Hallo Bären!
Bei Euch mitzulesen ist spannend und informativ. Nirgends findet man mehr Hintergrundlinks und Know How, auch wenn es tendenziell rot angehaucht ist, aber Nomen ist Omen.
Da kann ich dann sachlich neutral was beitragen, da es in meine Profession fällt, denn ich war lange im Energiebereich unterwegs.
LNG: Lager voll ist bei Gas und LNG eigentlich Quatsch. Obwohl moderne LNG Pötte mit moderatem Boil Off sogar einige Wochen "lagern" können und es massig Speicher gibt - die aber zu saisonalen Strukturierung dienen -, ist Erdgas kein wirklich gut lagerbares Medium. Im Gas wird nur der Henry Hub für Privatanleger gehandelt, der ist aber zunehmend nicht repräsentativ. Wer Gas verstehen will, guckt sich TTF/JKM Preise auf der ICE an.
Der wird sehen, dass in Europa ein Preisverfall stattfand, gegen den Öl ein Witz war. Gründe: warmer Winter, Corona (Stromnachfrage) und LNG. LNG widerrum ist mitten in einem brutalen Schweinezyklus und Betrand Wettbewerb. Dort gab es vor Jahren riesige Erwartungen an Asien als Investitionsgrundlage, insbesondere an China, die auch ohne Corona nicht erfüllt wurden. Der Winter war zudem auf der Nordhemisphäre viel zu warm (zweimal in Folge) und durch Corona haben Indien und Japan als Grossabnehmer Force Majeure erklärt. Getrieben von Wachstumserwartungen haben Katar, Australien und Russland (dort Novatek) massig LNG auf den Markt geworfen. In der USA hat der Ölboom sehr viel kostenloses Begleitgas produziert, was den ohnehin schon jahrelangen schwachen Henry Hub noch mehr gedrückt hat. Das hat einige US Fracker schon lange vor dem Ölcrash an den Rande der Insolvenz gedrückt, Shale Gas hat die langfristigen Kosten und Renditen schon längs nicht mehr gebracht. Der Ölverfall ist also nur noch der Gnadenstoß, wobei interessanterweise die Insolvenzen auf sich warten lassen (FED?)
Im Grunde ist ein Teil der US Öl und Gas Industrie schon seit längerem fällig, vor allem da man dort weit wenige diversifiziert ist als in Europa, wo Shell, Total, Equinor und co. schon lange angefangen haben, die Geschäftsfelder zu erweitern.
Um Margen zu erzielen, wurde das Gas auf den ohnehin schon überversorgten Weltmarkt geworfen. In Ermangelung von Alternativen und weil man es eben nicht ewig speichern kann, wurde das Gas am Ende im Fließband nach Europa geschafft und es wurde was geschafft, was historisch war: Der Großhandelspreis an den Märkten sank so niedrig, dass die Gazprom aus Kostengründen Lieferungen reduziert hat. Der Preis, der dazu nötig ist, ist verdammt niedrig. Das ist für die gaslastigen Produzenten ein Desaster. Spannend wird, ob man im Gas nun den gleichen Weg wie im Öl geht. Bei LNG gibt es schon Bremsspuren, US LNG sinkt und diverse Projekte werden verzögert oder sogar gestoppt.
Beim Öl ist es spannend (Der Ölpreis hat dieser Tage fast nichts mehr mit dem Gaspreis gemein, auch wenn gerne mal Analysten das behaupten. Das ist Quatsch.). Öl könnte, im Moment noch etwas schwer vorstellbar, auch bei moderater Entwicklung temporär knapp werden. Gerade ein Lockdown 2.0 würde zu einer massiven weiteren Abschaltwelle führen, weil die Lager fehlen. Viele dieser Felder wird man ggf. nicht oder nicht mehr mit der Effizienz wieder on stream bekommen. Z.T. weiß man nicht, wie gut es wieder anfahrbar ist, selbst erfahrene Lagerstätten können nicht exakt voraussagen, was ein Abschalten bei verschiedenen Feldern bedeutet. Zumindest müssen z.T. neue Bohrungen her, also neue Kosten. D.h. je länger man kürzt, desto schwerer und teurer kann es werden, dass man die Produktion wieder hochfährt. Im Moment noch Science Fiction, erst mal müssen die Lager (vor allem die Floating Storages, also volle Tanker, die Ankern) hinreichend entleert werden. Aber dieses Risiko ist real und wird in den aktuellen Forwards eingepreist. Da Öl auch jetzt noch in seiner Kurve stark dem Lagerhaltungsansatz folgt, zieht das auch die vorderen Kontrakte hoch.
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