In den frühen 2010er-Jahren, als der weltweite Fokus sich zunehmend auf nachhaltige Energiequellen richtete, gerieten fossile Energieträger unter Druck. Besonders für die Ölindustrie stellte sich die Frage: Wie lässt sich das eigene Geschäftsmodell in eine „grüne“ Zukunft retten? Statt sich vollständig auf erneuerbare Energien einzulassen, entwickelte die Öllobby eine Strategie, um ihre milliardenschwere Infrastruktur – bestehend aus Pipelines, Tankstellen, Verteilzentren und Raffinerien – weiterhin nutzen zu können. Die Lösung: Wasserstoff. Genauer gesagt, grauer und blauer Wasserstoff, der aus Erdgas oder mithilfe fossiler Energie erzeugt wird.
In gut inszenierten PR-Kampagnen wurde Wasserstoff als Allheilmittel der Energiewende dargestellt – emissionsfrei, speicherbar, vielseitig einsetzbar. Dabei verschwieg man oft, dass die Herstellung von Wasserstoff in den meisten Fällen alles andere als klimafreundlich war. Doch das Narrativ war geboren: Wasserstoff als „Energie der Zukunft“.
In diesem Umfeld wurde die norwegische Firma Nel ASA, ein Anbieter von Elektrolysetechnologie, plötzlich zum Liebling der Wasserstoff-Fantasie. Obwohl das Unternehmen seit Jahren Verluste schrieb und kaum relevante Marktanteile vorweisen konnte, galt es nun als Pionier der sauberen Wasserstoffproduktion mittels Elektrolyse.
Getrieben von der Hoffnung, dass Wasserstoff die Welt retten und Nel eine zentrale Rolle spielen würde, begannen Privatanleger – oft ohne tieferes Verständnis für Technologie oder Geschäftsmodelle – die Aktie in die Höhe zu treiben. Influencer, vermeintliche Börsengurus und Youtuber überschlugen sich in ihren Prognosen, während die Aktie zwischenzeitlich Kurse von über 3 Euro erreichte – bei völlig fehlender Profitabilität.
Doch das Fundament dieser Kursrallye war brüchig. Die versprochenen Großaufträge blieben aus oder wurden verschoben. Skaleneffekte stellten sich nicht ein, Produktionskosten blieben hoch, und der reale Einsatz von Wasserstoff – insbesondere im Verkehrssektor – entwickelte sich viel langsamer als prognostiziert.
Zudem begannen immer mehr Experten die fragwürdige Klimabilanz und Ineffizienz vieler Wasserstoffanwendungen zu hinterfragen. Die Realität holte das Narrativ ein. Nel blieb chronisch defizitär. Kapitalerhöhungen, Verwässerung, Reversesplits wurden realistische Szenarien. Und die Aktie? Sie fiel tief. Viele der euphorisierten Anleger erlebten den schmerzhaften Absturz ihrer „grünen Hoffnung“ – einige haben bis heute nicht verkauft, in der Hoffnung, dass das Wunder doch noch eintritt.
Die Geschichte der Nel-Aktie ist ein Paradebeispiel für die gefährliche Mischung aus Lobbyismus, grüner PR und Anlegernaivität. Ein Unternehmen ohne profitables Geschäftsmodell wurde zur Projektionsfläche für eine ganze Industrie – und fiel am Ende der Realität zum Opfer. Wer nicht rechtzeitig ausgestiegen ist, hat teures Lehrgeld bezahlt. |