weit abgeschlagen hinter der Batterie: Bart Biebuyck, Chef des europäischen Wasserstoff-Partnerschaftsprojekts FCH JU über zögerliche Lkw-Hersteller, regionale Wasserstoff-Projekte und grünes H2 aus Nordafrika.
Bart Biebuyck ist seit 2016 Geschäftsführer des europäischen Gemeinschaftsunternehmens „Fuel Cells and Hydrogen Joint Undertaking“ (FCH JU) und hat jede Menge Menge Fördergeld zu vergeben: 1,3 Milliarden Euro stehen von 2014 bis 2024 für Forschung und Entwicklung an Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologien bereit. Das Geld stammt von der EU-Kommission, europäischen Unternehmen und Forschungseinrichtungen, die die Plattform bereits 2008 gründeten. Biebuyck bringt technisches Know-how mit: Zuvor arbeitete der Niederländer bei Toyota als Manager für Brennstoffzellen-Antriebe.
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Herr Biebuyck, bei der Infrastruktur liegt Wasserstoff (H2) weit abgeschlagen hinter der Batterie: In Deutschland gibt es etwa 13.500 E-Ladesäulen, aber nur 55 Wasserstoff-Tankstellen. Auch die Zahl der Autos ist verschwindend gering. Hat der Brennstoffzellen-Antrieb für Pkw überhaupt eine Chance?
Immerhin will Deutschland die Zahl der Wasserstoff-Tankstellen bis Ende 2019 auf 100 aufstocken, das ist sehr wichtig. Außerdem braucht man nicht genauso viele Wasserstoff-Tankstellen wie E-Ladesäulen, weil das Tanken mit H2 viel schneller geht. Batterie und Wasserstoff stehen auch nicht im Wettbewerb. Reine Batteriefahrzeuge sind eher für kurze Strecken in der gleichen Gegend geeignet, Wasserstoffbetriebene Autos für lange Strecken. Heute hat man ja mit Benzin, Diesel oder LPG auch verschiedene Antriebsmöglichkeiten. Das wird in Zukunft nicht anders sein.
Aber liegt das größte Potenzial von Wasserstoff nicht im Schwerlastverkehr?
Natürlich ist der Schwerlastverkehr am schwierigsten zu dekarbonisieren. Das Null-Emissionsziel kriegt man bei Lastern und Zügen mit Batterien nicht hin, wegen ihres hohen Gewichts und ihrer geringen Reichweite. Wasserstoff wird in diesen Segmenten also schneller Einzug halten. Für 70 Prozent der Fahrzeuge im Schwerlastverkehr ist H2 die richtige Lösung, bei Pkw vielleicht nur für 30 Prozent.
In Europa kommen die einzigen ernstzunehmenden Hersteller von Wasserstoff-Autos, Hyundai und Toyota, der Nachfrage nicht hinterher. Haben sie das Geschäft unterschätzt?
Bei Fahrzeugen der ersten Generation produzieren die Hersteller nur wenige Tausend und liefern sie vor allem dorthin, wo es am meisten Förderung gibt. Toyota beispielsweise verkauft viele Autos in Kalifornien, weil dort „Zero-Emission“-Fahrzeuge gefördert werden, und auch Japan unterstützt die Wasserstoff-Technologie massiv. Die Verfügbarkeit der Fahrzeuge wird sich in Europa aber deutlich verbessern, wenn die Hersteller die zweite H2-Generation produzieren. Toyota und Hyundai hängen dann eine Null an ihre Produktionskapazitäten dran, gehen zum Beispiel von 3.000 auf 30.000 pro Jahr.
Beim Schwerlastverkehr tut sich in Europa aber praktisch gar nichts in punkto Brennstoffzelle.
Darüber mache ich mir Sorgen, denn im Schwerlastverkehr wird es bald strengere Vorschriften geben. Wir müssen uns also beeilen, damit sich Wasserstoff und Brennstoffzellen auch im Lkw-Sektor etablieren. Ich hoffe, dass die europäischen Lkw-Hersteller anfangen, in neue Nullemissions-Technologien zu investieren. Denn allein mit der Batterie können wir nicht alle Anforderungen in der Logistik erfüllen. Ich sehe momentan vor allem Ankündigungen nicht-europäischer Unternehmen wie Hyundai, das 1.000 H2-Lkw in der Schweiz fahren lassen will. Oder von Nikola Motors aus den USA, das für seinen Wasserstoff-Truck schon 8.000 Vorbestellungen haben soll. Europa hat ein Zeitfenster von zwei bis drei Jahren, bevor andere bei der Brennstoffzellenentwicklung an uns vorbeiziehen – zum Beispiel China.
Könnte ein CO2-Preis im Verkehrssektor die H2-Technologie anschieben?
Was Europa betrifft, so gibt es sicherlich verschiedene Wege. Ein CO2-Preis wäre definitiv eine interessante Option. Aber jedes Gesetz, das dabei hilft, die Emissionen auf null zu senken, würde beschleunigend wirken.
Sie leiten das europäische, öffentlich-private Partnerschaftsprojekt Fuel Cells and Hydrogen Untertaking (FCH JU), das in den nächsten Jahren Wasserstoff- und Brennstoffzellen-Technologien mit 665 Millionen Euro fördert. Wie ist die Resonanz?
Sehr gut, wir arbeiten inzwischen mit 91 Regionen und Städten in ganz Europa zusammen. An der Mehrheit der Projekte sind übrigens deutsche Unternehmen oder Institutionen beteiligt.
Wie sieht Ihre Unterstützung konkret aus?
Manchmal erklären wir den Teilnehmern nur, was es mit Wasserstoff und Brennstoffzellen überhaupt auf sich hat. Denn viele Bürgermeister wissen nicht viel darüber. Wir informieren darüber, welche Fördermöglichkeiten es gibt. Oder wir helfen den Städten, eine Roadmap zur Dekarbonisierung mit Brennstoffzellen zu erstellen. Auf der nächsten Stufe bringen wir sie in Kontakt mit Unternehmen, die entsprechende Produkte herstellen. Außerdem starten wir nächstes Jahr den Aufruf für ein Hydrogen-Valley in Europa – nach dem Vorbild des Silicon Valley.
Das müssen Sie erklären.
Wir wollen eine größere Zahl von Wasserstoff-Technologien bündeln um zu demonstrieren, wie sich Energieerzeugung und Verkehr koppeln lassen, um eine Region zu dekarbonisieren. So ein großer Demonstrator könnte zur Blaupause für andere Regionen werden. Vielleicht nicht von der Größe, aber von der Wahrnehmung könnte das Hydrogen Valley eine ähnliche Bedeutung bekommen wie das Silicon Valley.
Wie kommen Sie dabei ins Spiel?
Wir hoffen, dass Projekte mit einem Volumen von 80 bis 100 Millionen Euro oder mehr zustande kommen. Davon werden wir einen Teil finanzieren. Es wird eine Kombination aus öffentlichen und privaten Investments, und wir bringen verschiedene nationale und EU-Programme zusammen.
Der ideale Standort für so eine Modellregion läge wahrscheinlich in Skandinavien, weil es dort große Mengen günstigen Ökostroms gibt.
Natürlich ist günstige Energie ein Faktor. Aber auch Stahl- oder Düngehersteller sind große Wasserstoff-Verbraucher, müssen dekarbonisiert werden und können die H2-Kosten durch ihr hohes Produktionsvolumen drücken. In Köln gibt es zum Beispiel das Großprojekt Refhyne, bei dem ein 10-Megawatt-Elektrolyseur installiert wird. Aber auch die Gegenden in Deutschland mit vielen Autoherstellern könnten Anwärter für ein Hydrogen-Valley sein.
Der Europa-Chef des Brennstoffzellen-Herstellers Ballard Power, Jesper Themsen, hält eine wirtschaftliche Herstellung von Wasserstoff ab einem Preis von fünf Euro pro Kilogramm für möglich. Sehen Sie das genauso?
Fünf Euro pro Kilo sind ein guter Wert für einen Business Case. In einigen Regionen in Skandinavien ist Wasserstoff schon so günstig, aber auch große Nutzer wie die Stahlindustrie schaffen das. Es kommt auf die Abnahmemenge an. Wenn man täglich nur 100 Kilo produziert, wird es sehr teuer. Aber sobald man skaliert, fällt der Preis massiv. Deshalb brauchen wir unbedingt Demonstrationsprojekte: industrielle Bäckereien, Stahlhütten, Raffinerien.
Dennoch: Deutschland kann voraussichtlich nicht genügend grünen Wasserstoff produzieren, um seine Klimaziele bis 2050 zu erreichen. Experten zufolge müssten große Mengen H2 aus dem Ausland exportiert werden. Halten Sie das für realistisch?
Das ist letztlich eine politische Entscheidung. Wenn man die Geschwindigkeit beim Erneuerbaren-Ausbau drastisch erhöht, kann man den Wasserstoff auch im eigenen Land produzieren. Bis die nationale Produktion hochgefahren ist, könnte der Import eine Übergangslösung sein. Es wird letztlich ein Mix aus beidem sein, jedes Land muss für sich entscheiden, welches Modell die beste Lösung ist.
Könnte es gelingen, etwa in Nordafrika große Wasserstoff-Produktionskapazitäten für den Export nach Europa aufzubauen?
Es wäre vorstellbar, dass man einen großen Solarpark in Nordafrika baut, Elektrolyseure danebenstellt und den Wasserstoff dann über die vorhandenen Gaspipelines nach Europa exportiert.
Aber das Desertec-Projekt, bei dem eine Solarindustrie in Nordafrika und dem Mittleren Osten aufgebaut werden sollte, um Strom nach Europa zu liefern, hat nicht funktioniert. Unter anderem, weil die Länder ihre Energie selbst nutzen wollten.
Sie könnten einen Teil selbst verwenden und den Rest exportieren. Aber auch andere Länder wie Chile könnten grünen Wasserstoff produzieren und per Schiff nach Europa exportieren. Japan führt bereits verflüssigten Wasserstoff per Schiff aus Australien ein. Norwegen könnte ebenfalls viel grünes H2 für den Export produzieren. Das Gute am Wasserstoff ist ja, dass wir nicht auf so wenige Exportländer beschränkt sind wie beim Erdöl. |