16.11.2006 11:25 Uhr
Bertelsmann
Ein Sohn läuft sich warm
Christoph Mohn wird Aufsichtsratsmitglied bei Bertelsmann - manche sehen darin eine Vorbereitung auf einen Vorstandsposten.
Von Hans-Jürgen Jakobs
In deutschen Firmen haben Aufsichtsräte zumeist ein gewisses Alter erreicht. Die Karriere liegt hinter ihnen, und so können sie als "Sixty Something" gelassen auf den Strom der Zeit blicken.
Bei Christoph Mohn ist das anders. Der Diplom-Kaufmann ist 41 - und zieht "mit sofortiger Wirkung" in den Aufsichtsrat von Bertelsmann in Gütersloh ein, in dem gestandene Manager wie Dieter Vogel, 65, und Jürgen Strube, 67, die führenden Positionen besetzen. Das beschloss am Dienstag eine außerordentliche Hauptversammlung.
"Die Hauptversammlung, das bin ich", hatte früher Christophs Vater Reinhard Mohn erklärt, der das Medienunternehmen nach dem Krieg aufgebaut hat.
Family Business Die Hauptversammlung, das ist heute - nachdem die lästigen Finanzinvestoren der belgischen Groupe Bruxelles Lambert (GBL) herausgekauft wurden - wieder Ehrenaufsichtsrat Reinhard Mohn, 85, und vor allem seine machtbewusste Frau Elisabeth ("Liz"), 65, die ihre Kinder in starker Stellung wissen will.
So ist es ein besonderes Zeichen, dass ihr Sohn Christoph nun neben ihr im Kontrollgremium sitzt: Die Familie, heißt das, kümmert sich selbst um die Familienfirma.
Zu zweit können Liz und Christoph, die direkt als Gesellschafter Stimmenhoheit haben, einiges bewegen. Mit Mohn junior gewinne der Aufsichtsrat einen "erfahrenen Unternehmer", der sowohl "mit dem Hause Bertelsmann als auch mit Chancen und Herausforderungen der digitalen Medienwelt bestens vertraut ist", lobt Chefaufseher Vogel.
Was wird in dieser Karriere noch folgen? Wird er einmal Bertelsmann-Vorstandschef - eine Funktion, die sein Vater Reinhard bis zum 60. Geburtstag innehatte?
Nach dem Betriebswirtschaftsstudium in Münster hatte Christoph Mohn von 1992 an zunächst bei der Bertelsmann Music Group in New York gearbeitet.
Lycos-Aufbau Es folgte ein Intermezzo als McKinsey-Berater, ehe er 1996 als stellvertretender Chef zur Bertelsmann-Tochter Telemedia ging und dort ein Joint Venture mit der amerikanischen Internet-Größe Lycos anbahnte.
Daraus wurde die Firma Lycos Europe, die Mohn im Jahr 2000, kurz vor dem Kollaps der New Economy, an die Börse brachte. Als deren Vorstandschef musste er Verluste und Kurseinbrüche erklären, doch blieb Mohn beharrlich auf Position, unterstützt von Aufsichtsratschef Jürgen Richter.
Der Ex-Vorstandschef von Axel Springer scheint eine Art Coach für Mohn zu sein und ihn auf höhere Aufgaben vorzubereiten. Die Zahlen von Lycos Europe sind vorzeigbar geworden: In diesem Jahr soll bei 80 Millionen Euro Umsatz ein Nettogewinn von sechs Millionen Euro anfallen, allerdings bei Verlusten im operativen Geschäft.
Seit Monaten war in Gütersloh zu hören, der Chef von Lycos Europe solle bald in den Vorstand von Bertelsmann einziehen. Vorstandschef Gunter Thielen spulte auf solche Spekulationen hin seine Standarderklärung herunter: Jeder, der die entsprechende Leistung bringe, habe seine Chance hierfür. Spruchreif sei nichts.
Hat Liz Mohn soviel Nüchternheit immer leidenschaftslos registriert? Den 4,5 Milliarden Euro teuren Rückkauf der Bertelsmann-Aktien von GBL jedenfalls, den sie und die Familie durchgesetzt haben, soll Vorstandschef Thielen zwischenzeitlich sehr skeptisch gesehen haben.
Thielen wird Aufsichtsratsvorsitzender
Spätestens zum 1. Januar 2008 wechselt der verdienstvolle Manager - der als Einziger bei Bertelsmann aus dem Vorstand der achtziger Jahre übrig geblieben ist - an die Spitze des Aufsichtsrats. Liz Mohn will auf seine Erfahrung nicht verzichten. Für das Management sind als Vorstandschef Hartmut Ostrowski, 48, der Chef der Dienstleistungstochter Arvato, und als Stellvertreter Ewald Walgenbach, 47, vorgesehen.
Thielens Bewunderer sehen darin eine stabile Lösung, die lange trägt. Mancher von ihnen betrachtet Christoph Mohn als jemanden, der von "Beruf Sohn" sei und dem das Durchsetzungsvermögen fehle.
Andere, die der Familie sehr zugeneigt sind, sehen den Wechsel des Mohn-Sohns in den Aufsichtsrat als Auftakt einer "Warmlaufphase" - und ergänzen, es komme schon einmal vor, dass jemand aus dem Aufsichtsrat eines Unternehmens in den Vorstand wechsele.
So sei es bei Karstadt-Quelle gelaufen, im Fall des einstigen Bertelsmann-Chefs Thomas Middelhoff. Es sei konsequent, dass die Familie Mohn nach dem teuren Rückkauf der Aktien selbst möglichst viel Verantwortung übernehmen wolle.
Familienmensch Mohn
Eine starke Bürde also für Christoph Mohn, der bescheiden auftritt. Der begeisterte Schwimmer analysiert die Dinge gerne wie ein Mathematiker; im Übrigen ist Mohn junior Familienmensch.
Seine Frau Shobhna arbeitet ebenfalls seit langem bei Bertelsmann und verwaltet dort inzwischen einen Risikokapital-Fonds. Die beiden haben zwei Töchter und leben zurückgezogen am Rande von Gütersloh.
Süddeutsche Zeitung vom 16.11.2006
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