Als vor wenigen Tagen Einzelheiten der neuen rot-gruenen Steuerplaene bekannt wurden, bekamen Deutschlands Aktionaere einiges zu schlucken. Um die Steuerfreiheit von Kursgewinnen nach Ablauf der zwoelfmonatigen Spekulationsfrist duerfte es geschehen sein. Gewinne aus Aktiengeschaeften sollen in Zukunft generell und unabhaengig von der Dauer des Engagements steuerpflichtig sein. Massgebend fuer die Hoehe der Steuer ist der persoenliche Einkommensteuersatz.
Im internationalen Vergleich ist die bisherige deutsche Regelung der Steuerfreiheit von Kursgewinnen, wenn zwischen Kauf und Verkauf mindestens ein Jahr liegt, recht generoes. Nur in wenigen Laendern ist das Aktionaersleben noch angenehmer; etwa in Belgien, wo Kursgewinne grundsaetzlich steuerfrei sind und in den Niederlanden, wo nur solche Investoren betroffen sind, die mindestens fuenf Prozent des Kapitals einer AG halten - was fuer Kleinaktionaere in der Praxis Steuerfreiheit bedeutet. In den meisten Laendern aber ist schon Realitaet, was hier zu Lande Gesetz werden soll: Kapitalgewinne sind stets steuerpflichtig. Im Grundsatz laesst sich gegen die geplante Regelung also wenig sagen, aber einige Details sorgen mit Recht fuer Aufregung.
So wuerde die Heranziehung des persoenlichen Einkommensteuersatzes als Bemessungsgrundlage zu einer deutlich hoeheren Besteuerung fuehren als in anderen Laendern. Erstens ist dieser Einkommensteuersatz in Deutschland mit maximal 48,5 Prozent im internationalen Vergleich hoch, und zweitens werden Kursgewinne im Ausland fast ausnahmslos geringer besteuert als andere Einkuenfte. In den USA gab es von 1988 bis 1991 eine einheitliche Besteuerung von Kursgewinnen und anderen Einkuenften. Seither folgte in mehreren Schritten eine Anhebung des maximalen Einkommensteuersatzes, waehrend die Gewinnbesteuerung immer aktionaersfreundlicher wurde. Seit 1998 werden nur solche Gewinne voll besteuert, bei denen zwischen Kauf und Verkauf weniger als zwoelf Monate liegen. Bei laengerfristigen Engagements werden 20 Prozent Steuern faellig. Seit 2001 gilt zudem ein Steuersatz von 18 Prozent, wenn die Aktien laenger als fuenf Jahre gehalten wurden. Die Verrechnung von Kursverlusten mit anderen Einkuenften ist bis zu einer Hoehe von 3000 Dollar moeglich.
Diese Steuergesetzgebung hatte weitreichende Folgen; nicht nur fuer die Portemonnaies der Aktionaere, sondern auch fuer die Ausschuettungspolitik der amerikanischen Unternehmen. Jeremy Siegel, der als moeglicher Greenspan-Nachfolger gehandelte Professor an der Wharton School of Economics, hat das in seinem Buch "Stocks for the Long Run" sehr anschaulich gezeigt: Da Kursgewinne weit milder besteuert werden als Dividenden, ist in den USA der Anteil der Unternehmensgewinne, der als Dividende ausgeschuettet wird, stetig geringer geworden, waehrend Aktienrueckkaeufe der Unternehmen stark zugenommen haben. Es liegt im Interesse der Aktionaere, dass Unternehmensgewinne vermehrt fuer Rueckkaeufe und potentiell kurssteigernde Investitionen verwendet werden. Wenn die Zahl der Aktien eines Unternehmens sinkt, steigen tendenziell der Gewinn je Aktie und der Kurswert. Und davon hat der Aktionaer schon aus steuerlichen Gruenden mehr als von einer grosszuegigen Dividende. Der von vielen beklagte Rueckgang der Dividendenrendite amerikanischer Aktien hat also fuer die Anteilseigner durchaus auch eine Schokoladenseite.
In den europaeischen Laendern wird die Besteuerung von Kursgewinnen sehr unterschiedlich gehandhabt. So gilt etwa in Schweden ein pauschaler Steuersatz von 30 Prozent. In Spanien greift der Fiskus mit 18 Prozent zu, erhebt allerdings stolze 48 Prozent, wenn zwischen Kauf und Verkauf weniger als ein Jahr liegen. In Luxemburg gilt noch immer, was in Deutschland bis 1999 galt: Nach Ablauf einer sechsmonatigen Spekulationsfrist sind Kursgewinne steuerfrei. In Grossbritannien werden in der Regel zehn Prozent faellig, in Frankreich 26 Prozent, wobei es allerdings grosszuegige Freigrenzen und andere Moeglichkeiten gibt, die faelligen Steuern zu druecken.
Zwar liefen in den vergangenen Tagen Aktionaersvertreter und grosse Teile der deutschen Finanzwelt gegen die Steuerplaene Sturm, aber bekanntlich wird nichts so heiss gegessen, wie es gekocht wird. Aenderungen des Einkommensteuerrechts beduerfen der Zustimmung des Bundesrats, und angesichts der dortigen Mehrheitsverhaeltnisse ist nicht zu erwarten, dass die vorgesehene Neuregelung in allen Details Gesetz wird. Zudem ist unter Juristen umstritten, wie mit Spekulationsverlusten umzugehen ist. Wenn Kursgewinne in jeder Hoehe steuerpflichtig sind, so eine verbreitete und fundierte Meinung, muessen Kursverluste auch in jeder Hoehe steuerlich geltend gemacht und gegen Einkuenfte aus anderen steuerrelevanten Bereichen aufgerechnet werden koennen. Etwa so, wie es heute bei Verlusten aus Vermietung und Verpachtung moeglich ist. In schlechten Boersenjahren koennten dem Fiskus dadurch erhebliche Steuereinbussen entstehen.
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