Die Unternehmensbewertung von RWE ist ohne Frage nicht sonderlich hoch, um es mal vorsichtig auszudrücken. Das EV/EBITDA-Multiple liegt bei gut 7, rechnet man den Einmaleffekt Texas heraus, dann beträgt es sogar nur gut 6. Rechnet man den Bereich Kohle/Atomkraft sowie Energiehandel heraus sowie den Einmaleffekt Texas, kommt man auf ein Multiple von etwas mehr als 9. Dazu im Vergleich der große Mitwettbewerber Orsted mit einem entsprechenden Multiple von ca. 19 (!). Würde man dasselbe Multiple bei RWE für seinen Bereich erneuerbare Energien anwenden, dann müßte der Marktwert ca. 42,75 Mrd. € liegen (19 * 2,25 Mrd. €), dazu noch der Bereich Kohle/Atomkraft/Energiehandel mit einem Multiple von 4 (sehr sehr konservative Annahme) ergibt zusätzlich einen Marktwert von ca. 4,4 Mrd. €. Summa summarum kommt man auf 47,15 Mr. €, geteilt durch die Anzahl der Aktien, würde dies einen fairen Aktienkurs von ca. 70 € ergeben.
Man kann gegen die obige sehr einfache Berechnung ohne Frage sehr viel einwenden, z.B. Texas herauszurechnen ist nicht angebracht, Orsted ist viel schlanker aufgestellt und zudem krass überbewertet, um nur 2 Gegenargumente zu nennen, es gibt sicherlich noch viele mehr. Ich würde auch nie auf den Gedanken kommen zu behaupten, mein Kursziel läge bei 70 €. Bei der Berechnung geht es nur darum, daß RWE ohne Emotionen (böser Atomkraft/Kohle-Betreiber) betrachtet, relativ günstig bewertet ist (wirklich sehr günstig).
Was bedeutet dies nun für die weitere mögliche längerfristige Aktienkursentwicklung :
Szenario 1) RWE macht einen Spin-Off, spaltet also die Kohle/Atomkraft-Sparte ab und beide Teile zusammen werden aller Voraussicht deutlich höher bewertet, als ohne Spin-Off.
Szenario 2) Ein Unternehmen, welches ohne jahrelangen Aufbau in den Bereich erneuerbare Energien vorankommen möchte, kauft RWE, verscherbelt ggfls. die Sparte Atomkraft an z.B. Edf und die Kohlesparte z.B. an Uniper (Fortum).
Szenario 3) Ein 'Private Equity-Fonds' o.Ä. macht sich die relative Unterbewertung zunutze und übernimmt RWE und geht voraussichtlich wie in Szenario 1 und 2 vor
Szenario 4) Es passiert nichts, also kein Spin-Off oder Übernahme.
Das vierte Szenario wäre vermutlich zunächst nicht so optimal für die RWE-Aktionäre. Wenn die Marktteilnehmer sagen, wir kaufen keine Aktien, die mit Kohlekraft zu tun haben, dann kaufen sie halt nicht, egal wie die Unternehmensbewertung ist. Überspitzt formuliert, auch wenn ich die Aktien geschenkt bekomme, dann wandern sie nicht in mein Depot. Natürlich wird es immer eine Reihe von Marktteilnehmern geben, die bei Kurs xy zugreifen und es ist durchaus möglich, daß der Kurs langsam mit Rückschlägen nach oben kriecht, aber es könnte sehr zäh werden.
Umso länger die Kurse stagnieren oder gar (deutlicher) zurückgehen, umso eher wahrscheinlich wird das erste, zweite oder dritte Szenario.
Wie auch immer, ich sehe bei den aktuellen Kursen mehr Chancen als Risiken. Ich habe Anfang des Jahres bei rund 36 € die ersten Aktien gekauft und die Kursschwäche genutzt, um immer wieder ein paar Stücke zuzukaufen. Da ich unter Chance/Risikoverhältnis die Aktie als attraktiv bewerte, werde ich auch zukünftig bei Kursschwäche eher auf der Käuferseite stehen. |