Der größte deutsche Baustoffkonzern Heidelcement leidet unter der weltweiten Schwäche der Branche. Konzernchef Scheifele setzt sich trotzdem ehrgeizige Ziele - und will die Schulden des Konzerns schneller abbauen.
HEIDELBERG. Viele hatten sich wohl zu früh gefreut. Während andere Industrien nach der Krise ein stürmisches Comeback feiern, müssen sich die Hersteller von Baustoffen mit einer zaghaften Erholung begnügen. Vor allem in den USA entpuppte sich die Hoffnung auf eine schnelle Trendwende im Geschäft mit Zement und Beton als Illusion.
Auch für die Aktionäre von Heidelberg Cement war damit Ernüchterung angesagt. Im Juni gerade erst in den Dax 30 aufgestiegen, hat die Aktie des größten deutschen Baustoffherstellers seither wieder gut ein Fünftel an Wert verloren. Die Renaissance des einstigen Krisenkonzerns am Kapitalmarkt erhielt damit einen kräftigen Dämpfer.
Vorstandschef Bernd Scheifele zeigt sich davon unbeeindruckt. "Im Moment ist der ganze Sektor deutlich unterbewertet", sagte der Heidelberg-Cement-Chef im Gespräch mit dem Handelsblatt. Zwar räumt er ein, dass sich die ursprünglichen Wachstumshoffnungen in etlichen Märkten nicht erfüllt haben. Die düstere Sicht des Marktes, vor allem mit Blick auf Nordamerika, betrachtet er als überzogen. Die Stimmung dort könne auch schnell wieder drehen. Und langfristig bleibe Nordamerika ein attraktiver Baustoffmarkt.
Ungeachtet der Konjunkturschwäche bekräftigte er die Ziele zum Schuldenabbau. Abhängig von der weiteren Entwicklung im vierten Quartal werde man 2010 wieder einen relativ starken Free Cash-Flow (Operativer Cash-Flow abzüglich Sachinvestitionen) erwirtschaften. "Es bleibt bei unserem ambitionierten Ziel, die Nettoverschuldung bis Ende des Jahres von zuletzt 9,1 Mrd. Euro in Richtung acht Mrd. Euro zu reduzieren."
Das setzt eine deutliche Verbesserung von Ertrag und Cash-Flow im zweiten Halbjahr voraus. Denn in den ersten sechs Monaten war der freie Liquiditätszufluss aus dem operativen Geschäft noch negativ, was im Baustoffgeschäft aufgrund der Winterpause durchaus üblich ist. Analysten begegnen den Prognosen gleichwohl mit Skepsis. "Ein Schuldenziel von acht Mrd. Euro ist einigermaßen ehrgeizig", sagt etwa Jochen Schlachter, Kreditanalyst bei Unicredit. Er erwartet die Nettoverschuldung eher auf dem Vorjahresniveau von 8,5 Mrd. Euro.
Die Finanzierung bleibt ein wichtiges Thema, auch wenn man die bedrohlichste Gefahrenzone inzwischen längst verlassen hat. Ende 2008 mit zwölf Mrd. Euro Finanzschulden noch ganz im Sog der Krise um den damaligen Mehrheitseigner Adolf Merckle, hat sich Heidelberg Cement seither mit einer gut zwei Mrd. Euro großen Kapitalerhöhung und einer Serie von Anleihe-Emissionen aus dem Griff der Banken wieder befreit. Um wieder Investment-Grade - das heißt den Status eines relativ sicheren Schuldners - zu erreichen, muss Scheifele die Finanzstruktur jedoch weiter verbessern.
Mittelfristiges Ziel ist es, die Nettoverschuldung auf weniger als das 2,8-Fache des operativen Gewinns vor Abschreibungen (Ebitda) zu reduzieren. 2009 lag der Faktor noch bei vier. Das Ebitda soll auf mehr als drei Mrd. Euro zulegen.
Dazu, so Scheifele, müsse man nur die Hälfte der Absatzmengen zurückgewinnen, die man in der Krise eingebüßt hat. Auf konkrete Prognosen zum laufenden Jahr indessen verzichtet der Heidelcement-Chef. Bankanalysten trauen dem Konzern laut Bloomberg im Schnitt ein Ebitda von 2,3 Mrd. Euro und einen Betriebsgewinn von 1,5 Mrd. Euro zu, ein Plus von etwa 15 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Scheifele verweist darauf, dass Schwächen in westlichen Märkten zum Teil bereits durch kräftige Zuwächse in Asien, Australien und Afrika kompensiert werden. Dort will der Konzern seine Position weiter ausbauen. Zuletzt erwarb er drei Zementwerke in der Republik Kongo.
2009 erzielte das Unternehmen von 11,1 Mrd. Euro Umsatz noch knapp die Hälfte in Europa und jeweils ein Viertel in Nordamerika und dem Rest der Welt. Die Region Asien, Australien und Afrika werde im laufenden Jahr jedoch bereits mehr als 40 Prozent zum Betriebsgewinn beitragen, so Scheifele. Ein weiterer Ausbau in Asien ist für den Konzern auch deshalb dringlich, weil in Europa höhere Energiekosten drohen, etwa durch steigende Stromkosten und CO2-Abgaben. Im Extremfall, fürchtet Scheifele, könnte die europäische Zementindustrie wegen zu hoher CO2-Abgaben durch Importe aus Ländern wie Türkei oder China verdrängt werden.
Quelle: http://www.handelsblatt.com/unternehmen/industrie/...den-ab%3B2674564 |