Sparbrötchen und Pokerspieler Von Jens Koenen
Ralph Dommermuth, Vorstandsvorsitzender des Internet-Zugangsanbieters United Internet, ist mit dem Verkauf von Internet-Anschlüssen der Telekom groß geworden. Doch die Treue zum Magenta-Riesen fällt schwer. FRANKFURT. Der Kopf bewegt sich von links nach rechts, die Lippen werden geschürzt. Ein gewisses Unbehagen schwingt mit, als Ralph Dommermuth über seine Beziehung zur Deutschen Telekom spricht. „Ich bin nicht angetreten, der Deutschen Telekom zu schaden“, sagt der Vorstandsvorsitzende des Internet-Zugangsanbieters United Internet am Freitag in Frankfurt. Aber dem magentafarbenen Riesen die Treue zu halten – das fällt dem 43-Jährigen mit dem etwas lichten Haar derzeit sichtlich schwer.
Das Thema: der Verkauf von Telefonanschlüssen. Bislang braucht, wer bei United Internet einen Internet-Zugang kauft, einen Anschluss der Deutschen Telekom. Seit Juni vertreibt United Internet eigene Telefonanschlüsse – allerdings der Telekom-Rivalen Telefónica und QSC. „Natürlich hätten wir die Anschlüsse gerne von der Telekom, aber die haben uns bis jetzt kein Angebot gemacht“, klagt Dommermuth. Und warten, das sei in dem hart umkämpften Markt unmöglich.
Dommermuth und die Deutsche Telekom – das ist seit jeher eine ambivalente Beziehungskiste. Über die Jahre hat sich United Internet als Wiederverkäufer zu einem langjährigen Partner des Bonner Konzerns entwickelt, zugleich aber auch zu einem scharfen Rivalen. Einerseits mietet kein anderer so viele Telefon-Anschlussleitungen von der Deutschen Telekom wie United Internet. Andererseits macht niemand der Telekom-Internet-Tocher T-Online im DSL-Geschäft das Leben so schwer wie die Firma aus Montabaur.
Dabei ist die Partnerschaft jahrezehntealt. Es war Dommermuth, der in den 80er-Jahren den nur mau laufenden Vertrieb des Internet-Vorläufers BTX zusammen mit der damaligen Deutschen Bundespost vorantrieb. Doch einige Zeit später kündigte die noch junge Telekom die Ehe auf und gründete T-Online.
Dommermuth konterte mit einem eigenen Online-Dienstleister. Ein mutiger Schritt, „den viele ihm damals nicht zugetraut haben“, erinnert sich ein ehemaliger Telekom-Mitarbeiter. Vielleicht, weil sie den Westerwälder unterschätzten? Schwer fällt das nicht. Noch nie hat Dommermuth in die übliche Schublade eines wilden und extravaganten Internet-Unternehmers gepasst. Der 43-Jährige kommt mit der Ausstrahlung eines Controllers daher, passt eigentlich perfekt in die Finanzbuchhaltung eines großes Konzerns. Stets nüchtern und sachlich in seinen Ausführungen, sind emotionale Regungen bei ihm selten.
Fast schon leidenschaftslos mag er auf den einen oder anderen wirken – eine fatale Fehleinschätzung. Zwar ist er kein überdynamischer Start-up-Gründer, seinen ersten Computer hat er gar erst 2002 gekauft. Doch dafür kennt er den Markt und seine Gepflogenheiten aus dem Effeff. Mehr braucht Dommermuth nicht für das, was er besonders gut kann: Verkaufen und Verhandeln. „Er ist ein Sparbrötchen, ein knallharter Pfennigfuchser und Pokerspieler“, ist aus Telekom-Kreisen zu hören. Jene Eigenschaften sind es, mit denen Dommermuth United Internet nach oben gebracht hat. Auf rund 1,5 Milliarden Euro soll der Umsatz in diesem Jahr steigen. Das Plus im ersten Halbjahr: eindrucksvolle 27 Prozent beim Umsatz und stolze 43 Prozent beim Betriebsergebnis vor Steuern.
Ein wenig Luxus gönnt sich auch „Mr. Internet“.
Dabei war der Abgrund schon mal nah. Als die Internetblase platzte, die Kurse nach unten rauschten, sah so mancher auch United Internet vor dem Aus. Doch Dommermuth fackelte nicht lange, trennte sich beinahe über Nacht von den Verlustbringern. Das bedeutete zwar das vorläufige Ende der Wachstumsstory, es brachte aber auch die dringend notwendige Profitabilität. Darauf aufbauend, startete Dommermuth später eine neue Expansion. Heute ist United Internet mit Marken wie GMX, Web.de oder 1&1 eine bekannte Größe im Markt und spätestens seit dem Sponsoring für das deutsche Segel-Team beim America’s Cup auch darüber hinaus.
Gleichzeitig hat Dommermuth mit dem Web-Hosting – dem Betrieb von Internet-Seiten für Unternehmen – sowie der Online-Werbung weitere stabile Standbeine aufgebaut und sich so unabhängiger vom DSL-Geschäft gemacht. Pragmatiker durch und durch, so könnte man den ehemaligen Messdiener am besten beschreiben. Das gilt für den Job – es gilt aber auch für das Private. Trotz der Erfolge: Dommermuth ist stets auf dem Boden geblieben. Sein Büro ist schlicht und bescheiden. Kein Schnickschnack, nur die Figur seines fiktiven Milliardärs-Kollegen Dagobert Duck auf dem Besprechungstisch, die er zuweilen vom Tisch räumt, „damit kein falscher Eindruck entsteht“.
Klar, ein wenig Luxus gönnt sich auch „Mr. Internet“, wie ihn einst die „Bild“-Zeitung taufte. Da ist der schwarze Ferrari in der Garage und eine eigene Yacht an der Cote d’Azur – doch das war es dann auch schon. Für den Firmenparkplatz zahlt er wie jeder andere auch. Geht es zu Geschäftskunden, fliegt er zweiter Klasse. Und ist es dann doch mal die erste, zahlt Dommermuth den Aufpreis aus eigener Schatulle.
Jener Pragmatismus ist es wohl auch, der ihn bei der Frage nach der Zukunft des Geschäftsmodells Wiederverkauf, Resale im Fachjargon, salomonisch antworten lässt. Schließlich weiß er, dass United Internet so ganz nicht ohne die Netze der Telekom auskommen wird. „In den Ballungsräumen können wir eigene Telefon-Anschlüsse anbieten. In der Fläche brauchen wir aber die Telekom“, sagt er.
Am Ende geht es also weniger um eine Scheidung von der Telekom als vielmehr um eine neue Runde im harten Pokerspiel. Es dürfte eine Frage der Zeit sein, bis die Bonner Dommermuth doch die begehrten Telefonanschlüsse anbieten werden. Schließlich hat der United-Internet-Vorstandsvorsitzende dort einen gewichtigen Freund: Telekom-Chef René Obermann. Beide kennen und schätzen sich seit langem. Dommermuth, der mache bei 1&1 einen guten Job, lautet das klare Urteil von Obermann. -------------------------------------------------- Informationen zur Zeitverzögerung und Nutzungshinweise: Die in Handelsblatt.com veröffentlichten Artikel, Daten und Prognosen sind mit größter Sorgfalt recherchiert. Nachrichten und Artikel beruhen teilweise auf Meldungen der Nachrichtenagenturen AP, dpa, sid, Reuters und Dow Jones. Dennoch können weder die Verlagsgruppe Handelsblatt, noch deren Lieferanten für die Richtigkeit eine Gewähr übernehmen. Das Handelsblatt weist ausdrücklich darauf hin, dass die veröffentlichten Artikel, Daten und Prognosen keine Aufforderung zum Kauf oder Verkauf von Wertpapieren oder Rechten darstellen. Sie ersetzen auch nicht eine fachliche Beratung. Die Verlagsgruppe Handelsblatt versichert zudem, dass persönliche Kundendaten mit größter Sorgfalt behandelt und nicht ohne Zustimmung der Betroffenen an Dritte weitergegeben werden. Alle Rechte vorbehalten.
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Quelle: http://www.handelsblatt.com/news/Karriere/Koepfe/...pokerspieler.html |