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Energieverbrauch macht Klimaschutz zunichte
Die Energienachfrage wird in den kommenden Jahren so stark wachsen, dass alle Anstrengungen zum Klimaschutz aufgehoben werden. Bis 2050 könnte sich die Nachfrage sogar verdoppeln. Das erwarten Fachleute des Weltenergierates.
ami. ROM, 12. November. Die auf der ganzen Welt zunehmende Energienachfrage wird in den kommenden 15 Jahren alle Anstrengungen zur Bekämpfung des Klimawandels aufheben. Zu dem Schluss kommt der Weltenergierat (WEC), ein Zusammenschluss von Energieunternehmen aus der ganzen Welt, in neuen Studien, die am Montag in Rom vorgestellt wurden. Demnach wird die Energienachfrage bis zum Jahr 2030 um bis zu 40 Prozent steigen, bis 2050 könnte sie sich sogar gegenüber heute verdoppeln. Ähnliche Ergebnisse hatte unlängst die Internationale Energieagentur (IEA) vorhergesagt.
Die Nachfrage nach Strom wird laut WEC sogar um das Vierfache des heutigen Wertes zunehmen. Treibende Kräfte sind die Schwellenländer, die zu einem großen wirtschaftlichen Aufholprozess angesetzt haben. Schattenseite der Nachfrageexplosion sind weitere Preiserhöhungen für Energie und ein wachsender Ausstoß von Kohlendioxid. Bis 2035 werde die Emission des klimaschädlichen Gases - wenn auch gebremst - wachsen, um dann bis 2050 auf hohem Niveau stabil zu bleiben. Erst danach sei mit einer merklichen Verringerung des Ausstoßes von Kohlendioxid zu rechnen. Nach Auffassung von Klimafachleuten könnte dies aber zu spät sein, um die Erwärmung der Erde aufzuhalten.
Der Vorsitzende der weltumspannenden Organisation, André Caillé, wies darauf hin, dass mehr als eineinhalb Milliarden Menschen ohne jeden Zugang zu Elektrizität seien. Er appellierte an die Unternehmen, ihre Investitionen in neue und technisch effizientere Anlagen auszuweiten. Die Investitionen müssten deshalb bis zum Jahr 2050 verdrei- oder vervierfacht werden. "Die Energiepreise werden und müssen steigen", sagte der Autor der Untersuchung, Brian Andrew Statham. Voraussagen über deren Höhe seien aber nicht möglich, weil gerade der Ölpreis stark von politischen Faktoren beeinflusst werde. Höhere Preise für Energieressourcen würden einerseits helfen, die notwendigen Investitionen in neue Technologien zu finanzieren. Andererseits sorgten höhere Preise dafür, dass Energie effizienter eingesetzt werde. Beides sei notwendig, sagte Statham, in dessen Untersuchung auch Positionen von Handelsgruppen und Nichtregierungsorganisationen eingeflossen sind. Der WEC rief Politik und Unternehmen dazu auf, besser zusammenzuarbeiten. Um für eine sichere und ausreichende Energieversorgung in der ganzen Welt zu sorgen und zugleich mehr für den Klimaschutz zu tun, sei eine Kooperation "auf einem nicht erreichten Niveau" notwendig.
Der Präsident der Europäischen Kommission, Manuel Barroso, griff dies in seiner Forderung für ein internationales Klimaschutzabkommen auf. Die Klimakonferenz in Bali im Dezember sei dafür sehr wichtig. Barroso gab sich überzeugt, dass es gelingen werde, bis Ende kommenden Jahres einen das Kyoto-Protokoll ergänzenden Vertrag aufzusetzen, der bis 2012 von allen Staaten ratifiziert werde. 2012 läuft das Protokoll aus, in dem sich die Teilnehmer verpflichten, ihren Kohlendioxidausstoß gegenüber 1990 zu verringern. Für Deutschland beträgt die Marke 21 Prozent. Wichtige Emittenten wie Amerika, China oder Indien haben das Protokoll aber nicht unterschrieben und zieren sich noch, einem neuen Abkommen unter Führung der Vereinten Nationen beizutreten.
Der Europa-Chef des WEC, Eon-Vorstand Johannes Teyssen, verlangte ein "entschiedenes Regierungshandeln und eine stärker internationale Zusammenarbeit". Allerdings dürfe der Staat nur Ziele vorgeben und solle es den Marktmechanismen überlassen, wie die Vorgaben erreicht würden. Er wies darauf hin, dass 85 Prozent der Weltstromerzeugung auf fossilen und stark kohlendioxidhaltigen Trägern basierten. Ein Verzicht darauf sei unrealistisch. Deshalb müsse mehr in die Erforschung von Technologien investiert werden, um Kohlendioxid abzuspalten und zu lagern. Neben einem "steilen Zuwachs erneuerbarer Energien" sei auch der weltweite Ausbau der Kernenergie notwendig. Ähnlich ließ sich Barroso vernehmen. Der Klimawandel und die Debatte um die Sicherheit der Energieversorgung würden die Diskussion um die Kernenergie weiter beleben. Nach Schätzungen der Europäischen Kommission wird die Union 2030 bis zu 70 Prozent ihres Energiebedarfs einführen, heute sind es 55 Prozent. 30 Prozent der europäischen Stromproduktion stammen aus Kernkraftwerken.
Text: F.A.Z., 13.11.2007, Nr. 264 / Seite 11 MfG kiiwiipedia
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