Von Bernd Niquet
Die Aktienkurse hängen zu jedem Zeitpunkt immer und ausschließlich nur von einer Beziehung ab: Ob es denjenigen, die Aktien haben, wichtiger ist, ihre Aktien zu verkaufen - oder nicht vielmehr denjenigen, die keine haben, welche zu kaufen. Alle anderen Größen wie Zinsen, Gewinne, Inflation, Geldmenge und was es sonst noch so alles gibt, sind in dieser Hinsicht bestenfalls zweitrangig. Sie können prinzipiell einen guten Einblick ins Geschehen geben, müssen dies aber nicht. Sie sind vielmehr teilweise sogar in der Lage, ganze Herden von Marktteilnehmern ins Boxhorn zu jagen.
Die Rolle der Fundamentaldaten
Die sogenannten "Fundamentals" spielen also im Zeitablauf eine sehr wechselnde Rolle: Ist es den Marktteilnehmern wichtiger, Aktien zu haben als keine, und sind die fundamentalen Daten gut, dann werden sie so wahrgenommen, wie sie sind. Sind sie hingegen schlecht, dann werden sie einfach umgedeutet. Dies haben wir im letzten Jahr sehr gut beobachten können, als bereits die Anwendung der Grundrechenarten jedem ein Warnsignal hätte geben müssen, dass die himmelstürmenden Gewinnprognosen früher oder später einfach nicht mehr zutreffen konnten. Doch da es einfach "in" war, reich zu werden und Aktien zu kaufen, wollte niemand diese Zeichen sehen.
Und so schwenkte der Markt schließlich um, bis es plötzlich "in" war, keine Aktien mehr zu haben. Die Fundamentals besserten sich zwar, die Zinsen sanken, die Inflation verschwand, doch gegen die Dringlichkeit der Aktienbesitzer, ihre Papiere wahllos auf den Markt zu werfen, konnten - und vor allem wollten - die potentiellen Aktienkäufer nicht angehen.
Die Rolle der Psychologie
Doch wem ist es heutzutage dringender, seine Geschäfte zu tätigen? Sitzen diejenigen mit einem hohen Bargeldbestand auf einem heißeren Stein als diejenigen, die derzeit die Aktien besitzen und sich immer noch die Wunden des letzten halben Jahres lecken?
Ich denke, der Markt pendelt derzeit um ein Gleichgewicht. Der Drang der Bullen und derjenige der Bären gleicht sich derzeit in etwa aus. Und wer wird als erstes seine Aktivitäten in voller Höhe wieder aufnehmen? Wenn uns keine Schreckensnachrichten aus der Wirtschaft bevorstehen, dann werden es mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit die Bullen sein.
Die Zukunft
Zwei Argumente habe ich hierfür - neben dem ganzen Zinsgewinninflations-Trara - anzuführen: Erstens fühlen sich Menschen generell wohler, wenn etwas gut geht als wenn es schlecht geht. Und zweitens: Weil es Engel gibt. Das klingt nun vielleicht auf den ersten Blick etwas eigenartig, ist es aber nicht: Denn in seiner neuesten Umfrage hat das Institut für Demoskopie in Allensbach herausgefunden, dass nahezu ein Drittel der Deutschen glauben, dass es Engel gibt. Wobei jeder Fünfte nach eigener Darstellung sogar einem derartigen Lichtwesen bereits selbst einmal begegnet sein will.
Warum ist dies nun wichtig für alle Börsianer? Man muss hierzu ganz einfach die beiden Punkte von eben zusammenbringen und schon hat man die Lösung: Wenn Menschen nämlich sowieso eher optimistisch als pessimistisch veranlagt sind, dann haben wir es an den Aktienmärkten immer mit einem positiven "Bias" zu tun. Das heißt: Neutrale Fakten werden tendenziell im Schnitt eher positiv als negativ ausgelegt.
Und wenn zudem tatsächlich zwei Drittel der Bevölkerung an Engel glauben, dann werden sie auch alles andere glauben. Konkret: Wenn die Banken nun bald wieder Pennystocks für harte Euro an den Markt bringen, dann werden ihnen die Leute erneut glauben. Wer an Engel glaubt, wird nämlich auch zahnlose Katzen als Tiger erkennen und hinter bösen Riesen nur Windmühlenflügel vermuten. Und das ist die beste Nachricht, die es überhaupt gibt für den Aktienmarkt. Denn sie sagt uns, dass alles gut werden wird.
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