Geldmarkt Die Banken misstrauen einander immer noch Von Benedikt Fehr 30. August 2007 An den internationalen Geld- und Kreditmärkten herrschen weiterhin große Nervosität und großes Misstrauen. Rund um den Globus zögern die Banken, einander am Geldmarkt Kredite zu gewähren. Es wird befürchtet, dass nach IKB Deutsche Industriebank und Sachsen LB kurzfristig weitere Finanzhäuser in Schwierigkeiten geraten könnten. Für Unsicherheit sorgen dabei nicht nur die amerikanischen Hypothekenkredite mit schlechter Bonität, sondern zum Beispiel auch die steigenden Ausfälle von Kreditkartenschulden und die Verluste, die Hedge-Fonds mit Zinswährungsgeschäften (Carry Trades) erlitten haben dürften - und in der Folge womöglich die kreditgebenden Banken, die sogenannten Prime Broker. Als Folge des Misstrauens der Banken untereinander schwankt der Zinssatz für eintägige Kredite (Tagesgeld) in letzter Zeit ungewöhnlich stark; gleichzeitig liegt der Zins für Dreimonatskredite ungewöhnlich weit über dem Tagesgeldzins - weil kaum eine Bank für solch lange Zeit Geld ausleihen will. In den Vereinigten Staaten flüchten sich viele Investoren in die Sicherheit kurzlaufender Staatspapiere, was deren Renditen hat absacken lassen (siehe Graphik). In England wurden bei der Zentralbank am Donnerstag „Notkredite“ im Volumen von 1,6 Milliarden Pfund zum Zinssatz von 6,75 Prozent aufgenommen. Welche Bank diese Kreditlinie gezogen hat, wurde nicht bekannt. Nachfrage nach längerlaufender Liquidität Auch am Donnerstag schürten schlechte Nachrichten und sorgenvolle Prognosen die allgemeine Unsicherheit. So beantragte der australische Hedge-Fonds Basis Yield Alpha, der schon seit geraumer Zeit als angeschlagen galt, nun Gläubigerschutz. Begründet wurde dies mit Verlusten aufgrund der Ausfälle amerikanischer Hypothekenkredite. An den Märkten wird befürchtet, dass weitere Hedge-Fonds mit ähnlichen Anlagestrategien ebenfalls in Schwierigkeiten stecken. Sollten sie sich gezwungen sehen, zur Beschaffung von Liquidität Vermögenswerte zu verkaufen, könnte dies die Kurse von Spezialanleihen, aber auch von Aktien und anderen Wertpapieren, unter Druck bringen. Die Europäische Zentralbank hat am Donnerstag ein auslaufendes Refinanzierungsgeschäft mit einer Laufzeit von drei Monaten über 50 Milliarden Euro durch ein Geschäft in gleichem Umfang erneuert. Bei der Auktion betrug der durchschnittliche Zinssatz 4,62 Prozent. Die Banken hatten Gebote im Rekordvolumen von rund 120 Milliarden Euro abgegeben. Darin spiegelt sich die große Nachfrage nach längerlaufender Liquidität. Im Interbankenhandel wurde für Dreimonatsgeld am Donnerstag rund 4,7 Prozent gezahlt. Mit der Aufnahme der Conduits wieder mehr Risiken Dabei spielt auch eine Rolle, dass der Markt für aktivabesicherte kurzlaufende Wertpapiere (Asset Backed Commercial Paper, ABCP) im Zuge der Vertrauenskrise weitgehend ausgetrocknet ist. Viele ABCP-Zweckgesellschaften („Conduits“) haben deshalb in letzter Zeit in großem Stil Kreditlinien gezogen, die ihnen Banken gewährt hatten. In vielen Fällen müssen die Banken die Conduits nun auf ihre eigenen Bücher nehmen und selbst refinanzieren. Das ist einer der Gründe für die starke Nachfrage nach Dreimonatsgeld. Zum Teil geschehe dies darüber hinaus schon durch verstärkte Emission von Bankschuldverschreibungen, berichtet ein Fachmann. Ziel sei, die langfristigen Aktiva der bisherigen Conduits fristgerecht - also ebenfalls möglich langfristig - zu finanzieren. Dieser Umfinanzierungsprozess dürfte aber noch Wochen dauern - und so lange dürften die Verspannungen am Geldmarkt wohl auch noch anhalten. Der Markt für ABCP-Programme wird global auf rund 800 Milliarden Euro veranschlagt. Rund um den Globus hätten die Banken vermutlich schon rund die Hälfte davon auf die eigenen Bilanzen genommen, schätzt ein hochgestellter Fachmann in Frankfurt. Weil die Banken durch Aufnahme der Conduits nun wieder mehr Risiken in ihren Büchern halten, sinkt das Verhältnis von Risikoaktiva und dem von den Aufsichtsbehörden vorgeschriebenen Kernkapital. Merrill Lynch geht davon aus, dass die Kernkapitalquote bei den großen europäischen Banken im Durchschnitt von 8,4 auf 7,8 Prozent abnehmen wird. Dies sei unbedenklich, meint Merrill Lynch. Allerdings könnten einige Banken, darunter die Deutsche Bank, HBOS, Credit Suisse und UBS, mit Blick auf den Eigenkapitalbedarf ihre angekündigten Aktienrückkäufe beschneiden. Das würde auf geringere Nachfrage nach diesen Aktien hinauslaufen und könnte deren Kursentwicklung bremsen. Text: F.A.Z. Bildmaterial: F.A.Z. www.faz.net |