Deutsche ignorieren hohe Autorabatte von Annette Berger (Hamburg) Der deutsche Automarkt könnte 2007 der schwächste seit der Wiedervereinigung werden. Privatkunden seien in einen regelrechten Käuferstreik getreten, heißt es - dabei bekommen sie derzeit zum Teil hohe zweistellige Rabatte.
"Wir werden 2007 das schlechteste Niveau seit 1990 erreichen", sagte Professor Ferdinand Dudenhöffer, Geschäftsführer von B&D-Forecast, einem Informationsdienstleister für die Automobilindustrie, FTD Online. Der Automobilexperte rechnet in diesem Jahr mit knapp 3,2 Millionen zugelassenen Neuwagen in Deutschland. Zum Vergleich: 1990 lag das Niveau bei 3,04 Millionen - danach stieg es an und rutschte seitdem nicht mehr unter 3,2 Millionen. 1991 wurden sogar knapp 4,2 Millionen Neuwagen zugelassen, 1999 rund 3,8 Millionen.
Vor allem Privatkunden lassen sich Dudenhöffer zufolge immer schwieriger zum Kauf eines Neuwagens bewegen. "Der Privatkundenanteil liegt auf einem historischen Tief von 38,4 Prozent", sagte Dudenhöffer. Vor sieben Jahren seien noch knapp mehr als die Hälfte der Autokäufer in Deutschland Privatkunden gewesen. 2007 werde in die Autogeschichte eingehen als das Jahr der "Kaufverweigerung der Privatkäufer".
Als einen Grund nannte Dudenhöffer den "Mehrwertsteuereffekt". Viele Kunden hätten noch 2006 einen Neuwagen gekauft, bevor die Mehrwertsteuererhöhung von 16 auf 19 Prozent in Kraft trat. Zudem seien trotz der guten Konjunktur viele Menschen nicht bereit, sich einen Neuwagen zu kaufen. "Man braucht mehr Zeit, um sich an stabilere Verhältnisse zu gewöhnen."
Über 60-Jährige kaufen ein Drittel der Neuwagen
Auch schlage inzwischen der demografische Wandel auf den Automarkt durch. 2006 seien 29 Prozent der zugelassenen Neuwagen von Menschen über 60 Jahren gekauft worden, 9,5 Prozent sogar von über 70-Jährigen. Diese Käufer nutzten ihren Wagen erfahrungsgemäß nicht so intensiv wie jüngere - und fahren ihn daher auch viele Jahre.
Auch die Klimadiskussion habe ihren Teil zum Käuferstreik beigetragen, sagte Dudenhöffer. Vor allem Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) habe mit seinen Forderungen nach einer CO2-Steuer die Käufer verunsichert.
Rush Hour in Berlin. In anderen europäischen Metropolen sind neuere Modelle unterwegs Rush Hour in Berlin. In anderen europäischen Metropolen sind neuere Modelle unterwegs
Deutsche fahren ältere Autos als andere Europäer
Gleichzeitig fahren die Deutschen seinen Berechnungen zufolge relativ alte Wagen. Während das Durchschnittsalter der Autos in der Bundesrepublik 8,1 Jahre betrage, seien die Wagen beispielsweise in Großbritannien mit 7,1 Jahren, Irland mit sechs Jahren oder Spanien mit 7,3 Jahren deutlich jünger. "Älter als hierzulande sind in Europa nur noch die Autos in Portugal, Griechenland und Finnland", sagte Dudenhöffer.
Deutsche ignorieren hohe Autorabatte von Annette Berger (Hamburg)
Wer sich dennoch ein neues Auto kaufen will, bekommt derzeit hohe Nachlässe. "Die Rabatte sind im IAA-Monat September wieder leicht auf den Wert von 16,5 Prozent gestiegen", so Dudenhöffer. Bei einzelnen Modellen liegen die Nachlässe seinen Untersuchungen zufolge sogar deutlich darüber. So bekommt man beispielsweise in einer Sonderaktion derzeit den Citroen Berlingo 36,5 Prozent günstiger - das bedeutet eine Ersparnis von 5500 Euro auf den Listenpreis von 15.050 Euro. Den Fiat Panda gibt es - mit einer "Umweltprämie bei Inzahlungnahme" - 27 Prozent günstiger, hier liegt der Listenpreis bei 9250.
Tageszulassungen werden in den Markt gedrückt
Ein Grund für die höheren Nachlässe seien die schlechten Verkäufe an Privatkunden im Vormonat August gewesen, schreibt Dudenhöffer in einer Analyse. Gleichzeitig seien im August auch viele "Quasi-Neuwagen" auf den Markt gekommen. "Diese Fahrzeuge kommen als Tageszulassungen, junge Dienstwagen und Aktionszulassungen mit zum Teil erheblichen Rabatten auf den Markt", so Dudenhöffer. "Ein Großteil dieser ausgewechselten' Vorführwagen, Dienstwagen und Vermieterfahrzeuge steht im September mit hohen Nachlässen beim Handel und drückt damit erheblich auf das Rabatt-Niveau."
Trotz aller Anstrengungen - in den ersten acht Monaten 2007 seien 260.000 Fahrzeuge an Privatkunden weniger verkauft worden als in der vergleichbaren Vorjahresperiode. Und Dudenhöffer geht davon aus, dass dieser Trend anhält. "Der deutsche Automarkt wird sich längerfristig bei 3,3 bis 3,4 Millionen zugelassener Neuwagen pro Jahr einpendeln", schätzt der Autoexperte. |