Innenministerium Nordrhein-Westfalen
Neue Rechte: eine unterschätzte Gefahr Verfassungsschutz NRW legt Studie vor - Behrens: "Intellektueller Rechtsextremismus nicht weniger bedrohlich als Gewalttäter Düsseldorf, 25.04.2003 Die "Neue Rechte" in Deutschland ist eine häufig unterschätzte Gefahr für die demokratische Kultur. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie, die der Verfassungsschutz Nordrhein-Westfalen jetzt vorgelegt hat. Systematisch bemühten sich intellektuelle Rechtsextremisten darum, die Ideologie der Szene auf eine theoretische Basis zu stellen und die politischen Koordinaten der Gesellschaft zu verschieben. "Rechtsextremismus im intellektuellen Gewand bedroht die Demokratie nicht weniger als dumpfe Gewalttäter. Ein reines Jugend- oder Kriminalitätsproblem ist der Rechtsextremismus keineswegs", sagte Innenminister Dr. Fritz Behrens gestern in Düsseldorf.
Ideologisch greift die Neue Rechte auf Intellektuelle der Weimarer Republik zurück, die so genannte "Konservative Revolution". In dieser Strömung sammelten sich Intellektuelle, die zu den geistigen Wegbereitern des Nationalsozialismus zählten. Wie diese, so die Verfassungsschutz-Studie, wende sich die Neue Rechte gegen den Pluralismus einer liberalen Gesellschaft. Sie wolle ethnisch verstandene Kollektive wie Volk und Nation ins Zentrum der Politik rücken. Demnach ist der vordergründig gemäßigte Sprachgebrauch dieser Strömung als Tarnung zu verstehen, um den Angriff auf den demokratisch verfassten Staat und eine weltoffene Gesellschaft zu verschleiern. Ausländer und deutsche Staatsbürger mit Einwanderungshintergrund tauchten in neurechten Medien in aller Regel als Störfaktoren auf, die die ethnische Homogenität Deutschlands bedrohen.
Erklärtes Ziel der Neuen Rechten ist die Meinungsführerschaft in Deutschland. Um kurzfristige Wahlerfolge geht es ihr weniger. "Die geringen Ergebnisse, die Parteien wie die 'Republikaner' oder die NPD bei der Bundestagswahl verbuchen konnten, dürfen daher nicht dazu führen, dass sich Demokraten beruhigt zurücklehnen. Der Rechtsextremismus bleibt eine zentrale Herausforderung", sagte Behrens. Dass die Neue Rechte in der Öffentlichkeit wenig wahrgenommen wird, führt die Verfassungsschutz-Studie auf das unspektakuläre Erscheinungsbild dieser Strömung zurück. Sie agiere aus informellen Kreisen, die häufig im Umfeld von Zeitungen und Zeitschriften angesiedelt sind.
Zu den wichtigsten Publikationen der Neuen Rechten zählt die Untersuchung die Berliner Wochenzeitung "Junge Freiheit", die vom nordrhein-westfälischen Verfassungsschutz beobachtet wird. Gerichte haben bislang uneingeschränkt bestätigt, dass die Zeitung Anhaltspunkte für den Verdacht verfassungsfeindlicher Bestrebungen liefere. Sie bemühe sich aber zunehmend, neben Rechtsextremisten demokratische Persönlichkeiten als Autoren und Interviewpartner zu gewinnen, um sich als pluralistisches Medium darzustellen, stellt die Studie fest. Neurechtes Gedankengut taucht zudem auf Internet-Seiten auf, zum Teil auch in Musiktexten aus diesem Spektrum.
Innenministerium Nordrhein-Westfalen Abteilung Verfassungsschutz Öffentlichkeitsarbeit
Vorwort
Neonazi-Aufmärsche, Gewalttaten und Wahlplakate, die mehr oder minder offen an fremdenfeindliche Ressentiments appellieren, prägen das Bild der rechtsextremistischen Szene in der Öffentlichkeit. Zu Recht lösen rassistische Propaganda und die Verherrlichung führender Vertreter des Nationalsozialismus Besorgnis aus. Zudem stellen gewaltbereite Rechtsextremisten eine unmittelbare Bedrohung insbesondere für Migrantinnen und Migranten in unserem Land dar. Staat und Gesellschaft sind daher gefordert, sich solchen rechtsextremistischen Aktivitäten vehement entgegenzustellen. Den Blick allein auf die offensichtlichen Formen des Rechtsextremismus zu lenken könnte jedoch zu einem verzerrten Bild führen, wenn nicht sogar zur Verharmlosung der Szene: So wird das Thema Rechtsextremismus in der öffentlichen Diskussion gelegentlich auf militante Randgruppen verengt, werden die Aktivitäten der Szene nicht selten vornehmlich als Auswüchse jugendlichen Imponiergehabes gedeutet. Rechtsextremismus ist aber weder ein reines Jugend- noch allein ein Kriminalitätsproblem, sondern eines, das die demokratische Gesellschaft in ihrer Gesamtheit herausfordert.
Anders, aber keineswegs minder als der traditionelle Rechtsextremismus gefährdet die intellektuelle Neue Rechte die demokratische Kultur in Deutschland. Diese Vordenker der Szene, ihre Ideologie und Strategie nimmt die vorliegende Broschüre detailliert in den Blick. Die Neue Rechte zeichnet sich in der Regel nicht durch Straftaten oder den offenen Aufruf zur Gewalt aus, vielmehr geht es ihr darum, die Herrschaft über die öffentliche Meinung zu erringen. Ideologisch greift sie zurück auf Intellektuelle der Weimarer Republik, die zu den geistigen Wegbereitern des Nationalsozialismus zählen. Wie diese wendet sich die Neue Rechte gegen den Pluralismus einer liberalen Gesellschaft und möchte ethnisch verstandene Kollektive wie Volk und Nation ins Zentrum der Politik rücken. Hinter einem vordergründig gemäßigten Duktus, der mitunter erklärtermaßen als sprachliche Tarnung verstanden wird, verbirgt sich häufig der Angriff auf den demokratisch verfassten Staat und eine (welt)offene Gesellschaft. Ausländer und deutsche Staatsbürger mit Einwanderungshintergrund tauchen in neurechten Medien in aller Regel als Störfaktoren auf, die die ethnische Homogenität Deutschlands bedrohen.
Der Verfassungsschutz Nordrhein-Westfalen legt seit rund zehn Jahren einen Schwerpunkt seiner Arbeit auf die Auseinandersetzung mit der Neuen Rechten. Daher beobachtet die Behörde auch die rechtsintellektuelle Wochenzeitung 'Junge Freiheit', die hier als eines der wichtigsten Organe der Neuen Rechten gesehen wird. Die Gefahr durch diese Strömung liegt vor allem in einem unterschwelligen Prozess, der zur weitreichenden Verschiebung der politischen Koordinaten führen und damit ein Klima der Vereinheitlichung und Ausgrenzung statt eines der Empathie, Toleranz und Integration fördern soll. Die Neue Rechte wird in der vorliegenden Studie nicht nur als Ideologieschmiede des Rechtsextremismus verstanden, sondern auch als Brücke zur gesellschaftlichen Mitte. So hofft sie beispielsweise an fremdenfeindlichen Ressentiments anknüpfen zu können, die nach allen empirischen Erkenntnissen über den Rechtsextremismus hinaus verbreitetet sind.
Die Bevölkerung auch und gerade über solche subtilen Strategien des Rechtsextremismus aufzuklären und die gesellschaftlichen Abwehrkräfte auf diese Weise zu unterstützen zählt zu den zentralen Aufgaben des Verfassungsschutzes. Der Versuch der Neuen Rechten, demokratische Positionen auszuhöhlen und durch inhumanes, rückwärtsgewandtes Denken zu ersetzen, ruft eines nachdrücklich ins Bewusstsein: dass die Bekämpfung des Rechtsextremismus mit dem Werben für Demokratie und für eine freiheitliche, vielgestaltige Gesellschaft untrennbar verbunden ist.
(Dr. Fritz Behrens) Innenminister des Landes Nordrhein-Westfalen
http://www.im.nrw.de/sch/doks/vs/neurech.pdf" target="_new" rel="nofollow">Die Verfassungsschutz-Studie "Die Kultur als Machtfrage. Die Neue Rechte in Deutschland" ist im Internet unter www.im.nrw.de/sch/doks/vs/neurech.pdf abrufbar. |