Bye-bye, Genfer KonventionenDie Bush-Regierung will US-Sicherheitskräfte vor Strafverfolgung schützen BERLIN taz Die Regierung von Präsident George W. Bush plant, das US-amerikanische Kriegsverbrechergesetz zu verändern. Einem Bericht der Washington Post von gestern zufolge würden nach dem Entwurf zukünftig Gefängnisaufseher und Verhörbeamte vor Anklagen wegen beleidigenden und erniedrigenden Verhaltens gegenüber Kriegsgefangenen geschützt. Die Zeitung hatte keinen Zugang zu den Entwürfen selbst, beruft sich aber auf anonyme Quellen aus der Regierung. Demnach würde das Kriegsverbrechergesetz von 1996 stark eingeschränkt werden. Das Gesetz stellt Verstöße gegen die Genfer Konventionen auch nach US-Recht unter Strafe. Wenn die neuen Änderungen Rechtskraft erlangen würden, blieben nur zehn spezifische Kategorien, einschließlich Mord, Vergewaltigung, physischer und sexueller Folter und Geiselnahme, klar verboten. Namentlich von der Liste strafbarer Handlungen gestrichen wäre, was die Genfer Konvention über die Behandlung von Kriegsgefangenen im Artikel 3(c) "Beeinträchtigung der persönlichen Würde, namentlich erniedrigende und entwürdigende Behandlung" nennt. Viele jener Misshandlungen, die auf den Fotos aus dem Abu-Ghraib-Gefängnis zu sehen waren, wären nicht mehr verboten. Schon seit Jahren beklagt die Regierung, dass die Bestimmungen des Artikel 3(c) zu unbestimmt wären. Am Mittwoch vergangener Woche beklagte Justizminister Alberto Gonzales vor dem Verteidigungsausschuss des Senats, dass die Verfolgungsandrohung für die Streitkräfte ohne eine genauere Definition "eine nicht zu akzeptierende Unsicherheit" bedeute. Er schlug vor, dass der Kongress eine Liste bestimmter strafbarer Vergehen verabschieden sollte. Obwohl bislang noch kein US-Amerikaner nach dem Kriegsverbrechergesetz angeklagt worden ist, sind nach dem jüngsten Urteil des Obersten Gerichtshofes über die Unzulässigkeit der geplanten Militärtribunale gegen Terrorverdächtige die Sorgen der Streitkräfte gestiegen. Daraufhin hat die Regierung drei Gesetzesvorlagen lanciert, um die Sicherheitskräfte vor Verfolgung zu schützen: Neben den Veränderungen des Kriegsverbrechergesetzes möchte sie die Möglichkeit der Guantánamo-Gefangenen einschränken, ihre Rechte nach den Genfer Konventionen einzuklagen. Und in der Abwägung zwischen Menschenrechten und Sicherheitsinteressen soll die Liste zugelassener Verhörtechniken deutlich ausgeweitet werden. MATT HERMANN taz vom 10.8.2006 |