Diagnose: Patent auf Wachstum Der Medizingeräte-Entwickler Stratec Biomedical profitiert vom Trend zum Outsourcing in der Branche von Frank Stocker
Wer die Autobahn von Karlsruhe nach Stuttgart verläßt, kommt schnell in ländliches Gebiet und findet sich mitten im Schwarzwald wieder. Doch von Provinz zu sprechen wäre falsch. Hier hat jedes Dorf ein Gewerbegebiet mit modernen Fabrikhallen, in denen gewerkelt und gehämmert wird.
Ein solcher Ort ist auch Birkenfeld. An seinem Rand, zwischen vielen anderen Gewerbebetrieben, hat Stratec Biomedical Systems seinen Sitz, die Nummer zehn in der Rangliste der 20 besten Nebenwerte, die das Analysehaus Independent Research exklusiv für die "Welt am Sonntag" ermittelte.
"Wir sind kein Maschinenbauer und kein Ingenieurbüro", sagt Unternehmensgründer und Vorstandschef Hermann Leistner gleich, um sich von den umliegenden Firmen abzugrenzen. "Wir sind ein System- und Technologielieferant mit eigenen Patenten und Produkten."
Stratec entwickelt und produziert für die großen Diagnostikunternehmen Geräte, die dann von den Partnern unter eigenem Namen vertrieben werden. Zu den Kunden gehören fünf der zehn größten Firmen des Marktes. "Die Kunden bezahlen nicht die Entwicklung selbst, sondern ein "Eintrittsgeld" für die Stratec-Technologie, und am Ende produzieren wir das Gerät für den Kunden", erklärt Leistner das Geschäftsprinzip. Die Rechte bleiben bei Stratec.
Vom Vertragsschluß bis zur Markteinführung eines Gerätes vergehen drei Jahre oder mehr. So hat Stratec für das amerikanische Unternehmen Immucor ein Gerät zur automatisierten Blutgruppenbestimmung und für Antikörpersuchtests entwickelt, das auf den Namen Galileo getauft wurde. Erste Kontakte mit Immucor gab es bereits 1998, der Vertrag wurde im Herbst 1999 geschlossen. Im März 2002 wurde Galileo im europäischen Markt eingeführt, und im April dieses Jahres erhielt das Gerät seine Zulassung in den USA. "Jetzt ernten wir die Früchte dessen, was wir vor einigen Jahren gesät haben", so Leistner.
Diese Früchte sind sehr schmackhaft für Stratec. So war beispielsweise nur die Abnahme von 500 Geräten mit Immucor vereinbart. Inzwischen sehen die Amerikaner aber schon Potential für 1250 Stück. Das schlägt sich in den Unternehmenszahlen von Stratec nieder. "Bereits zum Ende des dritten Quartals erreichten wir bei Umsatz und Gewinn die Ergebnisse des Gesamtjahres 2003", freut sich Leistner.
Das starke Wachstum soll anhalten. Im kommenden Jahr plant er einen Umsatz von mindestens 45 Millionen Euro. Wie hoch er am Ende ausfällt, hängt davon ab, wie schnell einige Projekte Marktreife erlangen, die derzeit entwickelt werden, darunter Aufträge von Bayer und dem amerikanischen Biotech-Konzern Chiron.
Doch Leistners Pläne gehen noch weiter. "Bis 2008 planen wir eine jährliche Zunahme des Umsatzes um durchschnittlich 18 Prozent, das Ergebnis soll sogar um 30 Prozent jährlich zulegen", sagt er. Das erinnert ein wenig an die hochtrabenden Pläne einstiger Neuer-Markt-Unternehmen. Da die Projekte von Stratec aber eine lange Vorlaufzeit haben, kann das Unternehmen sehr langfristig planen, so daß die Prognosen recht zuverlässig sind, was bereits in den letzten beiden Geschäftsjahren unter Beweis gestellt wurde.
Auch über 2008 hinaus sieht Leistner gute Wachstumschancen. "Der Trend bei den Diagnostikaunternehmen, Entwicklung und Herstellung von Geräten auszulagern, hält an", sagt er. "Unser großer Wettbewerbsvorteil ist dabei, daß wir alles aus einer Hand anbieten und auch die Zulassungsvorbereitung übernehmen."
Der Aktienmarkt honorierte die guten Aussichten bereits, so daß sich der Börsenkurs seit Jahresbeginn verdoppelte. "Die Mitgliedschaft im Mittelstandssegment der Stuttgarter Börse, Gate M, hat zu einer deutlichen Belebung im Umsatz unserer Aktie geführt", nennt Leistner als weiteren Grund. "Zudem hat unsere Marktkapitalisierung vor wenigen Wochen die magische Grenze von 50 Millionen Euro überschritten", sagt er. Dadurch sei die Aktie auch für institutionelle Investoren interessant geworden.
Zudem dürfte auch die Aussicht auf eine steigende Dividende motivierend wirken. Für 2003 schüttete Stratec erstmals seit 1999 wieder einen Teil des Gewinnes aus, allerdings nur acht Cent je Aktie. Analysten gehen jedoch davon aus, daß sich der Betrag für dieses Jahr verdoppelt. "Dieser Prognose will ich nicht widersprechen", sagt Leistner diplomatisch.
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