T-Online (WPK 555700)
. Superlativen zur volatilsten Börsenzeit Nach der Hysterie um Infinion folgt nun mit der T-Online International AG der wohl spektakulärste Börsengang des Jahres, genauergesagt sogar das bisher größte IPO eines Internetwertes weltweit. Passenderweise wurde als Handelssegment der Neue Markt gewählt, allerdings fällt das IPO in eine Zeit, in der dieser gerade eine seiner volatilsten Zeiten erlebt, in der Neuemissionen reihenweise den Ausgabepreis nur von unten sehen. Während vor vier Wochen noch keine Bookbuilding-Spanne einen satten Zeichnungsgewinn hätte verhindern können, notieren die Papiere vorbörslich derzeit nur gut 10 Prozent über dem oberen Ende der Spanne, obwohl diese ohnehin nicht wie befürchtet bei 50 Euro liegt, sondern wie von der Mehrzahl der Analysten gewünscht, bei 32 Euro. Soll man nun also zeichnen oder besser doch erst einmal die ersten Börsenkurse abwarten? Die Antwort hierauf kann in Zeiten wie diesen nur eine Fundamentalanalyse bringen. Das Unternehmen T-Online ist ganz klar die Nummer 1 am deutschen Internetmarkt, sowohl die Stellung als führender Provider und als führendes deutschsprachiges Internetportal kann das Unternehmen auf sich vereinen. Aktuell über 5,3 Mio. registrierter Nutzer sprechen hier ein deutliche Sprache. Auch das vom Hauptkonkurrenten AOL mit diversen Unterlassungsklagen torpedierte „Affinity“-Programm war ein voller Erfolg und dürfte zu einem weiteren sprunghaften Anstieg der Nutzerzahlen geführt haben.
Im Content-Bereich besitzt T-Online neben dem Einstiegsportal www.t-online.de auch einige hochinteressante Kooperationen. Mit der comdirect bank, an der man 25 Prozent der Aktien hält, betreibt das Unternehmen das führende deutsche Brokerage-Portal, daneben beinhaltet T-Online in seinem Angebot bereits die eCommerce-Shops von über 200 Anbietern. Aktuell werden gerade zahlreiche regionale Portale nach dem Vorbild von www.berlin.t-online.de etabliert.
Nicht nur die äußerst wertvolle Beteiligung an der comdirect bank ziert das Portefeuille des Börsenkandidaten. Weitere Highlights sind ein 25-prozentiger Anteil an der Suchmaschine Infoseek und ebenfalls 25 Prozent an der Bertelsmann-Tochter booxtra. Im Bereich Online-Auktionen ist man mit Atrada im Rennen, hier will der Börsenaspirant vor allem im B2B-Bereich um die europäische Marktführung mitmischen.
Die internationalen Aktivitäten sind dagegen bisher noch etwas kümmerlich. Neben einigen kleineren Projekten wie beispielsweise in Österreich und der Schweiz, steht hier lediglich der Kauf des französischen Providers Club Internet zu Buche. Mit den Mitteln aus dem Börsengang will T-Online in diesem Bereich aggressiv wachsen, dabei aber in erster Linie mittels Aktientausch neue Beteiligungen aufbauen. Freilich hat der Konkurrent AOL hier schon einen erheblichen Vorteil, da die Amerikaner bereits weltweit trotz ihrer Hochpreispolitik eine Schlüsselposition aufgebaut haben.
Problematisch ist sicherlich der extreme Preiskampf, welcher den Markt bei den Internet Service Providern (ISP) dominiert. Pünktlich zum Börsengang von T-Online versetzte dann auch prompt Mobilcom-Chef Schmid seinem Erzfeind Ron Sommer einen ordentlichen Querschuss. Die Mobilcom-Tochter Freenet.de senkt die Preise auf nur mehr 2,5 Pfennig pro Minute, Vielsurfer kommen sogar bereits für 1,9 Pfennig ins Netz. Hinzu kommen auch noch die immer beliebter werdenden „flatrates“, wie beispielsweise vom Anbieter Surf1. Auch die Kabelnetzbetreiber werden in Deutschland bald zum Großangriff blasen können, nachdem die Deutsche Telekom hier jahrelang durch erfolgreiches Hinauszögern des Kabelnetzverkaufs eine Blockadepolitik betreiben konnte.
Diese Preisoffensiven werden auch T-Online zu weiteren Tarifsenkungen zwingen, was auf der Erlösseite sicherlich tiefe Spuren hinterlassen wird.
Weiterer Risikofaktor sind der abzusehende Rückgang der Werbepreise bei der Online-Werbung, die das Unternehmen unbedingt durch steigende eCommerce-Einnahmen und Provisionen ausgleichen muss.
Zahlen und Fakten Bei einem Ausgabepreis von 32 Euro würde jeder Nutzer von T-Online mit aktuell gut 6.500 Euro bewertet werden, eine auf den ersten Blick exorbitant hohe Zahl. Dies entspricht in etwa der aktuellen Bewertung eines Kunden von AOL, somit wurde auf einen nachhaltigen IPO-Abschlag verzichtet.
Beim Konkurrenten Freenet.de gesteht der Markt hingegen nur eine Bewertung von ca. 2000 Euro je Nutzer zu, ein Wert der sich bei der aktuellen Schwankungsbreite aber täglich um bis zu 25 Prozent in eine Richtung ändern kann. Freilich ist die Kundenbindung bei den kleineren, hauptsächlich auf Internet-by-call basierenden ISPs wie Freenet.de oder Gigabell nicht mit den vielen Vertragskunden bei T-Online und AOL zu vergleichen, aber das Verhältnis erscheint hier doch sehr gewagt.
T-Online hat 1999 einen Umsatz von 428,4 Mio. Euro erwirtschaftet, für 2000 wird mit 718 Mio. Euro gerechnet. Eine ambitionierte Bewertung bei einem Börsenwert des Unternehmens von ca. 35 Mrd. Euro. Dabei sind die Einnahmen aus Bannerwerbung und eCommerce noch sehr bescheiden, mit der klassischen Bannerwerbung wurden 1999 gerade einmal 16 Mio. Euro Umsatz verbucht, beim eCommerce rechnet man für dieses Geschäftsjahr mit gut 20 Mio. Euro.
Auch die Gewinnsituation spricht nicht für eine Bewertung in dieser Höhe, da auf absehbare Zeit satte Verluste eingefahren werden. 1999 waren es nach einem kleinen Gewinn im Vorjahr noch nur 7 Mio. Euro Verlust, dieser wird jedoch bis 2001 auf ca. 170 Mio. Euro explodieren, die WestLB rechnet sogar mit einem Verlust in Höhe von 363 Mio. Euro. Optimistische Prognosen gehen davon aus, dass der Break-even bereits 2002 erreicht werden kann, realistischer ist es aber, erst für 2003 oder gar noch später mit einer schwarzen Null zu rechnen.
Und auch hier sehen wir uns wieder gezwungen, den Vergleich zu AOL zu ziehen, die bereits seit Jahren profitabel sind, aber hinsichtlich des Gewinnes bei weitem nicht die erwarteten Wachstumsraten erreichen konnten, welche die Analysten vor einigen Quartalen prognostiziert hatten. T-Online hat hier ohnehin noch viel aufzuholen, deshalb ruft die Relation Unternehmenswert zu Geschäftszahlen hier bei uns doch erhebliche Bauchschmerzen hervor.
Fazit Eine ganz entscheidende Frage bei diesem IPO ist, wie die institutionellen Marktteilnehmer reagieren werden. Das Beispiel Lycos Europe hat deutlich gezeigt, dass auch die diversen Neuen Markt-Fonds keine Probleme haben, einen sehr schweren Wert am Markt links liegen zu lassen, wenn der Preis einfach unangemessen ist. Passiert dies auch bei T-Online, dann beinhaltet der Wert auch auf Niveau des Ausgabepreises ein ganz erhebliches Risiko.
Andererseits ist es wirklich schwer vorstellbar, dass die größte Emission eines Internetwertes weltweit nicht zwangsläufig auch den Weg in die Depots der Big Player finden wird. Auf der Habenseite stehen die wertvollen Beteiligungen des Unternehmens und die technologische Marktführerschaft, die durch die naturgemäß enge Beziehung zur Deutschen Telekom auch nicht in Gefahr geraten kann.
Von besonders wichtiger Bedeutung für T-Online ist es, dass auch die Internationalisierungsstrategie zügig und erfolgreich umgesetzt werden kann. Dann ist langfristig eine positive Entwicklung des Aktienkurses infolge eines verstärkten Profitierens an der exponentiellen Wachstumsstory, die das Internet bietet, möglich. Auch die Beteiligungen müssen konsequent ausgebaut werden, denn hier liegt ein besonderes Wertschöpfungspotential und T-Online hat als einer der größten Internetwerte auch das nötige Potential, um hier im großen Stil aktiv zu werden. Alleine die Beteiligung an der comdirect bank taxieren wir auf einen Wert von ca. 2 Mrd. Euro!
Die Aktie ist unter Berücksichtigung der angeführten Faktoren sicherlich kein Schnäppchen und fordert vom Anleger eine intensive Beschäftigung mit dem zukünftigen Geschäftsverlauf. Insbesondere in der aktuell sehr volatilen Börsenlage muss von einer „Blindzeichnung“ selbst bei diesem Basisinvestment im Internetsektor abgeraten werden. Ein Engagement ist bei diesem Substanzwert für den aktiven Anleger allerdings vertretbar, jedoch ist hier eine konsequente Stopp-Loss-Strategie absolut unumgänglich. Denn wenn der schlimmste anzunehmende Börsenunfall eintritt, die investitionellen Investoren treten in Käuferstreik und verweigern Ron Sommer und den Konsortialführern die Unterstützung, dann könnten wir uns auch Kurse von deutlich unter 30 Euro vorstellen.
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