Nach der Flaute versprechen Wohnhäuser, Büros und Einzelhandelszentren hohe Renditen / Aufschwung nährt sich selbst Stephan Kaufmann
BERLIN. Es war eine eher dezente Zeitungsannonce, allerdings mit ausgreifendem Inhalt: Die Comer Group International gab dort bekannt, sie wolle in den deutschen Immobilienmarkt einsteigen. Der britische Immobiliengigant möchte Einzelhandelszentren, Wohnhäuser und Beteiligungen erwerben - und zwar nicht nur für ein paar Millionen, sondern gleich für satte 2,5 Milliarden Euro.
Nicht nur Comer hat Deutschland entdeckt. Seit einigen Monaten jagen milliardenschwere Investoren aus aller Welt auf dem hiesigen Markt nach Einkaufszentren, Büros, Wohnungen und ganzen Gebäudeparks. Denn im Gegensatz zu anderen Ländern sind deutsche Immobilien noch immer relativ billig. Es locken hohe Renditen und die Chance auf Preissteigerungen. "Wir sehen eine klassische Investoren-Rallye", meint Fondsmanagerin Barbara Knoflach, Geschäftsführerin von SEB Immobilien Investment. "Der deutsche Markt ist in Europa der Hot Spot." Während Mieter sich vor Mieterhöhungen fürchten, sehen Investoren wie Stephan Rind von Colonia Real Estate eine "historische Gelegenheit" für Anlagegewinne.
Jahrelange Flaute überwunden
Lange war der deutsche Immobiliensektor der klassische Flaute-Markt. Während sich die Preise in anderen Ländern verdoppelten und verdreifachten, stagnierten die Wohnungspreise hier zu Lande in den letzten zehn Jahren. Besonders arg sah es im Osten aus. Laut Brancheninstitut IFS stiegen die Preise für Eigentumswohnungen seit 1995 im Westen noch um magere vier Prozent an, im Osten dagegen gingen sie um 17 Prozent zurück.
Die Gründe dafür sind bekannt: Der Aufschwung Ost ist ausgeblieben. Die Arbeitslosigkeit ist hoch, die Einkommen gering, immer mehr Menschen ziehen weg. Das drückt auf die "Lageprämie" der Häuser. Und schließlich führte der Immobilienboom der frühen neunziger zu massivem Überangebot und Leerstand. Doch gerade die niedrigen Immobilienpreise locken nun Investoren. Denn während die Preise stagnieren, sind die Mieten leicht angestiegen. Das erhöht die Mietrendite und macht Immobilienbesitz rentabler. "Deutschland ist international der einzige Markt, wo die Mietrendite heute höher liegt als 1995", so David Milleker, Ökonom bei der Allianz Group.
Das hat viele Finanzinvestoren wie die Fortress, Deutsche Annington (DAIG), oder Cerberus, aber auch reine Immobilienfirmen wie Comer nach Deutschland geholt. Als willige Verkäufer stehen die finanziell klammen Kommunen bereit. Seit dem Jahr 2000 haben sie hunderttausende Wohnungen verkauft und sitzen auf weiteren Millionen Einheiten. Auch viele Unternehmen würden ihre riesigen Wohnungsbestände gern loswerden. Laut Investmentbank M.M. Warburg verfügen die 65 größten börsennotierten deutschen Firmen über rund 80 Milliarden Euro stiller Immobilien-Reserven - für sie totes Kapital. Nach Schätzungen der Eurohypo könnten in den nächsten Jahren daher ein Drittel bis die Hälfte der fast zehn Millionen Wohnobjekte in kommunalem oder gewerblichem Besitz verkauft werden.
Für Käufer sind die Zeiten günstig. Denn die Zinsen liegen niedrig. Zudem dürfte es ihnen nach Ansicht der Allianz gelingen, die relativ hohen Mietrenditen noch durch effizienteres Gebäudemanagement und Mietsteigerungen zu erhöhen. Verlockend für Investoren ist auch die Aussicht auf steigende Immobilienpreise. So sinkt zum Beispiel durch staatlich subventionierten Abriss die Leerstandsquote. Im Osten erreichte sie 2002 laut Allianz mit 16,5 Prozent ihren Höhepunkt, dieses Jahr soll sie auf zwölf Prozent sinken - unter anderem, weil seit Beginn des "Rückbauprogramms" 1998 etwa 190 000 Plattenbauwohnungen niedergerissen wurden. Bis 2009 sollen es 350 000 werden.
Auch der Rückgang der Arbeitslosigkeit und der Aufschwung schaffen Raum für Wertsteigerungen. Und schließlich führt die Nachfrage der Investoren selber zu höheren Preisen, der Boom nährt den Boom: "Die zusätzliche Nachfrage aus dem Ausland dürfte die Preise in bestimmten Segmenten und Regionen nach oben treiben", vor allem in Großstädten und großstadtnahen Gebieten, meint Stefan Bielmeier von der Deutschen Bank.
Sorgen der Bewohner
Den Hoffnungen der Investoren entsprechen allerdings die Ängste der Mieter. Sie fürchten Mieterhöhungen, Rauswurf oder Luxussanierungen. Einige Finanzinvestoren haben mit dem Kauf von kommunalen Immobilien zwar eine Sozialcharta unterschrieben, die die Mieter eine Zeit lang schützt. Und auch am deutschen Mietrecht kommen die neuen Besitzer nicht vorbei. Grund zur Sorge haben die Mieter dennoch. Denn erlaubt ist es dem Besitzer zum Beispiel, dem Mieter drei Jahre nach dem Kauf zu kündigen, wenn er den Eigentümer an einer "angemessenen wirtschaftlichen Verwertung" hindert, sprich: wenn der Eigentümer eine weit höhere Miete erzielen könnte.
Berliner Zeitung, 06.07.2006 |