Beim Sonderfall Spanien verläuft die
Entwicklung rasant: Kurz vor Redaktionsschluss
gab es eine Wendung, die selbst
Bankenexperten überraschte: Das Bundesfinanzministerium
(BMF) hat auf Anfrage von BÖRSE ONLINE erstmals bestätigt,
dass sämtliche spanischen Dividendenzahlungen
aus dem Jahr 2009 an Anleger mit
deutscher Bankverbindung zum Negativen
hin korrigiert werden müssen: „Da die
deutschen Kreditinstitute in 2009 die Quellensteuer
fälschlich angerechnet haben,
muss eine Berichtigung der angerechneten
Quellensteuer erfolgen“, heißt es in dem
Schreiben. Wie die Korrektur ablaufen soll,
wird derzeit zwischen BMF und Banken
verhandelt.
Für Privatanleger ist mit dieser Nachricht
klar: Wer sich 2009 über Dividendenerträge
aus Spanien gefreut hat, sollte
nun Rücklagen bilden, um für die Nachforderungen
gewappnet zu sein. Das ist für
viele Investoren besonders ärgerlich, nachdem
ihnen bereits im vergangenen Jahr die
iberischen Dividendenausschüttungen
storniert und danach mit spanischer Quellensteuer
(19 Prozent) und deutscher Abgeltungsteuer
(25 Prozent mit 5,5 Prozent
Solidaritätszuschlag und gegebenenfalls
Kirchensteuer) belastet worden waren. Insgesamt
ergab das eine Steuerlast von
45,4 Prozent – ohne Kirchensteuer.
Doch wie kam es zu diesem Durcheinander?
Grundsätzlich stoßen beim Thema
Quellensteuer zwei Interessen aufeinander.
Der deutsche Fiskus sagt: Wer seinen
Wohnsitz in Deutschland hat, muss hier
auch sein gesamtes Welteinkommen versteuern,
und dazu zählen auch Erträge
durch ausländische Wertpapiere. Und es
spielt keine Rolle, ob diese im deutschen
oder ausländischen Depot liegen.
Länder,
in denen die Unternehmen beheimatet
sind, ihren Anteil an den Gewinnausschüttungen.
Sie kassieren ihre Abgabe direkt
an der Quelle, noch bevor die Gelder an die
ausländischen Investoren über die Grenze
fließen können – daher auch der Name
Quellensteuer. Im schlechtesten Fall läuft
es für einen deutschen Anleger so: Eine
Dividende wird im sogenannten Quellenland
um den dortigen Steuersatz gekürzt
und nach Deutschland überwiesen, wo
dann der hiesige Fiskus zuschlägt. Ergebnis:
eine Doppelbesteuerung.
Da so eine Zweifachbelastung auf Dauer
viele Anleger von Auslandsinvestitionen
abhalten könnte, haben jedoch viele Länder
sogenannte Doppelbesteuerungsabkommen
(DBA) geschlossen. Deutschland unterhält
mit mehr als 80 Staaten solche Verträge.
In den Kontrakten ist geregelt, wie
viel Prozent der im Ausland erhobenen
Quellensteuer maximal auf die deutsche
Abgeltungsteuer angerechnet werden können.
Sehr häufig sind es 15 Prozent, weil
dieser Satz in einem Muster-DBA der Organisation
für wirtschaftliche Zusammenarbeit
und Entwicklung (OECD) vorgesehen
ist und daher als Vorbild gilt. Der Sinn einer
solchen Einigung: Jede Seite erhält ein
Stück vom Steuerkuchen, ohne dass Investitionen
im Ausland unattraktiv werden.
Doch auch für den Anleger bieten die
DBA-Prozentsätze eine Besonderheit: Sie
ermöglichen es ihnen, sich zumindest
einen Teil der Steuerlast zurückzuholen.
Das ist vor allem deshalb wichtig, weil einige
Staaten mehr Quellensteuer einbehalten
als in Deutschland anerkannt wird. So
schlagen etwa die Schweiz mit 35 Prozent
und Finnland mit 28 Prozent beim Anleger
besonders stark zu, wobei der deutsche
Fiskus nur 15 Prozent auf die hiesige Abgabe
anrechnet.
Die Lösung: Investoren können per
Antrag den hierzulande nicht anerkannten
Steueranteil im Quellensteuerstaat zurückfordern.
Ein Musterbeispiel dafür, wie unkompliziert
das funktionieren kann, ist die
Schweiz (siehe Rechenbeispiel auf Seite
20). Problemlos funktioniert die Rückerstattung
in der Regel auch bei den Staaten
Frankreich und Österreich.
Berüchtigt, wenn es um Quellensteuer-
Rückerstattungsanträge geht, ist dagegen
Italien. Wartezeiten von fünf bis zehn Jahren
sind hier keine Seltenheit. „Wenn überhaupt
gezahlt wird“, sagt ein Steuerberater,
der nicht genannt werden möchte.
„Ich hatte in den letzten 20 Jahren immer
den Eindruck, das wird in Italien nach Kassenlage
entschieden. Mittlerweile rate ich
Anlegern, sich ernsthaft zu überlegen, ob
sie sich den Ärger nicht ersparen wollen,
indem sie von vornherein auf einen Antrag
in Italien verzichten.“
Für Spanien steht mittlerweile immerhin
fest, dass 1500 Euro Dividendenerträge
pro Jahr von der dortigen Quellensteuer
befreit sind. Das gilt sowohl für Spanier als
auch für deutsche Aktionäre. Da der spanische
Staat aber nicht nachvollziehen
kann, wie viele Dividenden ein Anleger
bereits erhalten hat, werden zunächst pauschal
19 Prozent Quellensteuer abge
zogen. Spanier lassen sich dieses Geld
über ihre Einkommensteuererklärung
gutschreiben.
Das Problem für Deutsche: Der Freibetrag
von 1500 Euro stellt einen Erstattungsanspruch
gegenüber dem spanischen Fiskus
dar. Und solange sich Privatanleger
dieses Geld nicht dort zurückgeholt haben,
erlaubt der deutsche Fiskus nicht, die dort
bezahlte Steuer auf die Abgeltungsteuer
anzurechnen. Da ändert es auch nichts,
dass es die formalen Hürden in Spanien
für einen Deutschen schwer machen, sein
Geld zurückzufordern. Zunächst gilt es,
eine spanische Steuernummer für Ausländer
zu beantragen, die sogenannte NIE. Das
geht zum einen in einer Dienststelle der
nationalen Polizei („Policía Nacional“), die
in vielen größeren Städten zu finden sind.
Zum anderen können Anleger die Nummer
auch in der spanischen Botschaft in Berlin
oder den Generalkonsulaten in Frankfurt,
Hamburg, Hannover, München, Stuttgart
oder Düsseldorf beantragen.
„Die nächste Hürde ist eine spanische
Bankverbindung“, sagt Jörg Hörauf, Steuerberater
bei Ecovis in Barcelona, „die ist
zwingend, weil eine Erstattung nur auf ein
spanisches Konto überwiesen werden
kann.“ Und damit nicht genug: Wer sich
die NIE und ein iberisches Konto eingerichtet
hat, muss auch noch einen Erstattungsantrag
ausfüllen. Den finden Aktionäre
unter
www.aeat.es im Internet.
Der Antrag, den Webnutzer mittels
Suchfeld (Buscar) leicht finden, heißt „Modello 210
Steuerexperte Hörauf ist skeptisch
angesichts der neuen Situation:
„Deutsche Privatanleger sollten derzeit eine
Investition in spanische Wertpapiere gut
abwägen“, meint er. Häufig halte sie aufgrund
der gestiegenen Steuerbelastung
keiner Renditebetrachtung mehr stand.
Doch es gibt auch einen Lichtblick. So
haben einige Bankenfunktionäre in Berlin
offenbar die ersten Signale erhalten, dass
in Spanien über eine Gesetzesnovelle nachgedacht
wird: Demnach könnte es noch in
diesem Jahr möglich werden, dass die spanische
Erstattung auch auf ein deutsches
Konto überwiesen wird.
Knifflig bleibt der Fall Norwegen. Das
deutsche Finanzministerium beharrt im
Augenblick weiter darauf, deutsche Anleger
könnten sich dort Quellensteuer zurückzahlen
lassen. Etliche Banken haben vom
norwegischen Fiskus jedoch die Auskunft
erhalten, dies gelte nicht für Privatanleger.
Und bis diese Meinungsverschiedenheit
geklärt ist, bleibt den Anlegern nichts übrig,
als abzuwarten. BÖRSE ONLINE wird diese
Entwicklung im Auge behalten – und regelmäßig
darüber berichten.