Guten Morgen,
man muss beim potentiellen Risiko eines Delistings mal grundsätzlich unterscheiden ob dies auf Initiative der USA oder China geschieht. Ein gewisses Risiko besteht auf beiden Seiten, aber man muss die ganze Thematik zuerst einmal nüchtern betrachten, um sich ein objektives Bild zu machen:
1) Von Seiten der USA gibt es Initiativen um chinesische Firmen zu delisten die sich nicht an die SEC Vorgaben halten was zum einen die Prüfung der Bilanzen und zum anderen die Eigentümerstruktur angeht. Bezüglich der Bilanzierung glaube ich, dass man hier von Seiten der chinesischen Behörden den Dialog sucht (man hat das auch schon öffentlich so kommuniziert). Ich denke hier sollte es nur in Einzelfällen zu Delistings kommen, wo TME sicher nicht das erste Ziel der US-Behörden sein würde. Um was es den USA jedoch primär geht ist die Eigentümerstruktur von chinesischen Unternehmen. Diese ist in vielen Fällen sehr schleierhaft und führt in nicht wenigen Fällen zur chinesischen Regierung. Da muss man jedes Unternehmen gesondert betrachten. Bei TME ist der Haupteigentümer Tencent Holdings, darum wird es darauf ankommen ob die Konzernmutter diese KYC-Prüfung besteht. Was Tencent betrifft bin ich sehr entspannt. Rund 29% des Unternehmens werden von Prosus gehalten (notiert in Amsterdam) und Prosus wird wiederum mehrheitlich durch Naspers kontrolliert - dem größten südafrikanischen Unternehmen das noch dazu sowohl in Südafrika als auch Europa börsennotiert ist. Ich würde sagen das ist schon mal ein Hauptgewinn, wenn 1/3 der Aktien von Tencent indirekt in der Hand eines Unternehmens sind das als transparenter Global Player gilt. Einen werteren Teil (rund 8%) hält Pony Ma, also der Gründer. Danach folgen mit Vanguard und Blackrock die beiden größten Vermögensverwalter aus den USA und danach eine ganze Reihe von Fonds und Banken aus aller Welt. Somit sollte Tencent und damit auch TME was die Ownership Structure betrifft gut aus dem Schneider sein. Sollte es durch die SEC trotzdem zu einem Delisting kommen, dann gibt es hierfür eine Frist von 3 Jahren, bevor das Unternehmen von der New Yorker Börse genommen wird.
Fassen wir also zusammen: Ein Delisting durch die USA ist für TME auf Basis der derzeitigen Faktenlage (diese kann sich natürlich noch ändern) eher unwahrscheinlich und auch wenn hier in den nächsten Wochen die News käme dass TME delistet wird, dann käme es dazu voraussichtlich erst frühestens Anfang 2025.
2) Schon eher wahrscheinlich ist, dass chinesische Unternehmen auf Druck der chinesischen Behörden auf "Eigeninitiative" in New York delisten, so wie dies letzte Woche durch Didi angekündigt wurde. Man muss gleich einmal vorweg sagen, dass Didi in den Augen der Volksrepublik schon immer ein Problemkind unter den ADRs war. Man wollte ursprünglich garnicht, dass sie den IPO in den USA machen, dem Management war das schlichtweg egal und man hat es gegen den Willen der Behörden durchgezogen. Es war also nur eine Frage der Zeit bis hier die Regierung durchgreift. Im Falle von Didi (und dieser könnte zu einem Präzedenzfall werden, sollte es weitere Unternehmen treffen) wird das Unternehmen in Hong Kong listen und man wird dann seine ADRs 1:1 in Aktien die dort listen tauschen können. Die Investoren werden weder verwässert noch enteignet, nur ist hald Hong Kong ein weniger attraktiver Börsenplatz als New York. Aber wichtig ist, dass sich am Unternehmen und dessen fundamentalen Zahlen nichts ändert. Es gibt natürlich vorerst einmal einen kurzen Schock, weil viele Investoren die Panik bekommen (dabei besteht dafür kein wirklicher Grund), aber langfristig ist ein Listing in Hong Kong eventuell sogar besser. Zum einen fällt der Druck der US-Behörden auf einmal komplett weg und zum anderen dürfte auch der Druck von chinesischer Seite nachlassen, da man mit Hong Kong besagte Unternehmen dann "unter Kontrolle" hat und nicht mehr fürchten muss, dass die USA durch weitere KYC-Prüfungen an sensible Daten gelangen.
Ich würde also an eurer Stelle diese ganze Thematik entspannt betrachten und einfach nach unten nachkaufen. Politische Börsen haben bekanntlich kurze Beine und bei einem KGV von 17,5 ist TME für dieses Umsatzwachstum (auch im Vergleich zu Spotify als auch dem chinesischen (!) Konkurrenten Cloud Village) spottbillig. Ich habe am Freitag nochmals meine Position verdoppelt und werde das wieder und wieder tun, denn dieses Unternehmen wurde bereits reguliert und schwimmt nach wie vor so dermaßen im Geld, dass man nicht weiß wohin damit und nun beginnt seine eigenen Aktien im großen Stil zurückzukaufen. Die liquiden Mittel belaufen sich auf 4 Mrd USD, das sind 40% der derzeitigen Marktkapitalisierung. Der Operative Cashflow beträgt nach 9 Monaten im Jahr 2021 bereits 686 Mio USD und ist damit weit über dem Vorjahreswert. Für das Gesamtjahr wird er um die 800 Mio USD liegen. Was will man bitte mehr?
Ein Punkt der mir in dieser ganzen Diskussion um das Delisting chinesischer ADRs im Hinblick auf TME noch im Kopf herumgeistert: Tencent Holdings hat bereits ein Listing in Hong Kong und ist somit bereits in der Delisting-Diskussion aus dem Schneider. Man hält über 50% an TME und hat damit eine Beteiligung die sehr gute Aussichten hat und gutes Geld einbringt. Wenn der Druck auf chinesische ADRs steigt müssen sich viele dieser Unternehmen um ein Lisiting in Hong Kong bemühen. Aber wer sagt, dass Tencent Holdings das im Falle von TME durchziehen würde. Wäre es für Tencent nicht weit attraktiver zu sagen, dass man TME (z.B. zum IPO Preis) wieder von der Börse nimmt? Meiner Meinung nach ist das eine Möglichkeit die garnicht mal so surreal ist. Warum sollte sich Tencent überhaupt die Mühe machen und sich um einen IPO in Hong Kong scheren, wenn man die Tochter die jetzt bereits jetzt aus dem operativen Geschäft lebt und ohne zusätzliches Eigen- oder Fremdkapital gut zu recht kommt nicht einfach wieder gänzlich übernehmen kann?
Mein Fazit: Hier wird gerade ordentlich draufgehauen, aber wer bei TME langfristig denkt, der muss hier fast zuschlagen. |