Netzwerk mit Beiwerk: Wie der Smartbroker Botschaften der Neuen Rechten verbreitet
Der Smartbroker ist schnell gewachsen. Doch der Online-Dienst verschickt an seine Kunden ein
Magazin mit Verbindungen zur Neuen Rechten.
Was steckt dahinter?
der Smartbroker machte seinen Kunden zum Start Ende 2019 ein großes Versprechen: Online-Trading
solle für Privatpersonen so günstig und übersichtlich wie nie zuvor werden. Für Thomas K., der auf
der Suche nach einem neuen Online-Broker war, ein charmantes Angebot. Er habe seine Entscheidung
für den Smartbroker nicht bereut: Der Anmeldeprozess war einfach, und die Preise
sind schon sehr gut, sagt Thomas K.
Über 60 000 Nutzer zählte der Smartbroker, seit August verwaltet er über eine Milliarde Euro. Für die
Wallstreet Online AG, die sich an der Wallstreet Online Capital AG beteiligt, die wiederum den Smartbroker
betreibt, ist der Online-Broker ein echter Hoffnungsträger. Mit großem Einsatz versuchen sie sich in dem
wachsenden Markt zu behaupten, trotz starker Konkurrenten wie zum Beispiel Trade Republic.
Thomas K. erzählt, dass er die Mails, die er vom Smartbroker erhalte, meist nicht näher beachtet habe.
Als er eine Mail aber doch genauer in den Blick nahm, war er erstaunt: Der Smartbroker schenkt seinen
Kunden monatlich eine PDF-Ausgabe des Magazins Smart Investor.
Es wird angekündigt als Magazin für den kritischen Investor.
Zahlreiche Texte in der Zeitschrift lassen aufhorchen. So schreibt dort etwa der Vorsitzende des
Haushaltsausschusses und AfD-Bundestagsabgeordnete Peter Boehringer einen Gastbeitrag, der
sich gegen die Währungspolitik der EZB richtet. Weder aus dem Text noch aus dessen redaktioneller
Umrahmung geht aber hervor, welcher Partei Boehringer angehört.
Kooperation wird nicht transparent gemacht
In einer weiteren Ausgabe zweifelt der Chefredakteur des Magazins, Ralf Flierl, an der Gefährlichkeit
des Coronavirus. Er kommt zu dem Schluss: Nicht wir führen also die Menschen hinter die Fichte,
sondern Herr Drosten, Herr Wieler samt RKI und natürlich Merkel, Spahn Tramp; Co. Kritisch, so
wie das Magazin beworben wird, ist Flierl gegenüber jeglichem staatlichen Handeln.
Mit so etwas rechnet man nicht, wenn man sich einfach für einen Online-Broker anmelden will,
sagt Thomas K. dazu. Er arbeitet selbst in der Finanzbranche und bezeichnet sich als gut informiert.
Als er sich für den Smartbroker registrierte, wusste er aber nichts von der Verbindung zu dem Magazin.
Auch auf dem Internetauftritt des Smartbroker wird die Kooperation nicht transparent gemacht.
Hinweise auf die Zusammenarbeit finden sich hingegen bei der Wallstreet Online AG. Das Unternehmen
hat im vergangenen Jahr nicht nur den Smartbroker gestartet, sondern auch 90 Prozent des Verlags
übernommen, in dem der Smart Investor erscheint. Das Magazin war zu dem Zeitpunkt mit einer
Auflage von rund 5600 nicht sehr reichweitenstark.
Stefan Zmojda, Vorstandsvorsitzender der Wallstreet Online AG, teilt dazu auf Anfrage mit: Wir haben
uns für eine Beteiligung am ,Smart Investor entschieden, weil das Magazin dafür bekannt ist, dass die
Inhalte solide recherchiert und ansprechend aufbereitet sind. Man habe sich zudem einen finanziellen
Gewinn durch die seit Jahren erfolgreiche Zeitschrift erhofft.
Leitbild basiert auf Österreichischen Schule
Die Kooperation zwischen Broker und Magazin wurde dann im Frühjahr 2020 gestartet.
Smartbroker-Vorstand Thomas Soltau erklärte das Modell zu einer Win-win-Situation.
Auf Nachfrage teilt er mit, die kostenlosen Ausgaben seien als zeitlich befristetes Goodie
für Kunden gedacht gewesen, die wegen Corona lange auf ihre Kontoeröffnung warten
mussten. Soltau sagt, es sei für ihn deshalb auch nicht plausibel, die Kooperation im
Anmeldeprozess für den Broker transparent machen zu müssen.
Die Beispiele aus den jüngsten Ausgaben des Magazins fügen sich ein in dessen Leitbild, das
offen kommuniziert wird. Flierl und seine Co-Autoren orientieren sich an der volkswirtschaftlichen
Theorie der Österreichischen Schule, die von Friedrich August von Hayek mitgeprägt wurde. In den
Texten finden sich immer wieder Bezüge auf ihn und die Theorie. Flierl findet,
eine österreichische Welt wäre gerechter als die bestehende.
Der Wirtschaftshistoriker Till Düppe, der an der Université du Québec in Montréal forscht,
ist nicht überrascht von der Ausrichtung des Magazins. Für die Österreichische Schule und
deren radikale Anhänger würden wie für viele Vertreter der Neuen Rechte die gleichen
Prämissen in Bezug auf Markt und Staat gelten: Der Markt weiß es immer besser als
der Staat. Deswegen sehen die Anhänger der Österreichischen Schule staatliche Regulierung kritisch.
Nicht nur wirtschaftliche Regulierung, sondern allgemein politische. Krisen seien deshalb immer auf Staatsversagen,
nicht auf Marktversagen zurückzuführen.
Hinzu komme, so Düppe, dass aus der Österreichischen Schule ein Sozial-Chauvinismus abgeleitet
werden könne, der viele Rechte fasziniere. Typisch für die Anhänger sei auch die intransparente
Vorgehensweise. Die Anhänger der Österreichischen Schule sähen sich oft als eine Art Geheimgesellschaft,
die gut vernetzt sei und eher aus dem Hintergrund agiere. Die Idee, auch über Journalisten, Wissenschaftler
und weitere gesellschaftliche Akteure die vorherrschende Meinung und die Wirtschaftspolitik zu beeinflussen,
geht auf Hayek zurück und spiegelt sich in vielen liberalen Think Tanks wider, erklärt Düppe.
Flierls Netzwerk reicht noch weiter
In Deutschland ist einer der bekanntesten dieser Think Tanks die Friedrich A. von Hayek Gesellschaft.
2015 trat die damalige Vorsitzende Karen Horn zurück, weil sie sich besorgt zeigte, dass der Verein
zunehmend Demokratie und Pluralität zum Feindbild habe. In Folge verließen auch FDP-Chef Christian
Lindner und der Wirtschaftsweise Lars Feld die Gesellschaft. Übrig blieben AfD-Politiker wie Beatrix von Storch
und jener Peter Boehringer, der im Smart Investor einen Gastbeitrag veröffentlichte. Chefredakteur
Ralf Flierl steht in Verbindung mit Mitgliedern und Unterstützern der Hayek-Gesellschaft, auch als
Gastredner bei Clubabenden ist er aufgetreten.
Flierls Netzwerk reicht noch weiter: Er schreibt unter anderem für das Magazin Eigentümlich frei,
das die österreichische Politikwissenschaftlerin Natascha Strobl der Neuen Rechten zuordnet. Die
Expertin für Rechtsextremismus schreibt in einem Fachbeitrag, die Magazine dieser ideologischen
Strömung hätten gemein, dass sie von einem negativen Menschenbild ausgehen würden, das von
Ungleichheit und Ungleichwertigkeit geprägt ist.
Unter anderem mit Jürgen Elsässer, dem Chefredakteur des Magazins Compact, unternahm
Flierl 2012 eine Reise zum damaligen iranischen Präsidenten Mahmut Ahmadinedschad, einem
bekannten Holocaustleugner. In diesem Jahr schrieb Flierl einen Gastbeitrag für das Magazin
Compact. Dieses hat der Verfassungsschutz im März als Verdachtsfall eingestuft, weil es
revisionistische, verschwörungstheoretische und fremdenfeindliche Motive bediene,
so Verfassungsschutz-Chef Thomas Haldenwang.
Auf Anfrage des Tagesspiegels wollte Flierl sich weder zu Inhalten des Magazins noch zu seinen
Kontakten äußern. Flierl positioniert den Smart Investor nach seinen eigenen politischen Ansichten.
Ist es also glaubwürdig, dass niemand bei der Wallstreet Online AG vor der Übernahme Zweifel
am Magazin oder Chefredakteur äußerte?
Brandner, Boehringer, Münzenmaier AfD-Abgeordnete zu Vorsitzenden in drei Bundestagsausschüssen
gewählt Stefan Zmojda, der Vorstandsvorsitzende des Unternehmens, kommuniziert das so:
Er habe keinen Einblick in dieses Netzwerk, außerdem halte er es für gewagt, aus der Arbeit Flierls
eine politische Nähe zu bestimmten Gruppierungen abzuleiten. Sein Unternehmen fühle sich den
Anlegern verbunden, nicht einer Theorie wie der Österreichischen Schule, sagt Zmojda. Aber weder
er noch Smartbroker-Vorstand Thomas Soltau distanzieren sich klar von Flierls politischen Ansichten.
https://www.tagesspiegel.de/wirtschaft/...ten-verbreitet-4206358.html