Kolumne „Rest der Republik“ In der jungen Generation sind alle links? Von wegen! Eine Kolumne von Burkhard Ewert | 06.10.2023, 11:00 Uhr 6 Leserkommentare
Die U18-Wahl in Bayern zeigt ein polarisierteres Bild. Dort landen die Grünen sogar hinter der AfD. Trotzdem geben sich Parteien, Medienangebote und Unternehmen oft links-liberal, um junge Menschen zu erreichen. Keine gute Schlagseite, findet unser Autor.
Kennen Sie diesen schönen Spruch, der dem früheren britischen Premierminister Winston Churchill zugeschrieben wird: „Wer mit 20 Jahren nicht Sozialist ist, hat kein Herz, wer es mit 40 Jahren noch ist, hat kein Hirn.“
Der Idealismus weicht der Erfahrung und der Einsicht in die Realität, wollte der Politiker damit sagen, aber er blickte mit Wohlwollen für das Streben nach Gleichheit und Gerechtigkeit, das viele Menschen so lange haben, bis sie sich fragen, ob es nicht mindestens ebenso gerecht ist, dass der, der sich anstrengt, etwas davon hat.
Deutschland ist mehr als die Stadt Berlin. Politische Entscheidungen haben zu selten einen Bezug zur Realität in der Fläche. Die Kolumne von Burkhard Ewert gibt Positionen Raum, die zu wenig Geltung erhalten im Betrieb der Berliner Blase. Den Blick aus dem „Rest der Republik“ gibt es auch als Newsletter, Woche für Woche.
Lange Zeit spiegelte sich die erste Hälfte von Churchills Sentenz auch in Wahlkämpfen, Marketingkampagnen oder Zielgruppenanalysen wider. Wer junge Leute erreichen wollte, meinte sich in Richtung links mindestens anschlussfähig zeigen zu müssen.
So sehr verbreitete sich dieser Ansatz, dass die zweite Hälfte des Spruches unter den Tisch zu fallen drohte, nämlich dass sich die persönliche Verortung oftmals wandelt. Mehr noch: Der Anteil an idealistischen Weltverbesserern in der jungen Generation wurde lange maßlos überschätzt.
Mehrere Wahlergebnisse der Vergangenheit wiesen darauf bereits hin. Die FDP schnitt bei Erstwählern oftmals stärker ab als die Grünen, um von der SPD ganz zu schweigen. Umfragen zeigen, dass beispielsweise auch der Zuspruch zu einer gegenderten Sprache bei jungen Leuten zwar höher liegt als bei älteren Jahrgängen – aber sich trotzdem auch bei ihnen nur eine klare Minderheit dafür ausspricht, sie zu nutzen. Wer ist wohl auf Platz 2?
Nun kam aus Bayern ein weiterer Hinweis, der zu denken gibt. Bei einer Schülerwahl des Landesjugendrings war die CSU klar die stärkste Kraft. Und glauben Sie, dass die Grünen auf Platz 2 lagen, mit der juvenil-lässigen Spitzenkandidatin Katharina „Katha“ Schulze, die schon mal über alte weißer Männer schimpft und lustige Instagram-Videos teilt?
Bei den 70.000 Schülern zwischen 14 und 18 Jahren, die sich in Bayern an der Jugendwahl beteiligt haben, verfängt sie damit augenscheinlich nicht. Mit gut 13 Prozent schnitten die Grünen sogar geringfügig schlechter ab, als es die Umfragen unter echten Wählern für die Landtagswahl an diesem Sonntag erwarten lassen.
Wer aber war nun unter den Teenagern auf Platz 2? Die AfD.
Mit den Freien Wählern erreichte eine weitere Partei knapp 10 Prozent, die schwerlich dem linken Lager zugerechnet werden kann. Zusammen mit der CSU macht das deutlich mehr als 50 Prozent bürgerliche, rechtskonservative und deutschnationale Stimmen.
Fragen Sie mich bitte nicht nach einer Erklärung. Ich habe keine. Klar ist aber, dass die Erzählung, es handele sich bei den Anhängern von Union, AfD und Freien Wählern um weißhaarige Deutschland-Nostalgiker und Gartenzwerg-Spießer, die ganz von selbst aussterben, augenscheinlich nicht zutrifft.
Merkwürdig, wie hartnäckig sich ein anderes Bild hält und Parteien ihm ebenso anhängen wie Medienangebote, und dass Social-Media-Abteilungen großer Konzerne ebenso linksideologisch daherkommen wie oberste Bundesbehörden.
Mir gefällt diese Schlagseite nicht. Was mich ebenso beschäftigt, ist aber eine ganz andere Frage. Denn wenn Churchills Ausspruch stimmt: Wo landen diejenigen jungen Leute mit 40, die mit 20 schon rechts sind?
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