Der Deutschen Bank läuft die Zeit davon
Die Aktionäre verlieren die Geduld. Der Aktienkurs ist wieder deutlich gesunken. Der neue Vorstandschef Cryan muss endlich Details zur Strategie liefern - und gleichzeitig drohen neue Affären die Bilanz zu belasten. 11.09.2015, von Markus Frühauf
Der Aufsichtsrat der Deutschen Bank schnuppert Höhenluft. Am Donnerstag hat das strategische Treffen am Tegernsee begonnen, das am Samstag enden wird. Rund 900 Meter über dem See wird der Vorstandsvorsitzende John Cryan dem Kontrollgremium seine strategischen Pläne vorstellen. Manch ein Aufsichtsratsmitglied witterte im Vorfeld gar eine „weitere intergalaktische Folienschlacht“. Im Kontrollgremium mit seinem Vorsitzenden Paul Achleitner ist die Geduld etwas strapaziert. Das liegt nicht nur an dem Rücktritt des Ko-Vorstandsvorsitzenden Anshu Jain. Die Anteilseigner werden nervöser und erhöhen den Druck. Denn mit der Aktie konnten sie schon länger nicht mehr Höhenluft schnuppern.
Der deutliche Kursgewinn mit dem Wechsel von Jain zu Cryan ist längst verpufft. Am Donnerstag gab die Aktie um 1,5 Prozent auf 25,87 Euro nach. In den vergangenen vier Wochen ist der Aktienkurs um gut 16 Prozent gesunken, das ist deutlich mehr als Konkurrenten wie Goldman Sachs oder JP Morgan (jeweils minus 10 Prozent) verzeichnen mussten. Schon seit langer Zeit kann die Deutsche Bank mit ihrem Börsenwert nicht mehr vorne mitspielen. Mit einer Marktkapitalisierung von 35,6 Milliarden Euro liegt sie in der Weltrangliste auf Rang 48. In Europa reicht es noch zum 14. Platz. Das ist so, als ob der FC Bayern in der Champions League im Achtelfinale ausscheidet.
Alte Affären belasten Vorstand
Die Investoren dürsten nach den strategischen Details, aber bei der Deutschen Bank herrscht Stillstand. Manche Führungskraft befürchtet gar, dass sich Cryan zu tief in die Dinge einarbeitet. Dann besteht die Gefahr, dass sich der Brite verheddern könnte. Auf der Aufsichtsratssitzung in New York Ende Juli konnte Cryan Mitglieder des Gremiums mit seinem Wissen zum Zustand der IT-Systeme überzeugen. Das Urteil fiel aber ernüchternd aus, denn die IT gilt als veraltet.
Noch immer ist unbekannt, wie die Bank die noch von Jain und dem bis Mai 2016 amtierenden Ko-Vorstandsvorsitzenden Jürgen Fitschen erarbeitete Strategie umsetzen will. Die wurde Mitte April präsentiert, aber danach überschlugen sich die Ereignisse. Denn Jain stolperte endgültig über die zahlreichen Rechtsskandale, die dem früher von ihm geleiteten Investmentbanking anzulasten sind. Die Aufarbeitung der Affäre um die Manipulation von Interbankenzinsen (Libor) belastet auch Vorstandsmitglieder wie Stephan Leithner, Stefan Krause, Henry Ritchotte und Stuart Lewis. Unterhalb des Gremiums steht auch der Chef der Vermögensverwaltung, der lange Zeit als Hoffnungsträger geltende Michele Faissola unter Druck. Sie alle werden in einem Schreiben der Finanzaufsicht Bafin scharf kritisiert und gelten als angezählt. Unter den institutionellen Anteilseignern fordern einige einen umfassenden Neuanfang, auch im Vorstand. Cryan sollte die Seilschaften seines Vorgängers Jain („Anshu’s Army“) kappen. Das dürfte manchen Aufsichtsräten, dazu zählt wohl auch Achleitner, zu weit gehen. Denn Jains Gefolgsleute wie Ritchotte, Faissola oder Colin Fan, Ko-Chef des Investmentbankings, nehmen Schlüsselpositionen ein. Wenn sie gehen, könnten noch viele mehr folgen, lautet die Befürchtung. Enttäuschte Aktionäre halten dagegen, dass die Chancen, einen üppig bezahlten Arbeitsplatz im Investmentbanking zu wechseln, längst nicht mehr so gut sind wie noch vor der Finanzkrise.
Fragwürdige Rolle im russischen Geldwäscheskandal
Das alles erklärt den Stillstand, doch bis Ende Oktober hat Cryan die strategischen Details angekündigt. Die wichtigste Frage der Aktionäre hat er schon nach den Zahlen zum zweiten Quartal Ende Juli beantwortet: Eine Kapitalerhöhung soll vermieden werden. Die dürfte der Bank schwerfallen, weil die beiden letzten Kapitalerhöhungen von 11,5 Milliarden Euro inzwischen dem Betrag entsprechen, der für Strafen aufgewendet werden musste. Cryan will die Bilanz verringern, um so Kapital freizusetzen.
So dürfte im Investmentbanking ein Geschäftsvolumen von 130 bis 150 Milliarden Euro gestrichen werden, was vor allem die für Cryan zu kostspieligen Positionen im Wertpapierhandel betreffen dürften. Dass Handelschef Fan derzeit in dem Geldwäscheskandal in der Moskauer Niederlassung eine nicht ganz so glückliche Rolle spielt, kann dabei hilfreich sein. Denn die fragwürdigen Gelder sollen über Wertpapiertransaktionen in London gewaschen worden sein, also dort, wo Fan der Chef ist. Neben Kapital sind die zu hohen Kosten das Problem, das Analysten beschäftigt. Die zusätzlichen Kosteneinsparungen von 3,5 Milliarden Euro im Jahr lassen einen Abbau von 10.000 Stellen erwarten. Davon dürfte vor allem das Privatkundengeschäft betroffen sein, wo 200 der insgesamt 750 Filialen geschlossen werden und der Übergang in das digitale Zeitalter überfällig ist. Die Sparte wird von Jains Gefolgsleuten als Problembereich beschrieben. Ihrer Ansicht nach ist die Entwicklung enttäuschend, weil das Ergebnis der Sparte in den vergangenen Jahren sehr stark von der guten Entwicklung der 20-Prozent-Beteiligung an der Hua Xia Bank profitiert habe. Nicht nur die Postbank steht zum Verkauf, sondern auch der Hua-Xia-Anteil.
Den Schwarzen Peter sind die Investmentbanker aber längst nicht los. Sie sind weiterhin mit Rechtsrisiken konfrontiert. Für den Geldwäscheskandal in Russland sind noch keine Rückstellungen gebildet worden. Die Vorsorgen von 3,8 Milliarden Euro dienen insbesondere für amerikanische Hypothekenanleihen, die mit faulen Immobilienkrediten unterlegt waren. JP Morgan erwartet weitere Kosten für Rechtsrisiken von 2,7 Milliarden Euro. Berenberg schätzt die Kapitallücke wegen Strafen, für die noch nicht vorgesorgt wurde, sowie aufsichtsrechtlicher Vorgaben auf 4 Milliarden Euro. Berenberg und JP Morgan hoffen nun auf Einzelheiten zur Strategie, vor allem zu den Kosteneinsparungen. Dann wäre auch ein höherer Aktienkurs möglich.
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