von Jochen Steffens Der Ölpreis hat sein charttechnisches Potenzial genau (!) ausgeschöpft: 
Am Donnerstag erreichte er sein bisheriges Hoch von 135,075 Dollar. Anschließend sackten die Kurse weg. Am Freitag kam es zu einem neuen Anlauf, doch dieser schaffte die Marke nicht mehr, es bildete sich ein kleines Lower High (niedrigeres Hoch), welches als erstes Warnzeichen anzusehen ist. Der typische FehlerViele Trader machen, wenn eine solche charttechnische Marke erreicht wurde, den Fehler, zu glauben dies „müsse“ nun das Top sein. Nein, es geht zunächst nur darum, dass der Ölpreis aus charttechnischer Sicht das Potenzial hatte, bis zu dieser Marke zu laufen. Diese Potenzial wurde nun ausgeschöpft, was danach kommt, ist aus dieser charttechnischen Konstellation nicht abzuleiten! Erst in zweiter Instanz bleibt die Beobachtung, dass sich an derart speziellen Marken oft ein vorübergehendes Hoch ausbildet oder zumindest eine Konsolidierung eingeleitet wird. Zu großer AktionismusJetzt blind den Ölpreis massiv zu shorten, wäre ein Fehler, ein typischer Anfängerfehler, dem viele Anleger immer wieder unterliegen. Dahinter steht der Gedanke: „Jetzt ist es schon so weit gelaufen, und es wurde auch noch ein entsprechendes charttechnisches Signal generiert, hier muss es doch zu stark fallenden Kursen kommen!“ Faktisch tradet man damit jedoch- „gegen“ einen unglaublich starken, mehrjährigen Trend. Das allein ist schon gefährlich genug.
- in einer „Übertreibungsphase“ auf die Gegenrichtung. Übertreibungsphasen haben jedoch die Angewohnheit, sich gerne jeder Prognose zu entziehen. Schließlich wird in solchen Phasen die Vernunft gerne durch die Gier verdrängt. Und aus der langen Geschichte der Menschheit wissen wir, dass die Gier des Menschen schier grenzenlos ist und nicht nur unglaubliche Entbehrungen möglich macht, sondern auch die eigene Unversehrtheit oft genug gefährdet.
Aus diesen Gründen sollte man eigentlich nur als sehr erfahrener Trader solche Trades mit größeren Summen wagen. Aber auch diese verbrennen sich ebenfalls reihenweise mit solchen aberwitzigen Aktionen die Finger. Ich erinnere mich in diesem Zusammenhang daran, wie viele meiner Kollegen 2007 verzweifelt versuchten, die VW-Aktie zu shorten und alle viel zu früh eingestiegen sind. Als sie dann wirklich einbrach, waren nur die wenigsten auf der Short-Seite profitabel investiert, die meisten hofften noch mit einem blauen Auge davon zu kommen. Klares Top abwarten - wann ist eine Blase am Ende?Tatsächlich muss man ein Top abwarten oder ein bestimmtes Signal, das einem sagt, so das war es jetzt. Natürlich wird man so auch immer wieder einen Einstieg verpassen, aber nicht gemachte Gewinne sind immer besser als realisierte Verluste. Ein wichtiger Hinweis für das "Ende" einer Blase ist gegeben, wenn sich erkennbar das (kurzfristige) Angebot immer mehr ausweitet, bis die Nachfrage diese extrem Angebotsausweitung nicht mehr aufsaugen kann (siehe Aktienemissionen Neuer Markt, Immobilienboom in den USA, etc). Eine zweite Möglichkeit ist, dass bei gleichbleibendem oder sogar leicht sinkenden Angebot die Nachfrage wegbricht. In beiden Fällen steigen die Kurse zunächst noch weiter, obwohl offenkundig ist, dass diese Kurse fundamental nicht mehr gerechtfertigt sind. Ob das beim Ölpreis zurzeit so ist, ist kaum zu klären. Es gibt zu viele sich auf das Äußerste widersprechende Meldungen zu diesem Thema. Tendenziell bleibt die Nachfrage hoch und das Angebot wächst nicht exponentiell, das kann man wohl festhalten. Wenn, erleben wir also nur eine Konsolidierung beim Ölpreis. Diese kann sich aber über Monate hinziehen und durchaus auch ausweiten. Noch ist aber gelichzeitig die Gefahr sehr hoch, dass die Kurse auch noch die 150 Dollar Marke sehen wollen. Generell sollten Sie demnach, wenn Sie schon versuchen einen solchen Trend zu shorten, mit kleinen Summen handeln, dabei einplanen, ein- oder zweimal aufzustocken, wenn es in die falsche Richtung läuft. Unbedingt von vornherein müssen Sie aber in Ihre Berechnung einbeziehen, dass der Trade auch zu einem Totalverlust werden kann. Insbesondere dann, wenn man gehebelt einsteigt. Allein dieser Gedanke wird bei vielen schon die eingesetzte Summe klein halten. Markt wird eventuell nachhinkenNehmen wir aber einmal an, es kommt nun zu einem Ölpreisrückgang, vielleicht sogar einem Einbruch, dann könnte es sein, dass der (Aktien-)Markt nach den ersten Kurssteigerungen im Zusammenhang mit dem sinkenden Ölpreis plötzlich und unerwartet nicht mehr weiter steigt. Dieses Phänomen hätte hauptsächlich zwei Ursachen:Zum einen steigen nach einem solchen Einbruch des Ölpreis mit entsprechender Aktienrally die Anleger aus Aktien aus, die nun befürchten müssen, dass es zu einer heftigen Gegenbewegung im Ölpreis kommen wird. Das sind die bekannten Gewinnmitnahmen. Zum anderen werden durch den hohen Ölpreis die US-Konjunkturdaten der nächsten Monate stark beeinflusst. Der jüngste Anstieg des Ölpreises ist meines Erachtens noch gar nicht richtig in den Zahlen zu erkennen, ganz besonders kann es noch bei den Inflationszahlen zu Überraschungen kommen. Hier wirken sich im Moment noch zwei Faktoren aus, die eine weitere Explosion der Inflation in den USA verhindern: Die meisten rezessiven Phasen, und in einer solchen befindet sich die US-Wirtschaft meiner Meinung nach, haben einen eher preisdämpfenden Charakter. Zudem sind die Konsumenten im Moment selber durch den Anstieg der Energiepreise belastet, so dass die monetären Ressourcen, die dem Konsum zur Verfügung steht, schrumpfen, was ebenfalls die Preisentwicklung dämpft. Zunehmende InflationsgefahrenSollte sich die US-Wirtschaft jedoch fangen, was gerade auch im Zusammenhang mit einem fallenden Ölpreis geschehen kann, würde Folgendes passieren: Die Verbraucher hätten bei sinkenden Energiepreisen wieder mehr Geld in der Tasche, um zu konsumieren und die anderen preisdämpfenden Faktoren im Zusammenhang mit der rezessiven Phase der US-Wirtschaft würden auch noch wegfallen. Damit bestünde die große Gefahr, dass die Inflation sprunghaft anzieht. Das wird die Fed verhindern müssen und mit entsprechend starken Zinsanhebungen reagieren, die sich wiederum belastend auf den Aktienmarkt auswirken würden. So könnte sogar der Ölpreis weiter fallen, ohne dass dies zu weiteren Kurssteigerungen am Aktienmarkt führen würde. Ich schätze, diese Befürchtungen haben die Fed veranlasst, von weiteren Zinssenkungen erst einmal abzusehen. Viele Grüße Jochen Steffens |