Immobilienbranche: Aufschwung erst am Anfang?
JOURNALISTEN Finger weg von Immobilien? Das war einmal. Optimismus statt Tristesse beim einstigen Mauerblümchen. Ausländische Gesellschaften investieren Milliarden. An der Börse klettern die Kurse der Immobilienfirmen. Und jetzt sorgen auch noch "REITs" für Furore. Betrifft: Deutschland Finanzwesen IVG IMMOBILIEN AG Immobilienfonds REITs
von Ronald Tietjen Ronald Tietjen ist freier Wirtschaftsjournalist in Hamburg und Frankfurt/Main. mehr... Kontakt: Nachricht an den Autor
Lange Zeit wie im Koma regt sich am Immobilienmarkt in Deutschland wieder etwas. Während andere Länder – Großbritannien oder USA – mit schwerwiegenden Preisproblemen zu kämpfen haben, scheint sich hierzulande ein dauerhafter Aufschwung anzukündigen. Vor allem von der Einführung der so genannten Reits (Real Estate Investment Trusts), einer steuerlich geförderten Sonderform von börsennotierten Immobiliengesellschaften (Reits schütten bis zu 90 Prozent ihrer Gewinne aus und zahlen keine Abgaben an den Fiskus), versprechen sich Fachleute viel. Allerdings droht - noch bevor es richtig losgehen kann - bereits hausgemachter Ärger.
Zum einen hat Finanzminister Peer Steinbrück für Verwunderung gesorgt, als er einen Rückzieher in Sachen Reits machte: So sollen die steuerbegünstigten Fonds nicht mehr in Wohnimmobilien investieren dürfen. Zudem will die Deutsche Börse ein eigenes Börsensegment für Reits einführen, was dazu führen würde, dass als Reit geführte Immobilienunternehmen nicht in wichtige Auswahlindizes wie Dax oder M-Dax aufgenommen werden, selbst wenn alle sonstigen Kriterien für eine Aufnahme erfüllt wären. Diese Indizes werden von Analysten und Fondsmanagern aber stark beachtet, und eine Zugehörigkeit zu ihnen ist für zahlreiche große institutionelle Investoren ein wesentliches Anlagekriterium.
>> Überragende Performance
Der Zentrale Immobilien-Ausschuss (ZIA) lehnt diese Pläne bereits vehement ab, spricht von einem "deutschen Sonderweg", der schädlich sei. Die Befürchtung, wegen der hohen Marktbewertung von Immobilienunternehmen aufgrund ihrer Immobilienbestände könne es zu einer Dominanz der Immobilienwerte in den großen Auswahlindizes kommen, teilt der ZIA nicht. Das zeige auch der Blick in Länder, in denen Reits zum Teil bereits seit Jahrzehnten eine feste Größe sind, heißt es. In den USA z. B. sind bei der US-Börsenaufsicht (SEC) aktuell rund 190 Reits registriert. Ihr Anteil an den jeweiligen Indizes ist nicht höher als zwei und drei Prozent, ihre Performance dagegen überragend: Die amerikanischen Reits haben Dow Jones, S&P 500 und Nasdaq seit 30 Jahren deutlich hinter sich lassen können. Ist so eine Entwicklung auch in Deutschland vorstellbar? Durchaus – meinen vor allem ausländische Fachleute. Man dürfe sich eben nur nicht mehr selbst ein Bein stellen.
Auf einer Veranstaltung des Urban Land Institutes (ULI) in Frankfurt – bezeichnender Titel: "Internationale Investments – The German Angst" – zeigte sich, dass Ausländer die Immobilienmärkte in Deutschland sehr viel positiver beurteilten als Inländer. Sowohl Experten von Merrill Lynch, Goldman Sachs und Morgan Stanley als auch von der Beteiligungsgesellschaft Carlyle – sie alle halten Deutschland für den Favoriten der internationalen Immobilienkapitalanlage 2007.
Der Gründe gibt es viele: So habe Deutschland beim Wachstum Nachholbedarf. Während andere Länder schon wieder am Zenit angekommen seien, sei der Konjunkturaufschwung hierzulande erst am Anfang. Hinzu kämen die niedrigen Zinsen und hohe Immobilienrenditen, die in Deutschland (anders als in Großbritannien) weit über den Hypothekenzinsen notieren. Auch gäbe es ein riesiges Angebot an attraktiven Immobilien vor allem in den Portfolios der offenen Immobilienfonds, die in den letzten Jahren zu stark in Bürogebäude investiert hätten und jetzt Kasse machen wollten. Auch die öffentliche Hand verkaufe intensiver als je zuvor.
>> Nicht an einen Fonds fesseln
Was können Anleger vor diesem Hintergrund tun, die an einer möglichen Hausse teilhaben wollen? Offene Immobilienfonds scheinen immer noch ein geeignetes Instrument zu sein, haben aber einen Haken: Man bekommt als Anleger kein reinrassiges Immobilieninvestment, da ein Teil des investierten Kapitals in geldmarktnahen Papieren festgelegt ist. Dieses benötigen Fondsmanager, um ihre Kunden jederzeit auszahlen zu können. Geschlossene Fonds sind kaum noch eine adäquate Alternative, da die Steuervergünstigungen abgeschafft wurden. Als normales Investmentvehikel taugen sie in der Regel auch nicht, weil das Geld der Anleger oft für die Dauer der Fondslaufzeit festliegt. Sollte die Neubautätigkeit wieder in Gang kommen und spürbar neues Angebot auf dem deutschen Markt schaffen, ist ein Ende des jetzt günstigen Konjunkturzyklus wahrscheinlich. Dann sollte man nicht an einen Fonds gefesselt sein.
Kommen die Reits 2007 tatsächlich, sind sie mehr als eine Überlegung wert, allein schon ihre große Transparenz ist ein riesiger Pluspunkt. Jeder kann dann die Leistung seines Immobilienmanagers täglich am Bildschirm oder im Kursteil der Tageszeitung unter die Lupe nehmen. Vermutlich wird es sehr schnell auch Dachfonds und Indexfonds geben, womit Anleger erstmals auch auf den kompletten deutschen Immobilienmarkt spekulieren können.
>> Neue Börsengänge geplant
In Einzeltitel bzw. börsennotierte Immobilienfirmen zu investieren ist natürlich auch eine Möglichkeit. Wer das in den letzten Monaten getan hat, darf sich über teilweise 40 Prozent Zuwachs im Depot freuen. Doch es gibt auch Experten, die das als irrationalen Börsenhype abtun. Im Nebenwerteindex MDax tummeln sich eine Reihe von Immobilien-Schwergewichten wie IVG Immobilien, die sich nach der Verabschiedung des Reits-Gesetzes (vermutlich Frühjahr) in diese Rechtsform umwandeln können. Doch es gibt auch andere Konstrukte. Die Essener Gagfah war im Oktober an den Kapitalmarkt gegangen und hatte mit einer Holding in Luxemburg eine Reits-ähnliche Struktur geschaffen. Möglich, dass Gagfah Nachahmer findet, wenn die Deutsche Börse bei ihren Index-Plänen bleibt.
Angesichts der vielen Unsicherheiten ist es für Anleger darum wohl ratsam, zunächst die weitere Entwicklung zu beobachten. Auf den Zug aufspringen wird man nämlich auch 2007 noch können. Die Branche rechnet mit mindestens 10 größeren Börsengängen im nächsten Jahr...
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