HANDELSBLATT, Mittwoch, 10. Januar 2007, 16:15 Uhr "Markt ist weiter eng"
Experten erwarten höheren Ölpreis Von Regine Palm
Experten sehen den starken Rückgang des Ölpreises als Übertreibung des Marktes an. Im Jahresdurchschnitt rechnen sie mit Notierungen von etwa 60 Dollar je Barrel (159 Liter), also rund fünf Dollar oberhalb des heutigen Niveaus.
DÜSSELDORF. Die jüngsten Marktentwicklungen sind „eine Überreaktion auf den milden Winter“, sagt Dora Borbély, Rohstoffanalystin der Deka Bank. Spätestens nach dem Winter sollten die fundamentalen Faktoren erneut die Oberhand gewinnen. „Der Markt ist weiter eng“, sagt Borbély. Sie rechnet noch für das erste Halbjahr mit steigenden Preisen.
Angesichts des weltweit milden Winters waren die Ölpreise zum Jahreswechsel stark unter Druck geraten. „Der Hauptfaktor für den Preisverfall ist der überdurchschnittlich warme Winter im Nordosten der USA, einer der Hauptregionen der Heizöl-Nachfrage“, sagt Suzanne Parry, die den Energiehandel für Natexis in London leitet. Brentöl kostete am Spotmarkt zeitweise weniger als 52 Dollar. Im Sommer hatte sich der Preis der 80-Dollar-Marke genähert.
„Preisbewegungen am Ölmarkt sind immer sprunghaft, es sind immer sehr heftige Bewegungen“, erklärt Konrad Aigner, Rohstoffanalyst vom Private Asset Management der Deutschen Bank in Frankfurt. Der jüngste Preisrückgang sei aber nicht nur auf den Spotmarkt beschränkt, sondern spiegele sich am Terminmarkt wider. Laut Aigner lässt dies darauf schließen, dass der Markt auch längerfristig von etwas niedrigeren Preisen ausgeht. „Es ist eine Risikoprämie herausgenommen worden“, sagt er.
Etwas gebremst wurde der Preisrutsch zuletzt durch den Pipeline-Streit von Russland und Weißrussland. Zudem stemmte sich die Organisation Erdöl exportierender Staaten (Opec) verbal gegen einen weiteren Preisverfall. So hat etwa der kuwaitische Ölminister Ali Jarrah al-Sabah gegenüber Bloomberg News bereits angekündigt, dass Kuwait Ölprojekte stoppen müsse, sollte der Preis weiter fallen. Spekuliert wird am Markt zudem über eine außerplanmäßige Krisensitzung des Ölkartells.
„Die Opec wird alles tun, was in ihrer Macht steht, um den Preis zu unterstützen“, sagt Eugen Weinberg, Rohstoffanalyst der DZ Bank. Dazu gehörten entsprechende Äußerungen in der Öffentlichkeit, gleichzeitig werde die Opec aber die Produktion drosseln. „Insgesamt ist der Markt sehr pessimistisch gegenüber dem Ölpreis eingestellt“, sagt Weinberg. Doch zu Unrecht, denn „auf diesem Niveau ist der Ölpreis durch die entsprechende Nachfrage und gestiegene Kosten gut unterstützt“, meint er.
Welche Ölpreis-Entwicklung Analysten erwarten
Die DZ Bank geht für 2007 von einem Durchschnittspreis von 58 Dollar für Brentöl und von 60 Dollar für die US-Richtmarke WTI aus. Dieses Niveau prognostiziert neben Natexis und Morgan Stanley auch die Deutsche Bank. JP Morgan sieht die Ölpreise in einer Spanne von 55 bis 65 Dollar. Dabei wird unterstellt, dass das Angebot schrittweise ausgeweitet wird, „ausbalanciert durch weitere Opec-Interventionen“. Die Deka-Analystin ist optimistischer. Sie rechnet mit einem WTI-Preis von 70 Dollar.
Noch höhere Notierungen prognostizierte Goldman Sachs. Die Experten gehen in ihrem Jahresausblick von einem Anstieg für WTI auf 75 Dollar aus. Skeptisch zeigt sich die Commerzbank; sie rechnet bis Ende 2007 mit einem Preis von nur 50 Dollar.
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