Aus der FTD vom 8.11.2002
SGL Carbon streicht noch mehr Stellen Von Klaus Max Smolka, Frankfurt
Beim Grafithersteller SGL Carbon nehmen die Sonderaufwendungen, die den Ertrag belasten, kein Ende. Diesmal sind es rund 10 Mio. Euro dafür, dass das Unternehmen noch einmal 200 Stellen mehr streicht als bisher bekannt.
Wegen anhaltender Konjunkturflaute wird SGL sein Ertragsziel für 2002 erheblich verfehlen. Weil Analysten das schon erwartet und ihre Schätzungen von sich aus gesenkt hatten, fiel der in diesem Jahr gebeutelte Aktienkurs am Donnerstag nicht noch weiter. Im Gegenteil: Zarte Hoffnungen nach einem vergleichsweise guten dritten Quartal beflügelten ihn von seinem sehr niedrigen Stand.
SGL betreibt die drei traditionellen Geschäftsfelder Carbon und Grafit (CG) mit Elektroden für die Stahlindustrie, Spezialgrafit (SG) für die Halbleiterindustrie und andere Branchen sowie Korrosionsschutz (CP). Im Aufbau ist die Sparte SGL Technologies, die sich um Brennstoffzellen und Keramikbremsscheiben dreht.
Nachfrageschwäche und sinkende Preise
Im dritten Quartal steigerte SGL das Betriebsergebnis um vier Fünftel auf 11 Mio. Euro und erntete damit die Früchte von Sparmaßnahmen. Denn der Konzernumsatz ging um fünf Prozent auf 284 Mio. Euro zurück, bedingt durch die Nachfrageschwäche aus wichtigen Abnehmerbranchen in den Feldern SG und CP sowie durch sinkende Preise für Grafitelektroden.
Damit hat SGL in den ersten neun Monaten nun 19 Mio. Euro Betriebsergebnis akkumuliert und ist weit entfernt von den 59 Mio. Euro des Gesamtjahres 2001. Den zumindest zu halten, hatte SGL für dieses Jahr als Zielmarke ausgegeben. Das ist inzwischen unerreichbar: "Vor Restrukturierungsmaßnahmen könnte es am Ende ein Betriebsergebnis von 40 bis 45 Mio. Euro sein", sagte Vorstandschef Robert Koehler am Donnerstag. Von dieser Zahl müssen aber wohl die rund 10 Mio. Euro für den weiteren Abbau von 200 Stellen abgezogen werden, denn voraussichtlich wird dieser Posten noch im vierten Quartal eingebucht.
Strafen für Preisabsprachen
Bereits vorigen Dezember hatte der Vorstand 430 Arbeitsplätze entsprechend jeder zwanzigsten Stelle im Konzern zur Streichung freigegeben. Und schon damals verbuchte SGL für diesen Jobabbau und weitere Umbaumaßnahmen 41 Mio. Euro an Rückstellungen. Die Firma kämpfte in den vergangenen Jahren zudem mit hohen außerordentlichen Posten wegen Strafen für Preisabsprachen bei Grafitprodukten - die Sonderausgaben werden in Wiesbaden langsam zum Dauerthema.
Unterm Strich erzielte SGL im dritten Quartal 5 Mio. Euro Überschuss, in den ersten neun Monaten zusammengenommen aber immer noch einen Fehlbetrag von 6 Mio. Euro. Ob der Konzern zum Jahresende unterm Strich positiv oder negativ dasteht, ließ Koehler offen.
Die Aktionäre müssen sich in jedem Fall auf ein weiteres Jahr ohne Gewinnausschüttung einstellen. "Ich halte es für unwahrscheinlich, dass wir für 2002 eine Dividende beschließen", sagte Koehler.
Lichtblick durch neue Sparte
Die Börse reagierte dennoch freundlich: Die SGL-Aktie verteuerte sich im MDax zeitweise um 15 Prozent und notierte am Nachmittag bei schwachem Markt leicht im Plus bei 8,10 Euro.
Analysten begründeten das damit, dass die Aktie nach einem Jahreshöchststand von 29,50 Euro ohnehin schon abgestürzt war und niemand mehr mit einem Gewinn auf Vorjahreshöhe gerechnet hatte. Und im dritten Quartal sei der Ertrag immerhin gegenüber dem Jahresauftakt angezogen. "Im Großen und Ganzen liegen sie im Plan, auch wenn sie in einzelnen Quartalen ein oder zwei Millionen unter den Erwartungen lagen", sagte Mark Troman von Merrill Lynch. Auch Sonderaufwendungen würden akzeptiert. "In diesen Märkten mit schwacher Nachfrage muss man die Kosten senken."
Lichtblicke bietet die neue Sparte SGL Technologies: Sie senkte ihre Anlaufverluste in den ersten neun Monaten auf ein Drittel und liegt damit über Plan. Im nächsten Jahr soll sie aus der Verlustzone heraus sein. Zudem meldete die SGL-Tochter Hitco, die sonst in erster Linie Rüstungsunternehmen beliefert, einen Auftrag für die zivile Luftfahrt von Airbus. Sie soll Bauteile für das Seitenleitwerk des A-380 liefern. Das Auftragsvolumen nannte SGL indes nicht.
© 2002 Financial Times Deutschland |