20.02.2009 - 08:17 Schulden, Kapitalflucht, Währungsverluste: Die Krise hat die Länder Zentral- und Osteuropas voll erwischt. FTD.de zeigt, was Investoren aufschreckt - und was den Staaten noch blühen könnte.
Auch die Boomregion der letzten Jahre hat der globalen Krise nicht standgehalten. Einige Länder mussten bereits den Internationalen Währungsfonds (IWF) und die EU um Unterstützung bitten. Multilaterale Institutionen suchen nun nach Wegen, der Region zu helfen. Eine koordinierte Initiative gibt es bislang nicht - die nun auch von Weltbankpräsident Robert Zoellick vehement gefordert wird. Immerhin könnte die Region andere Schwellenländer anstecken und den Westen weiter belasten.
Auch Banken, die über Tochtergesellschaften in der Region stark vertreten sind, pochen auf Unterstützung - natürlich nicht uneigennützig, denn die Probleme der betroffenen Länder sind auch ihre. Die Verwerfungen führen unter anderem dazu, dass Kredite faul werden. Außerdem ist die Refinanzierung für die Institute der Region eine enorme Bürde. FTD.de gibt einen Überblick über die Situation.
Polen
Viele Experten halten das Land zwar für robuster als etliche andere in der Region. So ist das Leistungsbilanzdefizit moderat, der Anteil an Krediten in Fremdwährungen liegt bei nur rund 25 Prozent. Unternehmen und Privatpersonen werden daher nicht so stark von der Abwertung der heimischen Währung getroffen wie in anderen Ländern der Region. Die Auslandsschulden steigen zwar durch den Währungverfall, sind aber noch beherrschbar.
Investoren scheinen dennoch das Vertrauen zu verlieren. Der Aktienindex WIG 20 sank Anfang des Monats auf ein Fünfjahrestief. Allein seit Jahresbeginn hat zudem der polnische Zloty rund 13 Prozent zum Euro verloren.
Die Regierung verhandelt nun mit der Europäischen Zentralbank über einen Beitritt zum Wechselkursmechanismus II - eine Vorbedingung, um später den Euro einführen zu dürfen. Der Zloty würde dabei enger an den Euro gekoppelt. Experten halten der Notenbank - wie auch anderen Zentralbanken in der Region - vor, die Zinsen mit Blick auf den Abschwung zu rasch gesenkt und damit den rapiden Verfall der Währung mitverursacht zu haben.
Tschechien
Die tschechische Krone hat im letzten halben Jahr rund 16 Prozent zum Euro eingebüßt. Die Zentralbank hat nun angedeutet, sie könne zur Stützung der Krone gar die Zinsen anheben. Dabei wird das Land von Experten als weniger verletzlich eingeschätzt als viele Nachbarn. Das Leistungsbilanzdefizit ist nicht allzu groß, die Auslandsschulden sind verhältnismäßig niedrig. Privatpersonen und Unternehmen waren auch sehr zurückhaltend dabei, Kredite in Euro oder Franken aufzunehmen: Der Anteil der Darlehen in Fremdwährung liegt unter zehn Prozent - ein für die Region sehr niedriger Wert.
Die Volkswirtschaft des Landes entzieht sich der Krise dennoch nicht. Seit die Nachfrage in Westeuropa eingebrochen ist, schlägt der Abschwung auch in Ländern wie Tschechien durch. Hier macht sich unter anderem der schrumpfende Autoabsatz bemerkbar, da das Land in der Produktion stark vertreten ist. Arge Turbulenzen, wie sie beispielsweise Ungarn erlebt hat, dürfte das Land aus Sicht der Experten aber vermeiden.
Ungarn
Das Land wird hart von der Krise getroffen - über seinen liquiden Finanzmarkt mit einem hohen Anteil ausländischer Investitionen ist es besonders exponiert. Diese ausländischen Kapitalgeber haben schnell reagiert und ziehen ihr Geld ab. Hinzu kommen die hohe Verschuldung des Staats und des Privatsektors gegenüber ausländischen Gläubigern und einer hoher Anteil an Krediten in Fremdwährung. Er liegt in dem Land bei fast 60 Prozent.
Im vergangenen Jahr musste Ungarn bereits den Internationalen Währungsfonds (IWF) um Hilfe bitten. Auch die EU sprang dem Land bei. Zum Euro hat der ungarische Forint in den vergangenen sechs Monaten über ein Fünftel seines Werts verloren. Ein großes Risiko liegt nun darin, dass Banken, die stark von ihren westeuropäischen Muttergesellschaften abhängen, die Kreditvergabe stark drosseln - was der Wirtschaft noch mehr schaden und den Druck auf die Währung erhöhen würde.
Estland, Litauen und Lettland
Die drei Länder sind besonders verletzlich. Schuld sind enorme Defizite und ein hoher Anteil an Krediten in Fremdwährungen. Letzterer liegt zwischen 60 und 90 Prozent. Dennoch sind die Staaten bislang von größeren Schocks verschont geblieben. Ökonomen der UBS begründen dies damit, dass die baltischen Länder keine liquiden Finanzmärkte mit einem großen Anteil ausländischer Investoren haben.
Die externen Defizite hätten sich vielmehr über die Kreditvergabe durch ausländische Banken aufgebaut, etwa die großen schwedischen Häuser. Hier lauern aber Gefahren. "Die ausländischen Banken, die in der Vergangenheit Kredite ausgereicht haben, haben noch nicht auf die neue Situation reagiert, indem sie die Kreditvergabe drosseln", schreiben die Ökonomen. "Falls und wenn das passiert, könnten die Folgen für diese Länder erheblich sein."
Sorge macht Beobachtern vor allem, dass die Länder gezwungen sein könnten, die Koppelung ihrer Währungen an den Euro zu kappen. "Die Geschichte lehrt uns, dass der Schaden meist riesig ist, wenn Bindungen reißen", schreiben die Volkswirte von UBS. Kräftige Abwertungen der Landeswährungen wären die Folge. Dies wiederum würde die in Fremdwährung verschuldeten Firmen und Privatpersonen belasten und zugleich die Importe verteuern. Auch könnte die im Abwehrkampf schwächer werdende Position osteuropäischer Notenbanken Spekulanten auf den Plan rufen. Die Ratingagentur Moody's zählt die baltischen Staaten zu den osteuropäischen Ländern, die dem größten Risiko ausgesetzt sind.
Russland
Das Land leidet hauptsächlich unter einem schwachen Finanzsystem und seiner Abhängigkeit von Rohstoffpreisen. Rund 20 Prozent hat der Rubel in den vergangenen sechs Monaten zum Euro verloren. Grund ist unter anderem der Ölpreis, der seit seinem Höchststand im vergangenen Sommer deutlich gesunken ist. "Wenn die Ölpreise noch viel tiefer fallen und niedrig bleiben, wird der Rubel schließlich deutlich weicher werden müssen - ein Übergang, der schwierig zu handhaben ist", so die UBS-Volkswirte. Im schlimmsten Fall könnte Russland eine ähnliches Szenario drohen wie Asien in den 90er-Jahren
Bislang stemmt sich Russland mithilfe seiner Reserven gegen eine zu rapide Abwertung. Dennoch lässt das Vertrauen in den Rubel nach. Es gibt weitere Alarmzeichen. So werden massiv Einlagen abgezogen - weil gerade Privatpersonen wenig Vertrauen zum Finanzsystem haben. Das schwächt wiederum die Banken des Landes. Die russische Regierung musste bereits vier der 40 größten Institute mit Hilfen stützen.
Ukraine
Der Staat ist schwer angeschlagen. Derzeit verhandelt er mit dem IWF über weitere Hilfszahlungen. Bislang hat das Land erst einen Teil der im Herbst zugesagten rund 16 Mrd. Euro erhalten. Auch ein Bankrott wird nicht mehr ausgeschlossen. "Wir erwarten eine verstärkte Währungsschwäche und sehen ein wachsendes Risiko, dass die Regierung die Zahlungsunfähigkeit erklären muss", schrieben die Analysten der Danske Bank vor wenigen Tagen in einer Notiz. Die Ratingagentur Fitch stufte die Kreditwürdigkeit des Landes vorige Woche herab.
Das Land ist politisch instabil und zudem enorm abhängig von Rohstoffpreisen - Stahl macht allein 40 Prozent der Exporte aus. Die Verschuldung ist hoch, besonders im Finanzsektor. Die Stahlpreise fallen - und sollten sie sich nicht erholen, muss das Land wahrscheinlich die Griwna weiter abwerten lassen, um mit seinem enormen Leistungsbilanzdefizit fertig zu werden. Bis Jahresende könnte es sich laut der Volkswirte der UBS auf 17 Mrd. $ ausweiten - das entspräche 10 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Die Griwna hat in den letzten sechs Monaten rund 42 Prozent zum Dollar verloren. Der Aktienmarkt hat seit Anfang 2008 fast 80 Prozent eingebüßt. |