Wirtschaftsminister beraten in Sonderkonferenz über Emissionshandel
Im Streit um den Emissionshandel hat Bundesumweltminister Jürgen Trittin die Wirtschaftsminister der Länder scharf angegriffen. "Viele von ihnen sind in ihrer wirtschaftlichen Vorstellung mental in den siebziger Jahren stecken geblieben", sagte der Grünen-Politiker aus Anlass der Sonderkonferenz der Minister am Freitag in Berlin.
Teilnehmen wollte auch Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD). Das Treffen sei der Versuch, das Rad der ökologischen Modernisierung Deutschlands zurückzudrehen, erklärte Trittin der "Berliner Zeitung". Statt das Innovationspotenzial zu sehen, fürchteten die Minister jede Veränderung. Es wurde damit gerechnet, dass sich die Konferenz klar auf die Seite Clements stellt. Nach Darstellung der Bundesregierung zeichnet sich ein Kompromiss ab. Die zwei Minister seien nicht mehr "so weit auseinander", erklärte Regierungssprecher Hans-Hermann Langguth am Freitag in Berlin. Daher sei er "sehr optimistisch", dass eine Einigung - wie von der EU gefordert - bis kommenden Mittwoch erzielt werde. Die Bundesregierung muss eigentlich bis Mittwoch den Zuteilungsplan für den Schadstoffhandel deutscher Unternehmen der EU melden. Während Trittin die Frist unbedingt einhalten will, findet Clement dies für "wünschenswert, aber nicht zwingend". Die zwei Minister streiten seit Wochen über den Plan. Machtwort von Schröder?
Erwartet wird, dass der Konflikt erst durch ein Machtwort von Bundeskanzler Gerhard Schröder entschärft wird. Trittin erhofft sich Rückendeckung von Schröder, der in seiner jüngsten Regierungserklärung ein Bekenntnis zur ökologischen Modernisierung Deutschlands abgegeben hatte. Ob sich Schröder in den Konflikt einschalten werde, sei offen, sagte Trittin. Einen Kompromiss, mit dem vor allem Clements Forderungen erfüllt würden, lehnte der Grünen-Politiker strikt ab. Beim Emissionshandel gehe es um eine "zentrale Grundlage dieser Koalition". Der für den Aufbau Ost zuständige Bundesverkehrsminister Manfred Stolpe (SPD) forderte eine Bevorzugung der neuen Länder. Dort sei durch den Zusammenbruch der Industrie nach 1990 der Ausstoß von Treibhausgasen deutlich zurückgegangen, wodurch ein gewisses "Emissionsguthaben" entstanden sei, sagte er laut Chemnitzer "Freie Presse". Zugleich verwies er auf die inzwischen im Osten errichteten hochmodernen, umweltfreundlichen Kraftwerke, die den europäischen Normen voll entsprächen. Diese Leistungen müssten beim Klimaschutz berücksichtigt werden, forderte Stolpe. Zementindustrie protestiert
Unternehmen und Betriebsräte der Zementindustrie protestierten gegen die Pläne des Umweltministeriums zum Emissionshandel. In einer gemeinsamen Resolution, die sie am Freitag Clement übergaben, erklärten sie, der Handel mit Verschmutzungsrechten in der bisher geplanten Form gefährde den Aufschwung sowie Wettbewerbsfähigkeit und Arbeitsplätze in Deutschland. Mit den Vorgaben von Umweltminister Trittin zur Zuteilung von Zertifikaten für Kohlendioxid-Emissionen würden der Industrie doppelte Daumenschrauben angelegt, argumentiert die Branche. Zum einen erhöhten sich generell die Energiekosten. Zum anderen stiegen speziell in der Zementindustrie die Kosten für jede zusätzlich produzierte Tonne Zement um bis zu 40 Prozent. Wenn bei der Zuteilung der Zertifikate die schlechten Konjunkturjahre 2000 bis 2002 zu Grunde gelegt würden, müssten die Zementhersteller bei Ankurbelung der Produktion teure Zertifikate zukaufen. Dies verschlechtere die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Unternehmen. Ein Abgleich mit den Regelungen in anderen EU-Staaten sei daher zwingend notwendig. "Industrie nicht schonen"
Mit Blick auf den Streit um den Emissionshandel haben Verbaucherschützer davor gewarnt, die Industrie zu schonen und dafür womöglich die Privathaushalte stärker zur Kasse zu bitten. Der Bundesverband der Verbraucherzentralen (vzbv) befürchtet, dass die gesamte vorgesehene Minderung des CO2-Ausstoßes von 17 Millionen Tonnen bis 2012 den Endkunden angelastet werden soll, wie vzbv-Vorstand Edda Müller am Freitag in Berlin erklärte. Falls die Industrie - wie von Bundeswirtschaftsminister Clement gefordert - von ihrem Anteil an der Reduzierung entlastet werde, müssten die Einsparungen an anderer Stelle erbracht werden, erläuterte vzbv-Energieexperte Holger Krawinkel. Dann drohten zum Bespiel eine Erhöhung der Kfz-Steuer, um den privaten Verkehr zu drosseln, oder auch strengere Baustandards, wodurch Häuslebauer tiefer in die Tasche greifen müssten. Mit Material von dpa, AP, AFP
Quelle: http://www.heute.t-online.de/ZDFheute/artikel/0/...-0-2115136,00.html |