Mordversuch am Ermyas M. Beschuldigter verkehrte angeblich in Nazi-Szeneveröffentlicht: 23.04.06 - 17:54 Karlsruhe/Berlin (rpo)<!-- RP Online -->. Am Tatort gefundene DNA-Spuren weisen darauf hin, dass einer der im Fall des attackierten Deutsch-Äthiopiers Ermyas M. Festgenommenen tatsächlich an dem Mordversuch beteiligt gewesen sein könnte. Das gab Generalbundesanwalt Kay Nehm am Sonntag in Karlsruhe bekannt. Einem Bericht zufolge verkehrte einer der Verdächtigen regelmäßig in Nazi-Kreisen.Die Berliner "tageszeitung" berichtete am Montag unter Berufung auf einen Augenzeugen, Thomas M. sei ein enger Freund des Neonazis Marcus Sch.. Dieser sei erst vor wenigen Wochen wegen des Überfalls auf einen Linken in einer Straßenbahn vom Potsdamer Landgericht zu einer Haftstrafe verurteilt worden. Einer rechtsextremen Organisation gehörte der Beschuldigte laut "taz" aber wahrscheinlich nicht an. Falko Schumann vom Berliner Antifaschisten Pressearchiv sagte der "taz", M. sei wiederholt zusammen mit anderen Rechtsextremen bei Prozessen gegen Neonazis in der Landeshauptstadt aufgetaucht, um die anwesenden Opfer einzuschüchtern und Solidarität mit den Angeklagten zu bekunden. Auch ein Mitglied des Potsdamer Arbeitskreises Antifa sagte der "taz", M. sei "regelmäßig mit anderen Neonazis aufgetreten". Streit über Zuständigkeiten DNA-Spuren an Bierflaschen-Glassplittern könnten von einem der beiden Beschuldigten stammen, teilte Generalbundesanwalt Kay Nehm am Sonntag in Karlsruhe mit. Dazu seien weitere Untersuchungen in Auftrag gegeben worden. Nach der Untersuchung der Stimmaufzeichnungen sei der zweite Beschuldigte "wahrscheinlich" einer der Sprecher, die auf der Telefon-Mailbox der Frau des Verletzten zu hören seien. Der Zustand des 37-Jährigen verbesserte sich leicht. Nehm und Brandenburgs Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) stritten weiter über die Zuständigkeit für den Fall. Nehm erklärte am Sonntag, der Beschuldigte Thomas M. komme für "das am Tatort an diversen Bierflaschen-Glassplittern sichergestellte DNA-Material neben dem Geschädigten als Spurenleger in Betracht". Die beiden 29 und 30 Jahre alten Männer werden verdächtigt, am Ostersonntag das Opfer an einer Straßenbahn-Haltestelle in Potsdam angegriffen und brutal zusammengeschlagen zu haben. Der Zustand des 37-jährigen Ermyas M. besserte sich nach Angaben einer Krankenhaussprecherin vom Sonntag leicht. Sein Gesundheitszustand sei zwar weiterhin lebensbedrohend, er mache aber mit Unterstützung des Beatmungsgeräts vereinzelt wieder eigene Atemzüge. Schönbohm bezweifelte in der "Bild"-Zeitung die Zuständigkeit Nehms. "So, wie der Sachverhalt sich jetzt darstellt, muss man die Frage stellen, aus welchen Gründen der Generalbundesanwalt das Verfahren übernommen hat?" Er reagierte damit auf Presseberichte, wonach das Opfer zur Tatzeit stark alkoholisiert gewesen sei und die mutmaßlichen Täter provoziert haben solle, wie ein Ministeriumssprecher der Nachrichtenagentur AFP sagte. Unklarheit über Verletzungen Nehm berief sich auf das Gerichtsverfassungsgesetz, wonach der Generalbundesanwalt zuständig sei, wenn eine fremdenfeindliche Straftat die Verfassungsgrundsätze untergraben könne. Beurteilungsgrundlage hierfür sei der Stand der Ermittlungen bei Übernahme des Falles. Ermittelt wird vor dem Hintergrund einer mutmaßlich rechtsextremen Motivation wegen Mordversuchs sowie schweren Raubs. Die Täter hatten ihr Opfer unter anderem als "dreckigen Nigger" beschimpft. Unklarheit herrschte am Wochenende auch über die Schwere der Verletzungen des Deutsch-Äthiopiers. Der Potsdamer Polizeipräsident hatte unmittelbar nach der Tat unter Hinweis auf die ärztlichen Befunde von einem schweren Schädel-Hirn-Trauma des Wasserbauingenieurs gesprochen. Darüber hinaus wurden demnach Verletzungen an Brustbein und Rippen festgestellt. Nehm erklärte nun, das Opfer habe schwere Kopfverletzungen erlitten. "Ob darüber hinaus weitere Verletzungen vorliegen, ist bislang nicht klar." Der Zustand des Opfers lasse zunächst keine eingehenderen Untersuchungen zu. Weiter Kritik an Schäuble Unterdessen hielt die Kritik an den Äußerungen von Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) zu dem Überfall an. SPD-Generalsekretär Hubertus Heil forderte Schäuble in der "Berliner Zeitung" auf, so schnell wie möglich klärende Worte zu finden. Der Vizepräsident des Bundestages, Wolfgang Thierse (SPD), warnte davor, Gewalttaten wie die in Potsdam zu verharmlosen. Schäuble hatte gesagt, "auch blonde blauäugige Menschen" würden Opfer von Gewalttaten. Der Vorsitzende des Innenausschusses, Sebastian Edathy, bezeichnete einen Bericht der "Bild"-Zeitung als falsch, wonach die Zahl der rechtsextremistischen Straf- und Gewalttaten im Jahr 2005 gesunken sei. Die Zahl sei vielmehr von 12.051 im Jahr 2004 auf 15.360 im Jahr 2005 gestiegen, die Zahl der darin enthaltenen Gewaltdelikte sei von 776 auf 959 gestiegen. Laut "Bild" rechnet der Verfassungsschutz rund 40.000 Personen der rechtsextremen Szene zu, darunter etwa 10.000 gewaltbereite Schläger. Die meisten Straftaten mit rechtsextremem beziehungsweise fremdenfeindlichem Hintergrund pro Einwohner gebe es im Osten. An der Spitze stehe Brandenburg mit vier Gewaltverbrechen pro 100.000 Einwohnern, gefolgt von Sachsen-Anhalt (drei) und Berlin (knapp zwei). |