schülerin aus der Nähe von Würzburg und ein 43 Jahre alter Geschäftsmann aus Filderstadt, waren nach ihrer Befreiung aus dem Moskauer Nord-Ost-Musicaltheater in München weiterbehandelt worden. Am Montagabend konnten sie das Krankenhaus verlassen.
In den vergangenen Tagen hatte es unterschiedliche Vermutungen über die Art des verwendeten Gases gegeben. US-Experten gingen davon aus, dass es Opiate enthielt, während britische Mediziner nicht ausschlossen, dass es sich um das Nervengas BZ handelte. Die russischen Behörden hatten trotz Anfragen mehrerer Botschaften keine Angaben zur Art des Gases gemacht.
Nachrichtenagenturen berichteten unter Berufung auf russische Gesundheitsbehörden, derzeit würden noch 245 befreite Geiseln in Krankenhäusern behandelt. 16 befänden sich in einem kritischen Zustand. Nach jüngsten offiziellen Angaben kamen 119 Geiseln ums Leben.
Am Mittwoch wurden in Moskau weitere Opfer der Geiselnahme beigesetzt. Unter ihnen waren zwei Kinder, die zu den Akteuren des Musical-Theaters gehörten, das vor einer Woche von tschetschenischen Geiselnehmern gestürmt worden war.
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