"Piëch will VW kaufen" Der Automobilexperte Ferdinand Dudenhöffer ist davon überzeugt, dass der VW-Aufsichtsratschef die Macht komplett an sich reißen will. WELT.de sprach mit ihm über die Wolfsburger Kabale, unfähige Spitzenmanager und einen düpierten Ministerpräsidenten. WELT.de Plant Miteigentümer und Chefkontrolleur Ferdinand Piëch die Machtübernahme bei VW?
Ferdinand Dudenhöffer: Die Familie Porsche, in der Piëch den Ton angibt, wird sich nicht wie angekündigt mit einem VW-Anteil von 29,9 Prozent begnügen. Piëch will eine Mehrheit am VW-Konzern kaufen. Er hat eine Struktur, gegen die jede sogenannte Heuschrecke langweilig ist. Piëch verkauft Vorzugsaktien von Porsche. Mit dem Geld legt er sich VW-Aktien zu, behält aber die Stimmrechte bei Porsche. Geschickter kann man das kaum machen. Was mit Volkswagen passiert, entscheiden zwei Familien, vertreten durch die Stiftung und die Holding von Porsche in Salzburg. Dort wird über das Schicksal von Wolfsburg entschieden.
WELT.de: Wie beurteilen Sie das Drama um VW-Markenvorstand Wolfgang Bernhard?
Dudenhöffer: Da gibt es zwei Verlierer. Sie heißen Bernhard und VW. Und es gibt viele Gewinner. VW wird geschwächt, der Konzern verliert drei Jahre Sanierungszeit. Diese schenkt er Konkurrenten wie Ford, Opel und vor allem Toyota. Denn der wahre Angreifer kommt aus Japan.
WELT: Wird der Automobilstandort Deutschland durch die Kabale um die Macht bei VW insgesamt geschwächt?
Dudenhöffer: Nein, VW ganz allein wird geschwächt. Piëch hatte mit Bernhard einen hervorragenden Mann, um das Unternehmen wieder auf Kurs zu bringen. Jetzt sehe ich weit und breit niemand, der den nötigen Umbau vorantreiben und die Fabriken optimieren kann. VW benötigt 50 Stunden, um einen Golf vom Band rollen zu lassen. Das ist im internationalen Vergleich inakzeptabel.
WELT: Warum trauen Sie dem neuen VW-Vorstandschef Martin Winterkorn, den Piëch von der Konzernschwester Audi geholt hat, die Aufgabe nicht zu?
Dudenhöffer: Der Niedergang der Marke Seat, die zur Audi-Gruppe gehört, spricht gegen Winterkorn. Unter seiner Ägide sind die Spanier zu einem noch größeren Sanierungsfall geworden. Winterkorn hat einfach kein schlüssiges Konzept gefunden. Er ist ein hervorragender Ingenieur, der sich exzellent mit Premium-Fahrzeugen auskennt. Aber bei VW geht es um das preiswerte Segment.
WELT: Wie beurteilen Sie Winterkorns erste Maßnahmen bei VW?
Dudenhöffer: Sie sind allesamt schon falsch. Er will VW und Seat in einer Gruppe bündeln. Da kommen zwei Blinde zusammen. Sehend werden sie dadurch nicht. Zugleich will Winterkorn eine gemeinsame Entwicklungsabteilung für alle Marken des Konzerns schaffen. Aber um Himmels willen, da kommen dann Skoda und Bentley unter ein Dach. Das passt überhaupt nicht zusammen.
WELT: Hat der niedersächsische Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) die Landesbeteiligung an VW geschickt eingesetzt?
Dudenhöffer: Wulff sollte sein Mandat im VW-Aufsichtsrat so schnell wie möglich an eine andere Person abgeben. Er spielt in dem VW-Drama zunehmend die Verliererrolle. In den letzten zwei Jahren hat Wulff fast alles falsch gemacht. Im Aufsichtrat ist er laienhaft vorgegangen. Gegen Piëch hat er gleich eine Kanone aufgefahren. Doch der Schuss ging gründlich daneben. Heute steht der Regierungschef bei VW ohne Truppen da und wird von jedem belächelt.
WELT: Sollte sich Niedersachsen von seinem VW-Anteil trennen?
Dudenhöffer: Wulff wird vollends zum Verlierer, wenn das VW-Gesetz im kommenden Jahr fällt. Nur dank dieses 50 Jahre alten Gesetzes hält das Land bei dem Autobauer de facto eine Sperrminorität. Brüssel wird diesen Anachronismus beenden. Dann wird Niedersachsen die Entwicklung bei VW kaum noch beeinflussen können. Und wenn Porsche erst einmal die Mehrheit hat, ist es ziemlich gleichgültig, ob das Land ein knappes Fünftel der Aktien besitzt oder nicht. Es wäre intelligent, sich still und heimlich zurückzuziehen. Nur damit kann Wulff seine weitere Demontage noch abwenden.
WELT: Was hätte Ministerpräsident Wulff besser machen sollen?
Dudenhöffer: Er hätte sich von vornherein Gedanken darüber machen müssen, wie er mit Piëch eine vernünftige Arbeitsebene findet. Stattdessen hat er ohne Strategie die Konfrontation gesucht. Das Ergebnis lautet, dass Wulffs Funktion im Aufsichtsrat heute unwichtiger ist als die seines Wirtschaftsministers. Wulff hat unter Beweis gestellt, dass er für eine industrienahe Führungsaufgabe nicht geeignet ist. Das lässt auch daran zweifeln, ob er der richtige Kanzler- kandidat wäre.
Ferdinand Dudenhöffer ist Direktor des CAR-Center of Automotive Research an der Fachhochschule Gelsenkirchen und berät in dieser Funktion die Automobilindustrie. Das Gespräch mit ihm führten Uwe Müller und Martin Lutz
Artikel erschienen am 17.11.2006
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