Bio-Strom rutscht ins Minus
WOLF ALBIN BERLIN Eben erst in Kraft getreten, sorgt das novellierte Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) unter Investoren und Betreibern für helle Aufregung. Anlagenparks, die bis dahin eine Einspeisevergütung für jede Einzelanlage erhalten hatten, definiert der Gesetzgeber seit dem 1.1.2009 als Großanlage. Für Bio-Strom aus Großanlagen müssen die Netzbetreiber aber wesentlich weniger Geld zahlen.
Diese Verschärfung gilt nicht nur für Neu-, sondern auch für Altanlagen. Wer eine Anlage nach altem Recht betreibt, erhält heute deutlich weniger Vergütung als kalkuliert. Besonders betroffen sind Biogasanlagen. Nach einer Umfrage des Bundesverbandes BioEnergie stehen deutschlandweit rund 250 Anlagen vor dem wirtschaftlichen Aus. Viele dieser Anlagen gehören Familienbetrieben, andere werden von Kleinanlegern finanziert. Ihnen droht der wirtschaftliche Totalschaden, denn eine Einlagenentschädigung sieht das EEG nicht vor.
Bislang galt: Wer umweltfreundlichen Strom in das Netz einspeist, dem wurde für zwanzig Jahre eine feste Einspeisevergütung garantiert. Großanlagen erhalten dabei eine bis zu 45 Prozent niedrigere Einspeisevergütung. Aus Betreibersicht zu wenig, um eine Anlage gewinnbringend betreiben zu können. Viele Investoren gingen deshalb dazu über, mehrere lukrative Einzelanlagen in Energieparks zu bündeln. Das war zwar legal, hatte aber mit dem von manchen Politikern ersehnten Leitbild des Bauern als Stromerzeuger nicht mehr viel zu tun. Auf die Investitionsgarantie des Gesetzes vertrauend, schossen gleichwohl viele diese modularen Energieparks aus dem Boden.
Die ehrgeizigste dieser Anlagen entstand Anfang 2006 in Penkun, Mecklenburg-Vorpommern. An der Grenze zu Polen errichtete die Nawaro Engineering im Auftrag eines Leasingfonds und finanziert von über 5 000 Kleininvestoren Deutschlands größten Biogas-Anlagenpark mit vierzig 500-kW Modulen. Zusammengenommen decken sie den Strombedarf einer Stadt mit 50 000 Einwohnern.
Was bei Windparks längst üblich ist, begann man im Bundesumweltministerium nach Penkun bei Biogasanlagen als Missbrauch anzusehen. Als der Bau bereits in vollem Gange war, drangen aus dem Gabriel-Ministerium erste Gedanken nach außen, wie man solche "verkappten Großanlagen" nicht nur künftig verhindern, sondern gleich ganz loswerden könnte. Das Brainstorming im Umweltministerium erfolgte offenbar im Alleingang. Noch am Rande des G8-Gipfels in Heiligendamm diente das Bundeswirtschaftsministerium in einer Broschüre zum "Land der Ideen" den Anlagenpark von Penkun ausländischen Investoren als ökologisches Vorzeigeprojekt an.
Damit ist jetzt Schluss. Am Neujahrstag sank die Einspeisegebühr in Penkun um den Maximalsatz von 45 Prozent. "Der verbleibende Erlös deckt derzeit nicht einmal mehr die Betriebskosten", sagt Felix Hess, Geschäftsführer von Nawaro. Völlig überraschend droht die Insolvenz, denn der hochspezialisierte Betrieb lässt sich nicht umrüsten. Es drohen aber auch weniger Steuergelder. Allein wegen Penkun dürften dem Fiskus etwa 50 Mio. Euro verlorengehen, wenn die Anleger die Verluste in ihrer Einkommen- und Ertragsteuererklärung geltend machen.
Zusammen mit anderen hat der Betreiber jetzt den Gang nach Karlsruhe eingeschlagen. "Den unwiederbringlichen Totalverlust dieser Großinvestition könnte nur noch eine Eilentscheidung des Bundesverfassungsgerichts abwenden", sagt Ulrich Karpenstein, Verfassungsjurist in der Kanzlei Redeker. Experten halten die Verfassungsbeschwerde für aussichtsreich. Professor Friedhelm Hufen von der Universität Mainz hält die Neuregelung ebenfalls für verfassungswidrig. "Das Gesetz verstößt gegen den Vertrauensschutz und hat geradezu enteignende Wirkung. Die Teilnahme an der Einspeisung ist eine Eigentumsposition, in die nicht rückwirkend eingegriffen werden kann", so Hufen.
Das Problem beschäftigte auch den Bundesrat. Grund für weiteren Streit. Unter Umgehung der im Grundgesetz festgelegten Sechswochenfrist verzögerte das Bundesumweltministerium die Weiterleitung des Entwurfs für ein Reparaturgesetz bis zur vergangenen Woche. "Sollte das novellierte EEG gegen das Rückwirkungsverbot verstoßen, dürfte dies ein parlamentarisches Nachspiel haben", droht Hans-Josef Fell, energiepolitischer Sprecher der Grünen. Ähnliches hört man aus der CDU-Fraktion, die sich mit ihrer Forderung nach Bestandsschutz bei der SPD nicht durchsetzen konnte.
Auch Solarverstromer sehen sich von der Novelle betroffen. Bisher behandelte der Gesetzgeber mehrere Anlagen auf einem Grundstück einzeln. Nun drohen auch hier die Einzelanlagen addiert und zu einer Gesamtanlage abgewertet zu werden. Das wäre das Ende für viele Solarparks. Während das Umweltministerium mit einer gewagten juristischen Konstruktion die bestehenden Solaranlagen von der Neuregelung ausgenommen sieht, haben die Netzbetreiber die neuen gesetzlichen Möglichkeiten bereits entdeckt. Sie wollen die bisherige Vergütung streichen. Auch hier gibt es mehrere Verfassungsbeschwerden.
Derweil herrscht in Penkun Untergangsstimmung. 41 Angestellte sind im Energiepark beschäftigt, über 20 weitere Jobs bei den landwirtschaftlichen Zulieferern betroffen. Drei Wochen hält man noch aus, dann sind die Betriebsmittel aufgebraucht, so hat die Geschäftsleitung kalkuliert. War da nicht auch etwas vom 10 Mio Auftrag für Schmack ;-), jajaja |