News - 15.08.06 20:59 Salzgitter baut für Stahlboom-Ende vor
Der Salzgitter-Konzern will neben der Stahl- und Röhrenproduktion ein neues Geschäftsfeld aufbauen, um die Abhängigkeit von der zyklischen Stahlkonjunktur zu verringern. "Heute sind 75 Prozent unserer Aktivitäten direkt vom Stahlzyklus abhängig", sagte Salzgitter-Chef Wolfgang Leese im Interview mit der FTD.
"Künftig sollen es nur noch 50 Prozent sein." 25 Prozent entfielen dann weiterhin auf das hoch profitable Geschäft mit Pipelines - und 25 Prozent auf das neue Geschäft. Um welches es sich handeln könnte, ließ Leese offen.
Mit dem geplanten Ausbau will Leese seinen Konzern für das Ende des derzeitigen Stahlbooms rüsten, das er in zwei oder drei Jahren erwartet. Dass die Konzernstruktur dafür um eine neue Sparte ergänzt werden muss, schloss er nicht aus. "Unser neues Geschäftsfeld bleibt jedenfalls im Umfeld von Stahl, Röhren und Handel", grenzte Leese ein. Einen Ausbau der relativ unbedeutenden Stahlverarbeitung im Konzern plant er jedenfalls nicht. Die einst eigenständige Verarbeitungssparte hatte der fünftgrößte Stahlhersteller Europas 2003 aufgelöst. "Wir würden damit unseren eigenen Kunden Konkurrenz machen", begründete Leese. Salzgitter beliefert neben der Automobilindustrie vor allem Zulieferer mit hochwertigen Flachstählen.
"Unsere Aktie wartet auf Akquisitionen"
Seit der Stahlboom und die hohe Nachfrage nach Pipelines dem Konzern im vergangenen Jahr ein Rekordergebnis von 840 Mio. Euro nach Steuern beschert haben, steigt der Druck auf Leese, die Gewinne in Wachstum zu investieren. "Unsere Aktie wartet auf Akquisitionen", räumte er ein - doch zunächst habe man den Verkauf der Anteile am französischen Röhrenhersteller Vallourec abschließen müssen. "Damit hat Salzgitter jetzt 2,3 Mrd. Euro flüssig", rechnete Leese vor. "Und bei Bedarf könnten wir auch mehr aufbringen."
Der im enthaltene Konzern stehe nun "vor einem bedeutenden Expansionsschritt", man habe gleich "mehrere Projekte an der Angel". Interesse hat Leese auch an dem Thüringer Walzwerk des Luxemburger Arcelor-Konzerns , das dieser nach der Fusion mit Mittal aus kartellrechtlichen Gründen eventuell verkaufen muss. "Thüringen würde uns erweitern - keine Frage", sagte Leese. Wachstumschancen sieht der Manager vor allem im Ausland. "Für die Balance des Konzerns brauchen wir mehr internationale Aktivitäten", sagte er. Interesse zeigte er vor allem an Nordamerika, Investitionen in Asien und Osteuropa schloss er dagegen aus. Sein eigenes Stahlgeschäft will Leese gegen die billigere Konkurrenz aus dem Osten vor allem durch Spezialisierung schützen. "Als Nischenanbieter können wir unsere Produkte exakt an den Bedarf des Kunden anpassen - damit werden wir nicht so einfach austauschbar."
Die Entscheidung zahlreicher Wettbewerber, jetzt massiv in den Ausbau der Produktionsmenge zu investieren, hält Leese dagegen für falsch. "Alle bauen ihre Kapazitäten aus, dabei wächst der Stahlverbrauch in Europa und den USA gerade mal um ein oder zwei Prozent. Zudem nehmen die Importe nach Europa bereits heute gewaltig zu."
Steigende Preise erwartet
Für das vierte Quartal dieses Jahres und für 2007 rechnet Salzgitter ebenso wie der deutsche Marktführer ThyssenKrupp noch damit, die Stahlpreise weiter anheben zu können. Seit Anfang des Jahres haben die beiden Konzerne ihre Preise bereits um etwa 20 Prozent erhöht.
Grundlegend anders als das zyklische Stahlgeschäft beurteilt Leese die Entwicklung der Röhrensparte. Hier plant Salzgitter, die Kapazitäten deutlich zu erweitern. "Die Nachfrage nach längs- und spiralgeschweißten Rohren ist gewaltig - und es ist kein Ende in Sicht", begründete Leese. Die Tochterfirma Europipe, an der auch der saarländische Stahlhersteller Dillinger Hütte zu 50 Prozent beteiligt ist, ist derzeit Weltmarktführer für Großrohre.
Auf Leeses Übernahmewunschliste steht die Dillinger Hütte an oberster Stelle, bislang waren die Eigentümer allerdinsgs nicht verkaufsbereit. Der Arcelor-Konzern, der 51 Prozent an dem Unternehmen hält, könnte seine Haltung nach der Fusion mit Mittal aber noch einmal überdenken. "Eine Entscheidung steht noch aus", sagte Leese.
Die gerade erst erhöhte Gewinnprognose für 2006 wertete der Salzgitter-Chef weiterhin als vorsichtig. Offiziell rechnet der Konzern nun operativ mit einem Vorsteuerergebnis von 650 Mio. Euro, Stahlanalysten erwarten bis zu 800 Mio. Euro. "Wir gehen da weiter vorsichtig heran und setzen Limits nach unten", sagte Leese. "Es ist aber durchaus möglich, dass wir unsere Prognose nach dem dritten Quartal noch einmal anheben."
Der Markt ist nun offenbar überzeugt, dass Salzgitter vor feindlichen Übernahmen durch die Sperrminorität des Landes Niedersachsen geschützt ist. Mit Ministerpräsident Christian Wulff habe er gerade erst über die künftige Rolle des Landes im Unternehmen gesprochen, sagte Leese. Zur Jahreswende wird eine gemeinsame Erklärung erwartet.
Quelle: Financial Times Deutschland
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