Online-Auktionen als Beweis-Basar

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Online-Auktionen als Beweis-Basar
[29.07.2002 11:47 ]

Online-Steckbriefe für Schwerverbrecher, virtuelle Pranger für verurteilte Freier, Fangschaltungen für Besucher von
Kinderporno-Websites -- kein Land der Welt nutzt im Rechtsbereich das Internet konsequenter als die USA. Zwei neue Trends
begeistern zurzeit amerikanische Anwälte: Sie sammeln über Auktions-Websites wie eBay[1] Beweismittel für ihre Prozesse. Und sie
suchen online gezielt nach Verbrauchern, die sich an Sammelklagen wegen defekter Produkte beteiligen möchten.

Im Online-Auktionshaus eBay blüht beispielsweise ein Markt rund um Asbest. Das Dämmmaterial wurde jahrzehntelang eingesetzt,
bis Mediziner auf die verheerenden Gesundheitsfolgen durch das Einatmen der winzigen Fasern hinwiesen. In den USA laufen derzeit
Dutzende von Gerichtsverfahren, in denen schwer lungenkranke Menschen um ein angemessenes Schmerzensgeld kämpfen. Die
Kläger behaupten, für ihre Erkrankung sei eine mit Asbest verseuchte Umgebung verantwortlich; allerdings liegt der Zeitpunkt der
Vergiftung oft lange zurück. Das Internet erweist sich hier als hilfreiches Instrument zum Wühlen in der Vergangenheit.

Bei eBay bieten Sammler für oft dreistellige Dollarbeträge historische Dokumente an, die auf den Einsatz von Asbest in Häusern,
Schiffen oder Alltagsgeräten hinweisen. Dieser Beweis-Basar biete ihm eine virtuelle Zeitkapsel, berichtete der erfolgreiche
Zivilrechtsanwalt Mark Lanier in einem Interview mit der Tageszeitung Los Angeles Times[2]. Lanier, der sich auf Asbest-Fälle
spezialisiert hat, bezahlte 2125 Dollar für ein über 60 Jahre altes Maschinisten-Handbuch der US-Marine. Darin beschreiben die
Autoren den völlig sorglosen Umgang mit dem hochgefährlichen Material.

Mark Lanier lieferte sich nach eigenen Angaben ein spannendes Auktionsduell mit einem Anwalt der Gegenseite, der ebenfalls das
Handbuch ergattern wollte. Über seinen Sieg kann sich der Ersteigerer allerdings nicht mehr freuen: Ein zweites Exemplar des
angeblich so seltenen Handbuchs tauchte inzwischen auf der Auktions-Website auf. Denn dass Anwälte in Asbest-Verfahren gute
Preise zahlen, hat sich inzwischen herumgesprochen. Gleichzeitig blüht der Markt mit uralten Tabakprodukten und historischer
Tabakwerbung; mit solchen Artefakten wollen Advokaten ebenfalls beweisen, dass Hersteller vor langer Zeit ihre gefährlichen
Produkte als völlig harmlose Glimmstängel anpriesen.

US-Anwälte erhalten in Zivilverfahren ihr Honorar in der Regel aus dem erstrittenen Schmerzensgeld der Kläger. Die Anwälte suchen
sich deshalb besonders gerne Verfahren aus, in denen die Geschworenen den Geschädigten möglicherweise Millionenbeträge
zusprechen. Je mehr Schmerzensgeld-Berechtigte, desto höher das Honorar; diese Gleichung gilt bei Sammelklagen, in denen sich oft
Tausende von Geschädigten besonders hohe Summen teilen. Auf solche Verfahren weisen neuerdings Organisationen wie die
amerikanische Anwaltsvereinigung gezielt via Internet hin.

Unter Adressen wie classaction.findlaw.com[3] oder www.classactionamerica.com[4] können Verbraucher in langen Listen
nachprüfen, ob ihnen vielleicht auch eine Geldsumme zusteht. Wer ein gesundheitsschädliches Medikament einnahm, einen Neuwagen
mit falsch angebrachten Reifen fuhr oder seinem Kind ein gefährliches Spielzeug schenkte, könnte dafür nun kompensiert werden.
Und damit die Verbraucher ständig über aktuelle Sammelklagen Bescheid wissen, bieten die Anwalts-Websites einen praktischen
Service an: In einem Newsletter wird per E-Mail regelmäßig auf neue Verfahren hingewiesen. (Tilman Streif, dpa) / (jk[5]/c't)  

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